TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/9 95/18/0029

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Veröffentlicht am 09.11.1995
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z8;
FrG 1993 §18 Abs2;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des E in H, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. November 1994, Zl. SD 884/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. November 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 8 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde - im wesentlichen - folgendes aus: Der Beschwerdeführer sei im Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 21. September 1993 eine Aufenthaltsbewilligung erwirkt. Er sei am 15. Februar 1993 von Beamten des Landesarbeitsamtes Wien bei einer Beschäftigung betreten worden, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Beschäftigungsbewilligung gewesen zu sein. Am 13. Juli 1994 sei er wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholbeeinträchtigtem Zustand gemäß § 5 Abs. 1 StVO bestraft sowie am 22. Juni 1994 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit rechtskräftig verurteilt worden. Am 16. Mai 1994 sei er abermals bei einer Beschäftigung betreten worden, die den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zuwidergelaufen sei.

Damit lägen jedenfalls die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG vor. Aufgrund des aufgezeigten Gesamtfehlverhaltens sei auch die in § 18 Abs. 1 leg.cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt. In einem solchen Fall sei ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, soferne nicht die §§ 19 oder 20 FrG entgegenstünden. Wegen des kurzen und größtenteils illegalen Aufenthaltes sowie im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer bislang keiner legalen Beschäftigung nachgegangen sei, sei kein hoher Grad an Integration gegeben. Da sich aber die Ehegattin und die beiden Kinder des Beschwerdeführers in Österreich aufhielten, sei von einem durch das Aufenthaltsverbot bewirkten Eingriff in das Privat- und Familienleben im Sinne des § 19 FrG auszugehen. Es sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, nämlich zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Interesse der Verkehrssicherheit und eines geordneten Arbeitsmarktes, dringend geboten und daher gemäß § 19 FrG zulässig. Angesichts des gegebenen Sachverhaltes seien die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes weitaus höher zu bewerten als die mit dieser fremdenpolizeilichen Maßnahme verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Auch die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Bürgerkriegssituation in seinem Heimatland sei in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung, weil im Verfahren betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht zu berücksichtigen sei, in welchen Staat der Fremde zulässigerweise abgeschoben werden könne.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, zweimal durch Beamte des Landesarbeitsamtes Wien bei der Ausübung von unerlaubten Beschäftigungen betreten worden zu sein. Der Verwaltungsgerichtshof hält es nicht für rechtswidrig, wenn die belangte Behörde zum Ergebnis gelangte, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG im Fall des Beschwerdeführers verwirklicht worden sei. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, seit seiner Einreise im Oktober 1991 sich überwiegend unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten zu haben, in alkoholisiertem Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt und aus diesem Grund sowohl gerichtlich als auch verwaltungsbehördlich bestraft worden zu sein. Die auf diese Umstände gründende Annahme, es würde der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden (§ 18 Abs. 1 FrG), ist nach der Lage des Falles nicht rechtswidrig. Daran ändert auch der Beschwerdehinweis nichts, daß der Beschwerdeführer nur deshalb ein Kraftfahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt habe, weil er gerade vom Tod seines Bruders bei den Kämpfen in Tuzla erfahren habe. Auch die Auffassung der Behörde, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 19 FrG zur Verhinderung der "Schwarzarbeit" (zur Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie für das wirtschaftliche Wohl des Landes) auch unter Bedachtnahme auf die familiären Beziehungen des Beschwerdeführers im Inland dringend geboten sei, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 94/18/0153).

Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit weiters geltend, daß die belangte Behörde die gemäß § 20 FrG gebotene Abwägung nicht gesetzeskonform vorgenommen habe. Sie habe die (erlaubte) Beschäftigung der Ehegattin sowie den Schulbesuch der Kinder unberücksichtigt gelassen und sei nicht darauf eingegangen, daß der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat keine familiären Bindungen mehr besitze.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung der belangten Behörde, wonach den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein höheres Gewicht beizumessen sei als den damit verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie, nicht rechtswidrig. Die belangte Behörde hat berücksichtigt, daß sich der Beschwerdeführer seit 1991 (allerdings überwiegend unrechtmäßig) mit seiner Familie im Bundesgebiet aufhielt. Daß die Ehegattin des Beschwerdeführers einer erlaubten Beschäftigung im Bundesgebiet nachgeht und seine Kinder in Österreich die Schule besuchen, macht es wahrscheinlich, daß ihm seine Familie im Fall seiner Ausreise nicht folgen und das Aufenthaltsverbot daher tatsächlich zu einer Trennung führen wird. Dieser Umstand vermag allerdings die durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtigten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes, die vom Gesetzgeber in § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG hoch veranschlagt wurden, sowie auch die öffentlichen Interessen an der Beachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften und schließlich auch das öffentliche Interesse an der Sicherheit im Straßenverkehr, nicht zu schwächen. Die belangte Behörde gelangte daher nicht zu Unrecht zu dem Ergebnis, daß die gegen den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechenden öffentlichen Interessen höher als sein Interesse an der Aufrechterhaltung seiner familiären Beziehungen zu veranschlagen seien. Daß der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat keine familiären Bindungen mehr habe, ist für die Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG ohne Relevanz.

Das Beschwerdevorbringen, daß im Hinblick auf die vorliegende Bestrafung nach § 5 Abs. 1 StVO sowie die Verurteilung wegen § 89 und § 81 Z. 2 StGB die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unzulässig sei, da die vom Strafgericht verhängte Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je S 50,-- derart weit unter dem im § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG angeführten Strafrahmen einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten liege, daß die strafgerichtliche Verurteilung keineswegs als Tatsache, die ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen könne, zu werten sei und daß der Beschwerdeführer nur einmal nach § 5 Abs. 1 StVO wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung rechtskräftig bestraft worden sei, sodaß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG ebenfalls nicht erfüllt sei, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Die belangte Behörde sah durch die - auch vom Beschwerdeführer unbestritten gebliebenen - Betretungen des Beschwerdeführers bei Beschäftigungen, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgsetz nicht hätte ausüben dürfen, nämlich den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG als verwirklicht an. Das der Bestrafung nach § 5 Abs. 1 StVO und der gerichtlichen Verurteilung nach den §§ 89 und 81 Z. 2 StGB zugrunde liegende Alkoholdelikt hat sie bei der Beurteilung des Gesamt(fehl)verhaltens gemäß § 18 Abs. 1 FrG bei der Beurteilung der Frage, ob das Aufenthaltsverbot im Sinne des § 19 FrG dringend geboten sei, und bei der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 leg.cit. zulässigerweise mitberücksichtigt. Dies begegnet deswegen keinen Bedenken, weil die in § 18 Abs. 2 FrG enthaltene Aufzählung von für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Tatbeständen keine taxative ist. Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes kommt es vielmehr stets darauf an, ob im Falle des betroffenen Fremden bestimmte Tatsachen gegeben sind, welche die Annahme rechtfertigen, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (vgl. etwa das Erkenntis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1053).

Die Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist im Lichte der ständigen Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0474) gleichfalls unbedenklich. Daß der Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes schon vor dem Verstreichen von fünf Jahren anzunehmen sei, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.

Der angefochtene Bescheid enthält die Aussage, daß mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz einer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt worden sei. Die Beschwerde weist darauf hin, daß tatsächlich die dem Beschwerdeführer zugestellte und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegte Originalausfertigung des Bescheides der Behörde erster Instanz eine solche Aussage nicht enthält, wohingegen in der im Akt befindlichen Durchschrift des erstinstanzlichen Bescheides das entsprechende Kästchen angekreuzt ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Diskrepanz eine - relevante - Aktenwidrigkeit darstellt. Durch den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausspruch, daß die von der Behörde erster Instanz verfügte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt werde, ist der Beschwerdeführer nämlich deswegen in keinen Rechten verletzt, weil nach der Aktenlage in der Zeit der Wirksamkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den Beschwerdeführer keine darauf beruhenden Maßnahmen gesetzt wurden (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. April 1993, Zl. 92/18/0321 - 0331). Auch in Hinkunft kann der Beschwerdeführer daduch in keinen Rechten verletzt sein, weil das mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Aufenthaltsverbot rechtmäßig und nunmehr jedenfalls vollstreckbar ist.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995180029.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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