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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1994 §1 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/19/0717 95/19/0718Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerden 1.) des AR,
2.) der CR, und 3. der ER, alle in V, alle vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in V, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 6. Juli 1995,
Zlen. 1.) 301.870/4-III/11/95, 2.) 301.870/3-III/11/95, und
3.) 301.870/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 6. Juli 1995 wurden die Anträge der Beschwerdeführer, Staatsangehörige Bosniens, auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufG) sowie § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen.
In der Begründung dieser Bescheide führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführer hätten am 7. November 1994 bei der österreichischen Botschaft in Laibach einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Die Beschwerdeführer seien im August 1994 sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist und seit 3. August 1994 in V polizeilich gemeldet und aufhältig. Sie hätten ein Aufenthaltsrecht für Deutschland vom 15. März 1994 bis 30. September 1994 besessen. Deshalb käme § 1 Abs. 1 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina ("Bosnien-VO") und § 1 Abs. 2 "Bosnien-VO" nicht zur Anwendung, da die Beschwerdeführer vor der Einreise nach Österreich, aufgrund ihres Aufenthaltsrechtes in Deutschland, anderweitig Schutz gefunden hätten. Weiters sei der Erstantrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG durch einen Vertreter bei der österreichischen Botschaft in Laibach zu einem Zeitpunkt eingebracht worden, zu dem die Beschwerdeführer im Bundesgebiet aufhältig gewesen seien.
Es liege deshalb der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor, weil die beantragte Aufenthaltsbewilligung im Anschluß an die erlaubterweise sichtvermerksfrei erfolgte Einreise in das Bundesgebiet erfolgen sollte, und der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG, weil die Beschwerdeführer sich nach Ablauf der Dreimonatsfrist, in welcher sie sich sichtvermerksfrei in Österreich aufhalten durften, unerlaubt im Bundesgebiet aufhalten, welche Tatsache eine Gefährdung für die öffentliche Ruhe und Sicherheit darstelle, da das Verhalten auf andere Fremde Beispielwirkung haben könnte.
Die Beschwerde bestätigt den von der Behörde angenommenen Sachverhalt und führt dezidiert aus, daß die Beschwerdeführer im Mai 1992 aufgrund der Kriegssituation aus ihrer Heimatstadt Bihac nach Frankfurt geflüchtet seien. Sie hätten zu dieser Zeit nicht zu ihrem Gatten bzw. Vater, der sich bereits seit 1988 in Österreich aufhalte, reisen können, da dieser nur ein Dienstzimmer mit wenigen Quadratmetern bewohnt habe. Sie hätten Aufenthaltsberechtigungen für Deutschland mit letztem Gültigkeitsdatum bis 30. September 1994 besessen. Sie seien am 16. August 1994 nach Österreich eingereist, da ihr Gatte bzw. Vater inzwischen eine ausreichend große Wohnung gefunden habe. Der weitere Aufenthalt in Österreich wird in der Beschwerde nicht bestritten.
Die Beschwerde führt unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes aus, daß den Beschwerdeführern ein Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG iVm der "Bosnien-VO" zustehe, weil zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der BH Vöcklabruck am 21. Oktober 1994 (richtig wohl: bei der österreichischen Botschaft Laibach am 7. November 1994) die Aufenthaltsberechtigung für Deutschland bereits abgelaufen gewesen und die Kriegssituation in ihrem ehemaligen Heimatstaat unverändert sei.
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt die Beschwerde aus, daß sich die belangte Behörde überhaupt nicht mit den detailliert angegebenen Einkommensverhältnissen auseinandergesetzt und "daher die durch Art. 8 MRK gebotene Interessensabwägung der privaten Interessen zu den öffentlichen Interessen nicht vorgenommen" habe. Zudem sei der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht näher begründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die aufgrund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
Es ist unbestritten, daß die Beschwerdeführer am 16. August 1994 sichtvermerksfrei nach Österreich einreisten, um an der Wohnadresse des Gatten bzw. Vaters einen ordentlichen Wohnsitz zu begründen, und sich jedenfalls seit Ablauf des sichtvermerksfreien Aufenthaltes von drei Monaten unerlaubt im Bundesgebiet aufhalten. Die Anwendung der "Bosnien-VO" verbietet sich aufgrund der Tatsache, daß die Beschwerdeführer nach ihrer Flucht aus Bihac in Deutschland Schutz fanden. Denn § 1 Abs. 1 der "Bosnien-VO" gewährt ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet nur solchen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährigen Kindern, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten UND ANDERWEITIG KEINEN SCHUTZ FANDEN. Diese Personengruppe ist mit sämtlichen Bedingungen für die Erlangung des vorübergehenden Aufenthaltsrechtes durch den Verweis auch in § 1 Abs. 2 "Bosnien-VO" umfaßt. Die unmißverständliche Wortwahl und die vom Verordnungsgeber verwendete Zeitform ("Schutz FANDEN") zeigt, daß die Verordnung den Schutz nur solchen Personen zukommen lassen will, die sich noch im Fluchtstadium befinden, weil sie noch in keinem anderen Land zuvor Schutz fanden. Nicht aber kommt das vorübergehende Aufenthaltsrecht jenen Personen zu, die in irgendeinem anderen Staat bereits Schutz gefunden haben, diesen Schutz aber aus eigenem nicht mehr in Anspruch nehmen wollen, um sich - aus welchen Gründen auch immer - nach Österreich zu begeben. Wie die Beschwerdeführer selbst ausführen, fanden sie bereits im Mai 1992 Schutz in Deutschland und waren zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich noch im Besitz einer gültigen Aufenthaltsberechtigung für Deutschland. Die Beschwerdeführer fanden somit Schutz in Deutschland und es ist nicht relevant, daß im Zuge ihres Aufenthalts in Österreich die Aufenthaltsberechtigung in Deutschland abgelaufen ist.
Die Abweisung des bei der österreichischen Botschaft in Laibach durch einen Vertreter gestellten Antrages bei gleichzeitig unverändertem Aufenthalt im Bundesgebiet erweist sich schon deshalb als berechtigt, weil gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG der Erstantrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen ist (vgl. stellvertretend für viele das hg. Erkenntnis vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0510).
Gemäß § 5 Abs. 1 kann Fremden des weiteren eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 FrG vorliegt. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden soll. Da die Beschwerdeführer aufgrund eines gültigen Sichtvermerks der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich eingereist sind, hat die belangte Behörde zu Recht den zwingend anzuwendenden Sichtvermerksversagungsgrund herangezogen.
Hinzu kommt noch, daß die Beschwerdeführer nach Österreich mit der Absicht einreisten, hier den ordentlichen Wohnsitz bei ihrem Gatten bzw. Vater zu begründen, weshalb sie bereits zum Zeitpunkt der Einreise eine Aufenthaltsbewilligung gemäß § 1 Abs. 1 AufG benötigt hätten.
Die von den Beschwerdeführern am Rande erwähnte "Familienzusammenführung" im Sinne des § 3 AufG kann hier nicht zur Anwendung gelangen, da die genannte Gesetzesstelle voraussetzt, daß KEIN AUSSCHLIEßUNGSGRUND IM SINNE DES § 5 ABS. 1 AufG vorliegt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob auch der von der belangten Behörde herangezogene Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vorliegt.
Letztlich verkennen die Beschwerdeführer auch bezüglich der von ihnen gerügten nicht durchgeführten Interessenabwägung nach Art. 8 MRK die Rechtslage. Denn das Gesetz sieht bei Anwendung des (zwingenden) Versagungstatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG eine Bedachtnahme im Einzelfall auf die privaten und familiären Verhältnisse des Fremden nicht vor (vgl. zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des im Falle der Abwägung der öffentlichen gegen die privaten Interessen zugunsten der ersteren in den von § 10 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. erfaßten Fällen das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, B 338/93-445/93.
Da bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995190716.X00Im RIS seit
03.04.2001