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21/03 GesmbH-Recht;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. Mai 1994, Zl. SD 118/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. Mai 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 2 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Dem Beschwerdeführer seien - nach einem sichtvermerksfreien Aufenthalt - für die Zeiträume von Oktober 1991 bis März 1992, von Juni 1992 bis September 1992 und von November 1992 bis März 1993 jeweils aufgrund von Unterstützungserklärungen Dritter Sichtvermerke erteilt worden. Seit März 1993 halte er sich unerlaubt in Österreich auf. Er sei wegen eines "schwerwiegenden Deliktes (Alkoholbestimmungen der StVO)" (Verstoß gegen § 5 Abs. 2 StVO) sowie wegen einer schwerwiegenden Übertretung des Kraftfahrgesetzes (Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne gültige Lenkerberechtigung), wegen Verwendung eines nicht zugelassenen und nicht haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges sowie überdies wegen einer "noch dazu schwerwiegenden" Übertretung des Fremdengesetzes (illegaler Aufenthalt in der Dauer eines halben Jahres) rechtskräftig bestraft worden. Die diesbezüglichen Straferkenntnisse und Strafverfügungen seien durch Hinterlegung zugestellt worden. Zustellmängel lägen nicht vor und seien auch nicht behauptet worden.
Aufgrund dieser Bestrafungen sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt. Das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers, der darüberhinaus auch die rechtswidrige Einreise von drei Fremden unter Umgehung der Grenzkontrolle gefördert habe, rechtfertige die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.
Da der Beschwerdeführer in Österreich keine Angehörigen habe, liege kein im Grunde des § 19 FrG beachtlicher Eingriff in das Privat- oder Familienleben vor. Daß er Ende 1993 "Gesellschaftsanteile an einem Restaurant" erworben habe, sei in diesem Zusammenhang nicht relevant.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht sei, mit der Begründung, daß nicht jede Übertretung nach § 5 StVO schlechthin als schwerwiegende Verwaltungsübertretung zu qualifizieren sei. Es sei zu berücksichtigen, daß der dieser Bestrafung zugrundeliegende Vorfall bereits zwei Jahre zurückliege und einmalig geblieben sei. Überdies sei nur eine "eher geringe" Geldstrafe verhängt worden.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer auf die ständige hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1994, Zl. 94/18/0272) zu verweisen, wonach Übertretungen nach § 5 Abs. 2 StVO grundsätzlich schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG darstellen.
Zur Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes vermeint der Beschwerdeführer einerseits, daß die Zustellung des Straferkenntnisses durch Hinterlegung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei, weil er sich nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten habe. Es sei ihm "von diesen Erkenntnissen nichts bekannt". Andererseits führt er aus, daß er diese Bestrafung nur "um des lieben Friedens willen" nicht "beeinsprucht" habe.
Abgesehen davon, daß dieses Vorbringen widersprüchlich ist, handelt es sich beim Einwand, daß sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Hinterlegung nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten habe, um eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung.
Weiters führt die Beschwerde aus, daß dem Beschwerdeführer aufgrund der Kriegswirren in Bosnien-Herzegowina "Asyl und eine befristete Aufenthaltsberechtigung" zugestanden wäre. Sein Aufenthalt sei "wegen eines - infolge der für mich bei Heimkehr bestehenden Todesgefahr - rechtfertigenden Notstandes nicht illegal".
Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß es der belangten Behörde aufgrund ihrer Bindung an die in Rechtskraft erwachsene Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des Fremdengesetzes verwehrt war, die Schuldfrage (die subjektive Tatseite) nochmals zu überprüfen. Da der Beschwerdeführer gar nicht behauptet, einen Asylantrag gestellt zu haben, kann ihm auch eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (nach § 7 Asylgesetz 1991) nicht zukommen.
Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG ist daher jedenfalls bereits aufgrund der rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen der Übertretung nach § 5 StVO und der Übertretung nach § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG erfüllt.
Bei der nach § 18 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Beurteilung des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers sind außer den erwähnten Verwaltungsübertretungen, welche den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. verwirklichen, auch die den Bestrafungen wegen Fahrens ohne Lenkerberechtigung und Lenkens eines nicht zum Verkehr zugelassenen und nicht versicherten Fahrzeuges (unabhängig davon, ob es sich im konkreten Fall auch bei der letztgenannten Übertretung um eine "schwerwiegende Verwaltungsübertretung" im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. handelt) zugrundeliegenden Straftaten sowie die Tatsache, daß er trotz rechtskräftiger Bestrafung wegen unerlaubten Aufenthaltes auf seinem rechtswidrigen Verhalten beharrte, indem er seinen unrechtmäßigen Aufenthalt fortsetzte, zu berücksichtigen. Da diese Umstände in ihrer Gesamtheit eine vom Beschwerdeführer ausgehende beträchtliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bewirken, begegnet die Annahme der belangten Behörde, daß die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.
1.2. Die Beschwerde wendet sich auch gegen die Ansicht der belangten Behörde, daß das Aufenthaltsverbot keinen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privat- oder Familienleben darstelle, und führt dazu im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe sich durch den Erwerb von Geschäftsanteilen und die Übernahme der Geschäftsführung einer Ges.m.b.H. eine Existenz im Inland aufgebaut. Die Rückkehr in seine Heimat Bosnien-Herzegowina sei ihm infolge der Kriegswirren unzumutbar.
Der Beschwerdeführer befand sich nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde in der Zeit von Oktober 1991 bis März 1993 insgesamt dreimal, jeweils für einige Monate legal in Österreich. Er hat im Verwaltungsverfahren keine familären Bindungen im Bundesgebiet behauptet. Bei dem in der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde enthaltenen Vorbringen, der Beschwerdeführer habe im Inland eine Lebensgefährtin, handelt es sich um eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung. Der Erwerb von Geschäftsanteilen und die Übernahme der Geschäftsführung einer Ges.m.b.H. erfolgte zu einem Zeitpunkt, als sich der Beschwerdeführer nicht (mehr) rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Diese Umstände können daher nicht zu seinen Gunsten ausschlagen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. November 1993, Zl. 93/18/0503). Im Rahmen der ein Aufenthaltsverbot erlassenden Entscheidung ist die Frage, in welches Land der Fremde ausreisen, allenfalls abgeschoben werden wird, ohne rechtliche Relevanz (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0445).
Aufgrund dieser Umstände hat die belangte Behörde zu Recht die Auffassung vertreten, daß durch das Aufenthaltsverbot kein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers bewirkt werde. Infolge dessen war sie entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einer Prüfung der Frage, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei, ebenso enthoben wie einer Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Mai 1995, Zl. 94/18/1129 m.w.N.).
2.1. Soweit die Beschwerde eine Aktenwidrigkeit geltend macht, tut sie nicht dar, welche Feststellungen die belangte Behörde getroffen habe, die in der Aktenlage keine Deckung finden, weshalb auf dieses Vorbringen nicht weiter eingegangen zu werden braucht (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 593 zitierte hg.
Rechtsprechung).
2.2. Die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, Feststellungen zu den Vorfällen, welche den rechtskräftigen Verwaltungsstrafen zugrundeliegen und zu den Zuständen in Bosnien-Herzegowina zu treffen, geht schon deshalb ins Leere, weil - wie unter Punkt 1.1. und 1.2. ausgeführt - derartige Feststellungen nicht erforderlich sind. Ebenso waren Feststellungen über das Vorliegen von gerichtlichen Vorstrafen und die Frage, ob der Beschwerdeführer seinen Unterhalt selbst bestreiten könne, nicht erforderlich, weil die belangte Behörde weder gerichtliche Vorstrafen noch den nicht gesicherten Unterhalt zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogen hat. Die von der Beschwerde ebenfalls vermißte Feststellung über die Beteiligung des Beschwerdeführers an einer Gesellschaft ist im angefochtenen Bescheid ohnehin enthalten.
2.3. Soweit der Beschwerdeführer einen Verfahrensmangel darin erblickt, daß die belangte Behörde die Verwaltungsstrafakten nicht beigeschafft hat, ist ihm - wie bereits zu Punkt 2.2. ausgeführt - entgegenzuhalten, daß die Feststellung der genauen Umstände, welche zu den Bestrafungen führten, nicht erforderlich und daher auch eine Beschaffung der Verwaltungsstrafakten entbehrlich war.
2.4. Zum geltend gemachten Begründungsmangel bringt die Beschwerde nicht vor, inwieweit dadurch die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes gehindert wird. Sie hat daher die Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels nicht dargetan (vgl. die bei Dolp, a.a.O., S. 600 f zitierte hg. Rechtsprechung).
3. Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
5. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994180751.X00Im RIS seit
20.11.2000