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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des B in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juni 1995, Zl. 111.260/3-III/11/94, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 30. Juni 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.
In der Begründung des Bescheides führte die belangte Behörde u.a. aus, der Beschwerdeführer sei nach Beantragung seiner Aufenthaltsbewilligung bei der Österreichischen Botschaft Laibach sichtvermerksfrei, trotz bestehender Sichtvermerkspflicht, somit unerlaubt in das Bundesgebiet zurückgekehrt und halte sich seit seiner sichtvermerksfreien Einreise illegal im Bundesgebiet auf. Dieser Aufenthalt solle mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängert werden. Es liege daher der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer tritt der Annahme, er sei sichtvermerksfrei, trotz bestehender Sichtvermerkspflicht, somit unerlaubt in das Bundesgebiet zurückgekehrt und halte sich im Bundesgebiet auf, nicht entgegen, sondern bestätigt sie indirekt durch ausschließliche Anführung seiner österreichischen Adresse (X-Gasse in S). Er behauptet auch nicht die Erteilung eines Sichtvermerkes.
Unter dem Gesichtspunkt einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt der Beschwerdeführer, daß ihm zur Tatsache der angeblich sichtvermerksfreien Einreise keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, weshalb der angefochtene Bescheid "nichtig" sei. Der Beschwerdeführer irrt hierin, denn ein Verfahrensmangel führt nicht zur Nichtigkeit eines Bescheides, sondern nur - im Falle der Darlegung der Relevanz des Verfahrensmangels - zu dessen Aufhebung.
Der Beschwerdeführer hat eine Verletzung des Parteiengehörs gerügt, sich aber dabei darauf beschränkt, diesen Mangel aufzuzeigen. Gemäß der ständigen hg. Judikatur kann aber eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung der Verfahrensvorschriften des § 45 Abs. 3 AVG dann nicht herbeigeführt werden, wenn sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt, diesen Mangel aufzuzeigen, ohne jedoch die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen zu bekämpfen und ohne darzulegen, was er vorgebracht hätte, wenn ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geboten worden wäre (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 339, zitierte Judikatur).
Ausgehend von den Tatsachenbehauptungen der Beschwerde ist aber eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erkennen.
Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, eine Bewilligung nicht erteilt werden. Ein Sichtvermerksversagungsgrund liegt vor:
Nach § 10 Abs. 1 Z. 4, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde; gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden soll und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7, wenn sich der Sichtvermerkswerber nach Umgehung der Grenzkontrolle im Bundesgebiet aufhält.
Das Gesetz stellt ausdrücklich auf die Erteilung und nicht auf die Antragstellung ab. Das bedeutet, daß auch eine - richtigerweise - im Ausland beantragte Aufenthaltsbewilligung nicht zu erteilen ist, wenn der Antragsteller das Verfahren nicht im Ausland abwartet und vorzeitig unrechtmäßig (hier:
trotz bestehender Sichtvermerkspflicht ohne gültigen Sichtvermerk) in das Bundesgebiet einreist. Bereits die Einreise eines Fremden nach Österreich ohne den erforderlichen Sichtvermerk und sein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertigen die Annahme, der Fremde gefährde die öffentliche Ordnung, sodaß der zwingende Versagungstatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht ist, der für die Ausübung von Ermessen keinen Raum läßt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1993, Zl. 93/18/0272, und vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259).
Ein Fall, in dem ein Fremder ohne den erforderlichen Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist ist und ihm auch in der Folge kein Sichtvermerk erteilt wurde, stellt sich in seinen Auswirkungen vergleichbar dar wie ein solcher, in dem ein Fremder sichtvermerksfrei bzw. mit einem Touristensichtvermerk rechtmäßig eingereist ist und die Aufenthaltsbewilligung an diese Einreise und den darauffolgenden Aufenthalt zeitlich anschließen soll (§ 10 Abs. 1 Z. 6 FrG). Ebenso ist an den Fall des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG zu denken (illegale Einreise durch Umgehung der Grenzkontrolle). Deshalb verbietet sich bei der Beurteilung, ob ein Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1993 vorliegt, im konkreten Fall eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Fremden, weil ansonsten ein Wertungswiderspruch zu § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1993 entstünde. In den unter § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1993 zu subsumierenden Fällen, in denen ein Fremder rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist ist und sich zumindest vorübergehend erlaubterweise hier aufgehalten hat, kommt nämlich eine von der Behörde vorzunehmende Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Fremden nicht in Betracht (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0232, vom 30. September 1993, Zl. 93/18/0347, und vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259). Ebensowenig ist bei Erfüllung des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG im Einzelfall von der Behörde auf die privaten und familiären Verhältnisse des Fremden einzugehen (vgl. sowohl zu § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG als auch § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Zlen. B 378/93, B 445/93), weshalb der genannte Wertungswiderspruch auch hier entstünde.
Dafür aber, daß der - anders zu beurteilende - Tatbestand vorläge, daß dem Beschwerdeführer vor dem gegenständlichen Antrag bereits eine Aufenthaltsbewilligung erteilt war und er lediglich die Frist zu ihrer Verlängerung versäumte und der Antrag vom 20. September 1994 nur deshalb ein Erstantrag gewesen wäre, bietet die Beschwerde keinen Anhaltspunkt.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Auf den von der Behörde des weiteren herangezogenen Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG war bei diesem Ergebnis nicht mehr einzugehen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995190823.X00Im RIS seit
02.05.2001