TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/9 94/18/0725

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.11.1995
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 1. September 1994, Zl. Fr-265/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit an die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung gerichteter Eingabe vom 20. Mai 1994 hatte der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien, einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in seinen Heimatstaat gestellt (§ 54 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG).

2. Unter dem Datum 14. Juli 1994 richtete die genannte Behörde an den Beschwerdeführer (z.H. seiner Rechtsvertreter) eine Mitteilung folgenden Inhaltes:

"Die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung teilt mit, daß das ha. anhängige Verfahren gemäß § 54 FrG 1992, BGBl. Nr. 838/1992, betreffend Herrn A, jugoslawischer Staatsangehöriger, eingestellt wird.

Der Genannte konnte am 12.7.1994 aus dem Gefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Leoben - war mit der Vollziehung der Schubhaft betraut - entkommen.

Eine Einvernahme gemäß § 37 FrG ist daher nicht mehr möglich."

3. Mit Bescheid vom 1. September 1994 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland (die belangte Behörde) die gegen diese Mitteilung erhobene Berufung des Beschwerdeführers (vom 2. August 1994) gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus:

Nach ständiger Rechtsprechung und Lehre sei eine Berufung u.a. dann zurückzuweisen, wenn ein Bescheid nicht vorliege. Dies treffe im vorliegenden Fall unzweifelhaft zu. Wesentliche Merkmale eines Bescheides seien die ausdrückliche Bezeichnung als "Bescheid", die Bezeichnung der Behörde, Datum, Adressat, der "Spruch" mit einem "normativen Inhalt", die Begründung, eine Rechtsmittelbelehrung und die Unterschrift dessen, der den Verwaltungsakt genehmigt hat. Schon rein äußerlich sei ersichtlich, daß die besagte Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung wesentliche Bescheidmerkmale, wie die ausdrückliche Bezeichnung als "Bescheid", Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung nicht enthalte. Nur wenn die Behörde den Willen habe, eine "bindende Regelung" zu erlassen, könne das Vorliegen eines Bescheides angenommen werden, weshalb bloße "Mitteilungen" keine Bescheide seien. Dem in Rede stehenden Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung fehle das wesentliche Bescheidmerkmal des Spruches, damit der Normcharakter und damit auch die rechtliche Qualität eines Bescheides. Das Schreiben stelle sich lediglich als bloße "Mitteilung" dar und sei keinesfalls als Bescheid i.S. des § 54 FrG zu qualifizieren.

4. Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Entscheidend für das Schicksal der Beschwerde ist allein die - zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittige - Rechtsfrage, ob die in der Sachverhaltsdarstellung (oben I.) mehrfach genannte Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung als (im Wege der Berufung bekämpfbarer) Bescheid zu qualifizieren ist oder ihr diese rechtliche Eigenschaft nicht zukommt.

2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist an eine behördliche Erledigung, die nicht ausdrücklich als "Bescheid" bezeichnet ist, hinsichtlich der Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab anzulegen. Bringt der Wortlaut und die sprachliche Gestaltung einen normativen Inhalt nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, so kann für den Bescheidcharakter der Erledigung auf deren ausdrückliche Bezeichnung als "Bescheid" nicht verzichtet werden (vgl. etwa den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. 9458 A, sowie die Erkenntnisse vom 20. Februar 1987, Zl. 86/11/0058, und vom 30. Mai 1988, Zl. 87/12/0103).

2.2. Die in der Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 14. Juli 1994 enthaltene Wendung, "daß das ha. anhängige Verfahren ... eingestellt wird", spricht zwar für den normativen Inhalt der Erledigung. Indes darf diese Wortfolge nicht isoliert betrachtet werden; geboten ist vielmehr eine Beurteilung der von der Behörde gewählten Formulierung in ihrem Zusammenhang. Von daher gesehen kommt dem Ausdruck "teilt mit" insofern wesentliche Bedeutung zu, als der Gebrauch dieser (einleitenden) Wendung iVm der Formulierung "daß das ha. anhängige Verfahren ... eingestellt wird" gerade nicht das Vorliegen eines die ausdrückliche Bezeichnung der Erledigung als "Bescheid" entbehrlich machenden eindeutig normativen Abspruches bewirkt (vgl. dazu den hg. Beschluß vom 17. Dezember 1985, Zl. 83/05/0055). Die somit bestehenden Zweifel an der Normqualität der besagten Erledigung vom 14. Juli 1994 führen auf dem Boden der dargestellten Judikatur zu dem Ergebnis, daß mangels der in einem solchen Fall für den Bescheidcharakter essentiellen Bezeichnung als "Bescheid" diese Erledigung nicht als Bescheid qualifiziert werden kann. Durch sie wurde daher auch - entgegen der Beschwerdemeinung - eine Einstellung des Verwaltungsverfahrens nicht bewirkt.

3. Da nach dem Gesagten im Beschwerdefall in der Gestalt der Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 14. Juli 1994 kein einer Anfechtung im Rechtsmittelweg zugängliches Substrat vorlag, entsprach die Zurückweisung der gegen diese Erledigung erhobenen Berufung des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde dem Gesetz.

Die behauptete Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides liegt demnach nicht vor. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse Einhaltung der Formvorschriften

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994180725.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten