Entscheidungsdatum
07.02.2023Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §2 Abs1 Z27Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Simanov über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 11.01.2023, Zl. ..., betreffend Übertretung des § 24 Abs. 3 lit. a Straßenverkehrordnung 1960 (StVO 1960)
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, sofern diese nicht nach § 25a Abs. 4 VwGG ausgeschlossen ist.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, MA 67, vom 11.1.2023, Zl. ..., wegen Übertretung des § 24 Abs. 3 lit. a StVO 1960 schuldig erkannt und über ihn gem. § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 39/2013 eine Geldstrafe idHv. EUR 78,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden verhängt. Ferner wurden ihm gem. § 64 VStG EUR 10,-- als Verfahrenskosten auferlegt.
Er habe am 4.10.2022, von 4:22 Uhr bis 4:33 Uhr in Wien, C.-gasse als Lenker des Kraftfahrzeugs mit dem behördlichen Kennzeichen W-... (A) auf einer Straßenstelle geparkt, die mit einer Zickzacklinie gekennzeichnet war.
Diesem Straferkenntnis ging eine Organstrafverfügung vom 4.10.2022, eine Anonymverfügung vom 7.11.2022 an die Zulassungsbesitzerin (D. GmbH), eine Lenkererhebung vom 12.12.2022 an die Zulassungsbesitzerin (D. GmbH) und eine Strafverfügung vom 14.12.2022 an den Beschwerdeführer voran. Gegen letztere wurde rechtzeitig Einspruch erhoben.
Gegen das Straferkenntnis vom 11.1.2023 richtet sich die durch den rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 26.1.2023 form- und fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Darin bringt dieser – unter Anschluss eines Antrags vom 18.3.1998 an den Magistrat der Stadt Wien – MA 46 auf Anbringung von Einfahrtsmarkierungen, einer Niederschrift über die Ortsverhandlung am 8.5.1998 und der Verordnung vom 11.5.1998 jeweils des Magistrats der Stadt Wien – MA 46 sowie eines Genehmigungsbescheides des Magistrats der Stadt Wien – MA 28 vom 26.1.1998 betreffend Herstellung einer Gehsteigauf- und -überfahrt, zusammengefasst vor, er dürfe als Eigentümer der Liegenschaft und alleiniger Berechtigter der gegenständlichen Hauseinfahrt auf der Zickzacklinie parken. Das Verbot des § 24 Abs. 3 lit. b StVO sei nicht anzuwenden (VwGH 12.4.1964, Zl. 2261/63). Gegenständliches Parkverbot sei vom Beschwerdeführer als Grundeigentümer selbst mit dem Zweck beantragt worden, dass die Einfahrt vor der Liegenschaft C.-gasse, Wien zuverlässig freigehalten und der erforderliche Schwenkbereich für ein reibungsloses Ein- und Ausfahren sichergestellt werde. Er habe das vom Gesetzgeber als schutzwürdig erachtete Rechtsgut (die Sicherung der freien Aus- und Einfahrt) durch Abstellen eines Fahrzeuges vor der Einfahrt nicht verletzt, weil er der einzige Benützungsberechtigte sei.
Der Beschwerdeführer begehrt deshalb die Einstellung des Strafverfahrens.
Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor, wo dieser am 31.1.2023 einlangte. Sie verzichtete auf die Teilnahme an einer etwaigen öffentlichen mündlichen Verhandlung.
II. Sachverhalt
Es steht als erwiesen fest, dass der Beschwerdeführer am 4.10.2022 zwischen 4:22 Uhr und 4:33 Uhr in Wien, C.-gasse, den PKW mit dem behördlichen Kennzeichen W-... (A), welcher auf die „D. GmbH“ zugelassen ist, auf einer Zickzacklinie geparkt hat.
Der Beschwerdeführer ist auf Grundlage eines Kaufvertrages vom 20.5.1996 Alleineigentümer des Hauses in Wien, C.-gasse, vor dessen Grundstückseinfahrt er geparkt hat und hat seit 28.9.1982 durchgehend seinen Hauptwohnsitz an der genannten Anschrift. In diesem Gebäude befinden sich die Unternehmenssitze der „D. GmbH“, deren (alleiniger) handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist und der „E. Gesellschaft m.b.H.“, deren (alleiniger) Gesellschafter/Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist.
Der Beschwerdeführer ist somit alleiniger Verfügungs- und Benützungsberechtigter der zum Haus in Wien, C.-gasse gehörenden Einfahrten.
Die in Wien, C.-gasse befindliche Zickzacklinie wurde vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18.3.1998 beim Magistrat der Stadt Wien – MA 46 – Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten beantragt. Hintergrund dieses Antrags war die Schaffung einer Zufahrtsmöglichkeit. Am 8.5.1998 hielt der Magistrat der Stadt Wien – MA 46 eine Ortsverhandlung ab und kam zum Ergebnis, dass zur Verdeutlichung, Freimachung und zuverlässigen Freihaltung des für ein reibungsloses Ein- und Ausfahren können erforderlichen Schwenkbereiches und damit zur Erleichterung der Benützung ggstl. Einfahrt eine durch Bodenmarkierungen kundzumachende Verordnung ohne zeitliche Beschränkung erlassen wird. Diese Verordnung wurde am 11.5.1998 genehmigt. Zuvor wurde dem Beschwerdeführer bereits mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien – MA 28 vom 26.1.1998 die Genehmigung zur Herstellung einer Gehsteigauf- und –überfahrt bewilligt.
Bereits in der Vergangenheit wurde gegen den Beschwerdeführer wegen dem Parken auf der Zickzacklinie in Wien, C.-gasse ein Verwaltungsstrafverfahren geführt, wobei dieses mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 27.9.2021, GZ: VGW-031/072/11266/2021-5, eingestellt wurde, da dieser auf einer Zickzacklinie geparkt hat, welche sich vor der Einfahrt einer Liegenschaft befindet, deren einziger Benützungsberechtigter der Beschwerdeführer ist.
III. Beweiswürdigung
Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde, Einsicht in den verwaltungsgerichtlichen Akt zur GZ: VGW-031/072/11266/2021 und durch Registerabfragen (Zentrales Melderegister, Grundbuchsauszug, Firmenbuchauszüge der beiden Gesellschaften).
Dass der Beschwerdeführer am 4.10.2022 zwischen 4:22 Uhr und 4:33 Uhr in Wien, C.-gasse, den PKW mit dem behördlichen Kennzeichen W-... (A) auf einer Zickzacklinie geparkt hat, wurde das gesamte Verwaltungsstrafverfahren nicht bestritten, sondern geht dieser lediglich von der rechtlichen Zulässigkeit des Parkens aus. Im Übrigen ist einem geschulten Sicherheitswachebeamten zuzumuten, über die in Ausübung seines Dienstes gemachten Wahrnehmungen richtige Angaben zu machen. Diesem ist zuzubilligen, einen einfachen Verkehrsvorgang, wie das Parken auf einer Zickzacklinie, richtig zu beobachten und das Beobachtende richtig wiederzugeben (VwGH 3.10.1990, 90/02/0111).
Der Feststellung über den Hauptwohnsitz liegt der Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 7.2.2023 zugrunde. Der Feststellung über die Eigentumsverhältnisse liegt der Grundbuchsauszug vom 7.2.2023 zugrunde. Der Feststellung über die Gesellschaftsverhältnisse betreffend die „D. GmbH“ und der „E. Gesellschaft m.b.H.“ liegen die Firmenbuchauszüge vom 7.2.2023 zugrunde.
Dass der Beschwerdeführer nicht alleine Verfügungsbefugter des verfahrensgegenständlichen Objekts ist, hat das Ermittlungsverfahren nicht ergeben.
Dass der Beschwerdeführer die Zickzacklinie, respektive eine Einfahrtsmarkierung, selbst beantragt hat, ergibt sich aus dem als Beilage ./4 zur Beschwerde bezeichneten Antrags des Beschwerdeführers vom 18.3.1998 an den Magistrat der Stadt Wien - MA 46 – Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten. Die Abhaltung einer Ortsaugenscheinverhandlung liegt die darüber aufgenommene Niederschrift vom 8.5.1998, GZ: ..., (Beilage ./5 zur Beschwerde) zugrunde. Dass die Verordnung am 11.5.1998 genehmigt wurde, ergibt sich aus Beilage ./6 zur Beschwerde. Der Feststellung der durch den Magistrat der Stadt Wien – MA 28 erwirkten Bewilligung vom 26.1.1998 betreffend Herstellung einer Gehsteigauf- und –überfahrt liegt der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien – MA 28 vom 26.1.1998, GZ: ... (Beilage ./7 zur Beschwerde) zugrunde.
Der Feststellung, dass gegen den Beschwerdeführer in der Vergangenheit bereits ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Parken auf der Zickzacklinie an derselben Tatörtlichkeit eingestellt wurde, liegt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 27.9.2021, GZ: VGW-031/072/11266/2021, zugrunde.
IV. Rechtliche Beurteilung
A. Maßgebliche Rechtsnormen
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 27 StVO 1960 ist „Halten“, eine nicht durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Fahrtunterbrechung bis zu zehn Minuten oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit (§ 62).
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 28 StVO 1960 ist „Parken“ das Stehenlassen eines Fahrzeuges für eine längere als die in Z 27 angeführte Zeitdauer.
Gemäß § 24 Abs. 3 lit. a StVO 1960 ist das Parken außer in den im Abs. 1 angeführten Fällen noch verboten im Bereich der Vorschriftszeichen „Parken verboten“ und; „Wechselseitiges Parkverbot“ nach Maßgabe der Bestimmungen des § 52 Z 13a und 13c, auf Straßenstellen, die mit einer Zickzacklinie gekennzeichnet sind, sowie entlang von unterbrochenen, am Fahrbahnrand angebrachten gelben Linien gemäß § 55 Abs. 8.
Gemäß § 24 Abs. 3 lit. b StVO 1960 ist das Parken außer in den im Abs. 1 angeführten Fällen noch verboten vor Haus- und Grundstückseinfahrten.
Gemäß § 24 Abs. 3 lit. a StVO 1960 in seiner Stammfassung BGBl. Nr. 159/1960 ist das Parken außer in den im Abs. 1 angeführten Fällen noch vor Haus- oder Grundstückseinfahren verboten.
Gemäß § 24 Abs. 3 lit. a StVO in der Fassung BGBl. Nr. 412/1976 (Inkraft: 1.1.1977) ist das Parken außer den in den Abs. 1 angeführten Fällen
a) im Bereich der Vorschriftszeichen „Parken verboten“ und „Wechselseitiges Parkverbot“ nach Maßgabe der Bestimmungen des § 52 Z 13a und 13c“,
b) vor Haus- und Grundstückseinfahrten verboten.
Gemäß § 24 Abs. 3 lit. a StVO in der Fassung BGBl. Nr. 174/1983 (Inkraft: 1.7.1983) ist das Parken außer den in den Abs. 1 angeführten Fällen im Bereich der Vorschriftszeichen „Parken verboten“ und „Wechselseitiges Parkverbot“ nach Maßgabe der Bestimmungen des § 52 Z 13a und 13c“ sowie auf Straßenstellen, die mit einer Zickzacklinie gekennzeichnet sind, verboten.
Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1969, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 39/2013, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu EUR 726,-, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.
B. Daraus folgt
Die das Parkverbot vor Haus- und Grundstückseinfahrten in seiner Stammfassung zur StVO 1960 regelnde litera a des § 24 Abs. 3 StVO 1960 wurde mit BGBl. Nr. 412/1976 ab 1.1.1977 in die litera b übertragen.
Sodann wurde mit BGBl. Nr. 174/1983, welches am 1.7.1983 Inkraft trat, in § 24 Abs. 3 lit. a StVO 1960 das Parkverbot auf einer Zickzacklinie gesetzlich verankert.
Während somit § 24 Abs. 3 lit. b StVO 1960 ein generelles Parkverbot vor einer Haus- und Grundstückseinfahrt regelt, verbietet § 24 Abs. 3 lit. a StVO 1960 ua. das Parken auf einer Zickzacklinie. Durch eine Zickzacklinie – wie auch durch die verfahrensgegenständliche, was sich aus dem Verordnungsakt des Magistrats der Stadt Wien – MA 46 eindeutig ergibt – wird ein bestehendes Parkverbot vor einer Haus- und Grundstückseinfahrt verdeutlicht.
Schutzzweck des § 24 Abs. 3 lit. a und b StVO 1960 ist es somit, über eine Einfahrt verfügungsberechtigten Personen das ungehinderte Zu- und Abfahren zu dieser zu ermöglichen (zum Parkverbot vor einer Haus- und Grundstückseinfahrt siehe VwGH 12.5.1964, Zl. 2261/63).
In seiner Entscheidung vom 12.5.1964, Zl. 2261/63, zum damals in § 24 Abs. 3 lit. a StVO 1960 regelnden Parkverbot vor Haus- und Grundstückseinfahrten führte der VwGH aus (Hervorhebung durch das erkennende Verwaltungsgericht):
„… Mit Recht weist aber der Beschwerdeführer auf die für das gesamte österreichische Rechtssystem, daher auch für das Verwaltungsstrafrecht gültige Auslegungsregel des § 6 ABGB hin, "wonach einem Gesetz in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden darf, als aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet". Es ist also keineswegs die rein wörtliche Auslegung des Gesetzestextes primär allein entscheidend, sondern sind beide Richtlinien, nämlich die Erforschung der Bedeutung des Wortlautes wie auch die klare Absicht des Gesetzgebers in gleicher Weise und ebenbürtig nebeneinandergestellt.
Davon ausgehend ist hier die Frage zu untersuchen, worin bei dem Parkverbot des § 24 Abs. 3 lit. a StVO die ratio legis gesehen werden muß. Zweifellos kann der Zweck und der Sinn dieser Bestimmung ausschließlich in der Sicherung der Freihaltung von Haus- und Grundstückseinfahrten für die hinsichtlich dieser Einfahrten benutzungsberechtigten Personen bestehen. Die belangte Behörde irrt, wenn sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Meinung vertritt, eine Hauseinfahrt müsse auch für Einsatzfahrzeuge (Feuerwehr, Rettung, Polizei) jederzeit frei sein. ...
…
Anders muß die Rechtslage jedoch beurteilt werden, wenn bezüglich einer Einfahrt eine einzige bestimmte Person verfügungsberechtigt und diese tatsächlich nachgewiesen ist. Für diesen Fall würde es als mit der Absicht des Gesetzgebers unvereinbar empfunden werden müssen, wollte man auch von den hinsichtlich einer Einfahrt einzig benützungsberechtigten Personen verlangen, diese Einfahrt unter allen Umständen freizuhalten. Denn hier kommt ja das vom Gesetzgeber als schutzwürdig erachtete Rechtsgut - nämlich die Sicherung der freien Aus- und Einfahrt für den Verfügungsberechtigten - völlig in Wegfall und straffällig kann grundsätzlich nur derjenige werden, der ein Rechtsgut, sohin rechtlich geschützte Lebensinteressen des einzelnen oder der Gesellschaft verletzt. …
…
Der Wortlaut eines Gesetzes kann und darf aber, wie schon oben hervorgehoben, nicht in einer dem Sinn des Gesetzes und der klaren Absicht des Gesetzesgebers widersprechenden Weise ausgelegt werden. Wie der Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, geht es nicht an, bei der Beurteilung eines Rechtsfalles sich nur an den Wortlaut einer Gesetzesstelle allein zu klammern, wenn das Festhalten am Buchstaben des Gesetzes zu überspitzten Ergebnissen führen würde. Die buchstabengetreue Auslegung des Gesetzes muß in solchen Fällen besserer Einsicht und besserem Verständnis für den erkennbar erklärten Willen des Gesetzgebers weichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 1955, Zl. 3102/53). Das ist ein Grundsatz, der übrigens auch sonst in der Rechtsprechung zum Ausdruck kommt. Beispielsweise kann in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, daß die Gefährdungsdelikte, wie §§ 335 und 431 StG in ihrem Wortlaut nach keineswegs erkennen lassen, daß die Selbstgefährdung oder Selbstverletzung hienach nicht strafbar wäre. Trotzdem hat die Rechtsprechung (KH 2852, 2588) wie auch die herrschende Lehre immer daran festgehalten, daß bloße Selbstgefährdung nicht strafbar ist, wie ja sogar die früher einmal bestandene Strafbarkeit des Selbstmordes beseitigt wurde und überhaupt Handlungen oder Unterlassungen, durch welche jemand sich eben nur selbst verletzt oder gefährdet, nicht unter die Sanktion §§ 335 und 431 StG fallen. Es ist also auch an diesen Beispielen zu ersehen, daß es immer darauf ankommen wird müssen, ob ein geschütztes Rechtsgut in Frage kommt und nur dann, wenn ein solches Rechtsgut gefährdet werden kann, die allfällige Strafbarkeit einzutreten haben wird. …“
Diese Rechtsansicht hat der VwGH in weiteren Entscheidungen betreffend das Parkverbot vor Haus- und Grundstückseinfahrten bestätigt, wonach die Bestimmung des § 24 Abs. 3 lit. a StVO (Anm.: welche sich nunmehr in lit. b befindet) für diejenigen Personen keine Geltung hat, die hinsichtlich der Haus- und Grundstückseinfahrt allein benützungsberechtigt sind. Straffällig nach dieser Gesetzesstelle kann nur derjenige werden, der das vom Gesetzgeber als schutzwürdig erachtete Rechtsgut – nämlich die Sicherung der freien Aus- und Einfahrt für den Benützungsberechtigten - verletzt (vgl. VwGH 24.4.1981, Zl. 3276/80; VwGH 12.5.1964, Zl. 2261/63).
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien ist diese Rechtsansicht auf das in § 24 Abs. 3 lit. a StVO 1960 normierte Parkverbot auf einer Zickzacklinie zu übertragen. Die Verordnung und Kundmachung der verfahrensgegenständlichen Zickzacklinie dient – wie bereits erwähnt – der Verdeutlichung bzw. Kenntlichmachung eines sich aus § 24 Abs. 3 lit. b StVO 1960 ergebenen Parkverbots vor einer Haus- und Grundstückseinfahrt. Zweck einer bzw. dieser Zickzacklinie vor einer Haus- und Grundstückseinfahrt ist es daher, den Benützungsberechtigten die freie Aus- und Einfahrt zu ermöglichen. Gerade diesen dient der Schutz der in Rede stehenden Bestimmung. Dass gegenständliche Zickzacklinie (auch) dem Schutz der Aufrechterhaltung der Leichtigkeit, Sicherheit oder Flüssigkeit des Verkehrs dienen soll (z.B. an schmalen Straßenstellen), ist hingegen weder erkennbar noch hervorgekommen.
Da der Beschwerdeführer als alleiniger Benützungs- bzw. Verfügungsberechtigter des Hauses in Wien, C.-gasse, somit nicht gegen den Schutzzweck des verfahrensgegenständlichen Parkverbotes nach § 24 Abs. 3 lit. a StVO 1960 verstoßen hat, ist sein Verhalten auch nicht strafbar.
Deshalb war das angefochtene Straferkenntnis spruchgemäß aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gem. § 45 Abs. 1 Z 2 erster Fall VStG einzustellen.
C. Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Auch stand gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG auch bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
D. Zur Unzulässigkeit der Revision
Für den Beschwerdeführer ist die Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) gem. § 25a Abs. 4 VwGG absolut unzulässig, weil es sich um eine Verwaltungsübertretung handelt, für die eine Geldstrafe von weniger als EUR 750,-- vorgesehen ist und keine (primäre) Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und durch die belangte Behörde lediglich eine Geldstrafe von EUR 78,-- verhängt wurde.
Im Übrigen ist die Revision zulässig, da es – soweit durch das Verwaltungsgericht Wien überblickbar – an Rechtsprechung dazu fehlt, ob allein Verfügungs- bzw. Benützungsberechtigten das Parken auf einer Zickzacklinie vor einer Haus- bzw. Grundstückseinfahrt erlaubt ist. Dieser Rechtsfrage kommt jedenfalls eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, zumal es in ganz Österreich eine Vielzahl an verordneten und kundgemachten Zickzacklinien vor Haus- und Grundstückseinfahrten gibt.
Schlagworte
Parkverbot; Haus- und Grundstückseinfahrt; allein benützungsberechtigt; Sicherung der freien Ein- und Ausfahrt; ZickzacklinieEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2023:VGW.031.003.1527.2023Zuletzt aktualisiert am
14.03.2023