TE Lvwg Erkenntnis 2023/2/28 LVwG-2020/27/1220-6

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Veröffentlicht am 28.02.2023
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Entscheidungsdatum

28.02.2023

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §34
  1. AVG § 34 heute
  2. AVG § 34 gültig ab 01.01.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001
  3. AVG § 34 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  4. AVG § 34 gültig von 01.02.1991 bis 31.12.1998

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Rosenkranz über die Beschwerde des Herrn Dr. AA, gegen den Bescheid des Stadtmagistrates der Stadt Z vom 15.05.2020, ***, wegen Verhängung einer Ordnungsstrafe,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.       Die ordentliche Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.            Sachverhalt:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über den Beschwerdeführer eine Ordnungsstrafe in Höhe von Euro 500,00 wegen beleidigender Schreibweise in seiner schriftlichen Eingabe vom 18.04.2020 verhängt, wobei im Vorspruch näher ausgeführt wurde, welche Äußerungen als beleidigend erkannt werden.

Dagegen hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Unzuständigkeit bestehe.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt und den Akt des Landesverwaltungsgerichts.

Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte verzichtet werden.

II.           Sachverhalt:

Mit Eingabe vom 18.04.2020 an den Bürgermeister der Stadt Z erhob der Beschwerdeführer eine „Dienstaufsichtsbeschwerde“ gegen eine Mitarbeiterin der Stadt Z. In dieser Eingabe führte der Beschwerdeführer unter anderem aus, wie folgt:

•     „Es ist somit erwiesen, dass BB offenkundig einen amtlichen Beweis (Gutachten des Baupolizisten CC vom 10.12.2019) bewusst verheimlicht, um ihr groteskes und zu keinem Zeitpunkt begründbares Verfahren ewig weiterdümpeln zu lassen. “

•     „Aufgabe der Stadt Z ist es jedenfalls unabhängig von der Entscheidung der Staatsanwaltschaft, für eine korrekte und transparente Verwaltung zu sorgen. In meinen Augen ist eine Frau BB sicherlich im Bauamt untragbar geworden.“

•     Trotzdem führte BB ihr groteskes Verwaltungsverfahren ungeniert weiter und nahm kein Angebot an, über meine Vermittlung einen Ortsaugenschein zwischen Baupolizist CC und Mieterin zu vereinbaren! Insgesamt bewirkte sie durch ihre auffällige Untätigkeit, dass ihr Verfahren seit 16 Monaten ereignis- und ergebnislos dahintümpelt - ein untragbarer Zustand in jedem Rechtsstaat!“

     „BB unterschlägt beide eindeutigen Beweise in ihrem merkwürdigen Elaborat vom 13.02.2020, das man kaum als Aktenvermerk bezeichnen kann, und führt ihr groteskes Verwaltungsverfahren bis zum heutigen Tage weiter.“

•     „Alle Äußerungen der guten Frau, v.a. ihr dramolett-artiges Exposé vom 13.02.2020, belegen doch recht deutlich, dass keinerlei sachliche und an einschlägigen Gesetzen orientierte Vorgangsweise angestrebt wird, etwa wenn BB allen Ernste behauptet, das Foto, das ich ihr im März 2019 vorlegte, zeige zwar einen Esstisch, aber weil dort ein Laptop zu erkennen ist, wäre bewiesen, dass die Wohnung doch ein verkapptes Büro sein muss!“

In weiterer Folge erließ der Stadtmagistrat Z den nunmehr angefochtenen Bescheid.

III.          Beweiswürdigung:

Die vorerwähnten Beweise konnten in unbedenklicher Weise aus dem behördlichen Akt übernommen werden.

IV.           Rechtslage:

Die wesentlichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 58/2018, lauten:

„§ 34

Ordnungsstrafen

(1) Das Verwaltungsorgan, das eine Verhandlung, Vernehmung, einen Augenschein oder eine Beweisaufnahme leitet, hat für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des Anstandes zu sorgen.

(2) Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, sind zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 726 Euro verhängt werden.

(3) Die gleichen Ordnungsstrafen können von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.

(4) Gegen öffentliche Organe und gegen Bevollmächtigte, die zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt sind, ist, wenn sie einem Disziplinarrecht unterstehen, keine Ordnungsstrafe zu verhängen, sondern lediglich die Anzeige an die Disziplinarbehörde zu erstatten.

(5) Die Verhängung einer Ordnungsstrafe schließt die strafgerichtliche Verfolgung wegen derselben Handlung nicht aus.“

V.            Erwägungen:

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seine Eingabe an den Bürgermeister der Stadt Z gerichtet hat und diese als „Dienstaufsichtsbeschwerde“ betitelt hat.

Daraufhin hat der Stadtmagistrat Z den nunmehr angefochtenen Bescheid erlassen.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Regelung des § 34 AVG dazu bestimmt ist, Verletzung des gebotenen Anstands im Verkehr mit den Behörden zu ahnden. Sie wenden sich also nicht gegen den Inhalt des Vorbringens, sondern gegen die Form, in der dieses erfolgt (vgl zB VwGH 27.10.1997, 97/17/0187). Sohin ist nicht der Inhalt des Schreibens (behauptete Missstände, die durch Amtswalter verursacht worden sein), sondern die Form, in der das Vorbringen erfolgt, für den Tatbestand nach § 34 Abs 3 AVG maßgebend (VfSlg 4073/1961).

Die Bestimmung des § 34 AVG ermächtigt die Behörde, das Amtsansehen zu wahren und dort einzugreifen, wo der der Behörde gegenüber gebotene Anstand – unbeschadet einer im Einzelfall sachlich gebotenen Kritik – verletzt worden ist. Es steht jedem Staatsbürger frei, der in einer Handlung eines Organs einer Behörde eine Überschreitung oder missbräuchliche Verwendung der Amtsbefugnisse erblickt, diese in der gesetzlich vorgesehenen Form geltend zu machen. Keinesfalls gibt ihm dies aber das Recht, das Ansehen der Behörde durch allgemeine Anschuldigungen enthaltene Eingaben herabzuwürdigen (vgl zB VwSlg 7029A/1966 ua).

Dem Wesen der Ordnungsstrafe entspricht es, dass nicht ein Organwalter „beleidigt“ wird, sondern dass sich eine Person im Umgang mit der Behörde einer Ausdrucksweise bedient hat, die nicht dem Anstand entspricht (VwGH 25.03.1988, 87/11/0271).

Die Setzung einer Ordnungswidrigkeit wird dadurch nicht entschuldigt, dass die Behörde die mit Ordnungsstrafe geahndete Äußerung veranlasst oder gar provoziert hat (vgl VwGH 25.03.1988, 87/11/0271 mwN).

Ordnungsstrafen stellen keine Strafen für Verwaltungsübertretungen dar, sondern handelt es sich dabei vielmehr um Maßnahmen zur disziplinären Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, für deren Anordnung die Vorschriften des AVG gelten (vgl VwGH 29.04.1987, 87/01/0048 ua).

Zuständige Behörde im Sinn des § 34 AVG ist die Behörde selbst, an die eine Eingabe beleidigenden Inhalts gerichtet ist (VfSlg 4073/1961). Zur Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen einer beleidigenden Schreibweise in schriftlichen Eingaben gemäß § 34 Abs 3 AVG ist jene Behörde zuständig, die die Angelegenheit, in der die Eingabe eingebracht worden ist, zu erledigen oder sonst in Verhandlung zu nehmen hat (vgl zuletzt etwa VwGH 25.09.2019, Ra 2018/09/0157 ua).

Im vorliegenden Fall wurde die Eingabe an den Bürgermeister der Stadt Z gerichtet und betrifft eine „Dienstaufsichtsbeschwerde“.

Gemäß § 31 des Stadtrechts der Landeshauptstadt Z, LGBl Nr 53/1975 idF LGBl Nr 81/2022, ist der Bürgermeister unter anderem im eigenen Wirkungsbereich der Stadt für Personalangelegenheiten zuständig. Eine „Dienstaufsichtsbeschwerde“ fällt zweifellos in diese Zuständigkeit.

Der Wirkungskreis des Stadtmagistrats ist hingegen in § 37 des Stadtrechts der Landeshauptstadt Z unter anderem damit begrenzt, als dem Stadtmagistrat die Erlassung von Bescheiden in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, abgegrenzt. Gemäß § 63 TBO 2022 ist in der Stadt Z der Stadtmagistrat Behörde im Sinn dieses Gesetzes, soweit in Abs 2 leg cit nichts anderes bestimmt ist.

Aus diesen Normierungen ergibt sich sohin, dass im vorliegenden Fall für die Behandlung der Eingabe nicht der Stadtmagistrat – allenfalls im Zusammenhang mit einem Verfahren nach der TBO – zuständig war, sondern vielmehr der Bürgermeister der Stadt Z.

Aus diesem Grund war der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu beheben. Ergänzend ist anzuführen, dass nach der Rechtsprechung, bei der Lösung der Rechtsfrage, ob eine schriftliche Kritik den Anstand verletzt, zu berücksichtigen ist, dass die Behörde in einer demokratischen Gesellschaft Äußerungen der Kritik, des Unmuts und des Vorwurfs ohne übertriebene Empfindlichkeit hinnehmen müssen. Eine in einer Eingabe an die Behörde gerichtete Kritik ist aber nur dann gerechtfertigt und schließt die Anwendung des § 34 Abs 3 AVG aus, wenn sich die Kritik auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderungen des Anstands entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht Behauptungen enthält, die einer Beweiswürdigung nicht zugänglich sind. Eine Kritik ist nur dann „sachbeschränkt“, wenn die Notwendigkeit dieses Vorbringens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung angenommen werden kann (VwGH 01.09.2017, Ra 2017/03/0076 mwN). In diesem Zusammenhang sind Formulierungen wie „groteskes Verwaltungsverfahren“, „dramolett-artiges Exposé“ und der Vorwurf, dass keinerlei sachliche oder an einschlägigen Gesetzen orientierte Vorgangsweise angestrebt werde, durchaus geeignet, im Sinn der Rechtsprechung geahndet zu werden.

VI.           Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen wird auf die vorzitierte Rechtsprechung verwiesen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Rosenkranz

(Richter)

Schlagworte

Ordnungsstrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2020.27.1220.6

Zuletzt aktualisiert am

17.03.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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