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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. November 1994, Zl. 4.343.104/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigers, reiste am 6. Juli 1993 in das Bundesgebiet ein und stellte am darauffolgenden Tag den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner Befragung durch das Bundesasylamt am 7. und 8. Juli 1993 gab er im wesentlichen an, er sei zwar in Niger geboren worden, jedoch in Togo bei seiner Mutter aufgewachsen. Dort sei er bei der "John Kote Partei" gewesen, habe aber nie an deren bewaffneten Kämpfen teilgenommen, sondern sei nur als deren "Mittelsmann" bei der in Togo agierenden Gruppe gewesen.
Im Jahre 1991 habe er sich zu seinem Vater nach Niger begeben, jedoch auch weiterhin seine Mutter in Togo besucht. Im Dezember 1991 habe er seinen vom Staate Togo ausgestellten Paß verloren; daraufhin habe er seinen Vater ersucht, einen Paß vom Staate Niger zu besorgen. Grund dafür sei gewesen, daß zu diesem Zeitpunkt in Togo bereits die Befürworter und die Gegner des Präsidenten begonnen hätten, "aufeinander verbal loszugehen". Es seien damals bereits bewaffnete Unruhen zu befürchten gewesen. Um in diese nicht verwickelt zu werden, habe er sich entschlossen, zu seinem Vater nach Niger zu gehen. Im Februar 1992 habe er einen Reisepaß der Republik Niger erhalten. Danach habe er seine Mutter in Togo besuchen wollen, sei jedoch gleich nach der Grenze wieder nach Niger zurückgekehrt, da er erfahren habe, daß sich bereits bewaffnete Unruhen in Togo ausgebreitet hätten.
In Niger selbst kämpften die Zabarma gegen die Buzu und zwar schon zwei Jahre mit kurzen Unterbrechungen. Da die Unruhen das ganze Land beherrschten und immer mehr eskalierten, habe sich der Beschwerdeführer entschlossen, Niger zu verlassen; er sei nicht gewillt gewesen, in die kämpferischen Auseinandersetzungen verwickelt zu werden und habe Angst um sein Leben gehabt. Dies sei Ende Februar 1992 gewesen. Danach habe er sich etwa 15 Monate in Libyen aufgehalten und sei aufgrund der schlechten Nahrungsmittelsituation dort über Tunesien nach Österreich gekommen.
Mit Bescheid vom 8. Juli 1993, Zl. 93 02.630-BAT, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Asyl ab.
In seiner dagegen erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer zunächst darauf, daß Englisch nicht seine Muttersprache sei, sodaß es zu Irrtümern und Auslassungen in der Niederschrift gekommen sei; er ersuche deshalb um eine neuerliche Einvernahme in Haussa. In der Folge ergänzte er seine Berufung dahin, daß er in Togo für den Geheimdienst der Regierung gearbeitet habe. Im Jänner 1992 sei er von Leuten der oppositionellen Gruppe der "John Kote Partei" angesprochen worden. Als er eine Mitarbeit abgelehnt habe, sei er mit dem Tod bedroht worden. Unter diesem Druck habe er eingewilligt, doch habe er "nicht für sie gearbeitet". Es seien mehrere Geheimdienstleute der Regierung von der Opposition gezwungen worden, auch für diese zu arbeiten; einige, die sich geweigert hätten, seien "von ihr festgenommen worden". Auch die Regierungspartei habe Geheimdienstleute verhaftet, die sie der Kontakte zur Opposition verdächtigte. Der Beschwerdeführer habe zu seinem Vater nach Niger flüchten können. Dort habe er sich ca. zehn Tage aufgehalten. Danach habe sein Vater in Erfahrung gebracht, daß auch in Niger der Geheimdienst der Regierung Togos arbeite. Da bereits bekannt geworden war, daß der Beschwerdeführer für die Opposition arbeiten würde, sei er in großer Gefahr gewesen. Da aber auch viele Oppositionelle aus Togo in Niger lebten, sei er auch durch diese bedroht gewesen. Der Vater des Beschwerdeführers habe ihm dann einen Reisepaß von Niger verschafft. Mit diesem habe der Beschwerdeführer noch einmal illegal nach Togo zurückkehren wollen, um seine Mutter zu besuchen, jedoch bereits an der Grenze erfahren, daß sich die Situation in Togo sehr verschlimmert habe; die Konflikte zwischen der Regierung und der Opposition seien nicht nur bewaffnet ausgetragen worden, sondern hätten sich ausgeweitet. Da der Beschwerdeführer auch in Niger nicht habe bleiben können, da es dort einerseits Unruhen zwischen den Zabarma und den Buzu gebe und andererseits der Staat ihn vor Anschlägen von Oppositionellen aus Togo bzw. des Geheimdienstes dieses Staates nicht geschützt hätte, habe er auch Niger verlassen müssen. In Libyen, wo er mit einem gültigen Visum eingereist sei, habe er sich drei Monate im Haus eines Freundes versteckt aufgehalten. Er sei in Gefahr gewesen, nach Niger zurückgeschickt zu werden. Schließlich hätte ihn sein Freund nicht länger erhalten können. In Tunesien habe er sich "nur auf Durchreise" befunden.
Mit dem Bescheid vom 28. November 1994 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt der Beschwerdeführer aus, daß der von ihm geschilderte Sachverhalt notwendigerweise unvollständig geblieben sei, da er nicht in seiner Muttersprache einvernommen worden sei. Spätestens nach Einbringung der Berufungsergänzung hätte eine erneute Einvernahme des Beschwerdeführers stattfinden müssen.
Dem Hinweis auf mangelnde Verständigungsmöglichkeiten in Englisch hielt die belangte Behörde entgegen, daß der Beschwerdeführer selbst angegeben habe, englisch zu sprechen. Auch beurteilte sie die Behauptung, wonach die erstinstanzliche Niederschrift unzulänglich gewesen sei und der Beschwerdeführer nicht genügend Gelegenheit gehabt hätte, seine Fluchtgründe darzustellen, als unglaubwürdig; unbestritten sei er nach der Vollständigkeit seiner Fluchtgründe gefragt worden und habe diese auch bestätigt. Zumindest dabei habe der Beschwerdeführer Gelegenheit gehabt, Ergänzungen vorzunehmen.
Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag in dem Umstand, daß der Beschwerdeführer in Englisch und nicht in Haussa einvernommen wurde, keinen Verfahrensmangel zu erblicken. Zunächst ergibt sich aus dem Akt, daß der Beschwerdeführer bereits am 6. Juli 1993 in Englisch seinen Asylantrag stellte und dabei unter Sprachkenntnissen "ein wenig Englisch" festgehalten wurde. Weiters wurde der Beschwerdeführer unter Beiziehung eines Englischdolmetsch in dieser Sprache am 7. Juli 1993 um 13.00 Uhr vor dem Bundesasylamt einvernommen, wobei er ausdrücklich angab, dieser Sprache mächtig zu sein. Bei dieser Befragung machte der Beschwerdeführer nicht nur allgemeine Angaben zu seiner Person, sondern sprach auch über seinen beruflichen Werdegang und seinen Berufswunsch in Österreich. Die Einvernahme wurde unter Beiziehung eines anderen Dolmetschers am 8. Juli 1993 um 08.30 Uhr fortgesetzt, wobei er neuerlich angab, der englischen Sprache mächtig zu sein. Bei dieser Einvernahme machte er die bereits wiedergegebenen Angaben über seine Fluchtgründe und wurde ausdrücklich gefragt, ob diese alle Gründe seien, warum er seine Heimat verlassen habe. Dies bestätigte der Beschwerdeführer ebenso, wie daß ihm der Inhalt der Niederschrift vom Dolmetsch zur Kenntnis gebracht worden sei und er dem nichts mehr hinzuzufügen habe.
Gleichfalls noch am 8. Juli 1993 wurde der Beschwerdeführer nach dieser erwähnten Befragung nochmals unter Beiziehung des Dolmetsch zu seinem Fluchtweg eingehend vernommen. Hiebei machte der Beschwerdeführer nicht nur detailliertere Angaben als am 6. Juli 1993 anläßlich seiner Einvernahme bei Stellung seines Asylantrages, sondern ergänzte die Darstellung seiner Fluchtgründe unter anderem dahin, daß er seinen Reisepaß im Jahr 1992 ohne Probleme erhalten habe und bei der "John Kote Partei" an keinen bewaffneten Kämpfen teilgenommen habe, sondern nur Mittelsmann bei der in Togo agierenden Gruppe gewesen sei. Sein Vater sei Landwirt in Niger, seine Mutter Lehrerin in Togo.
Aus dem hier dargelegten Akteninhalt lassen sich keinerlei Hinweise entnehmen, wonach der Beschwerdeführer Verständigungsschwierigkeiten in Englisch gehabt hätte, die zu unrichtigen oder unvollständigen Angaben hätten führen können. Da gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Beiziehung eines Dolmetschers für eine dem Asylwerber ausreichend verständliche Sprache ausreicht, der Beschwerdeführer aber nicht behauptet, daß seine Angaben falsch oder die ihm gestellten Fragen unverständlich übersetzt worden wären, liegt ein Verfahrensmangel des erstinstanzlichen Verfahrens, der von der belangten Behörde nicht erkannt worden wäre, nicht vor.
Hat die belangte Behörde demnach aber zutreffend allein die erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zugrundegelegt (vgl. § 20 Abs. 1 AsylG 1991), dann ist sie aber rechtlich richtig davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des § 1 leg. cit. ist. Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1991 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - die "begründete Furcht vor Verfolgung". Diese liegt dann vor, wenn eine dem Heimatstaat des Beschwerdeführers zuzurechnende Verfolgungsgefahr gegeben ist. Wie der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof selbst erkennt, ist seinen erstinstanzlichen Angaben (aber auch seinem Berufungsvorbringen) keine Verfolgung durch den Staat Niger zu entnehmen. Auch hat der Beschwerdeführer keine ihn konkret betreffenden Handlungen behauptet, die etwa von den Zabarma oder den Buzu aus den Gründen des § 1 Z. 1 AsylG 1991 gegen ihn gesetzt worden wären und die zu hindern der Staat Niger nicht in der Lage oder nicht Willens gewesen sei.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995190060.X00Im RIS seit
20.11.2000