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L0350 Gemeindewahl, BürgermeisterwahlNorm
B-VG Art117 Abs5Leitsatz
Abweisung einer Anfechtung der Wahl des Stadtsenates der Stadt Krems vom 04.10.2022; ordnungsgemäße Kundmachung der Stammfassung der Verordnung; Unerheblichkeit einer Änderung der verwiesenen Norm, solange der Inhalt der (statisch) verwiesenen Bestimmung eindeutig ist; Verweis des Nö StadtrechtsorganisationsG auf Anwendung des d'Hondt'schen Verfahrens hinreichend determiniert; Berechnung der Stadtsenatsmandate auf Grund der Anzahl der auf jede Partei entfallenden gültigen Stimmen; kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältniswahl und das Sachlichkeitsgebot, wenn – durch Anwendung des d'Hondt'schen Verfahrens – Parteien mit einem Stimmenanteil von ca 7% kein Mandat erhaltenRechtssatz
Ordnungsgemäße Kundmachung der Stammfassung der Verordnung: Gemäß §82 Abs2 Nö StadtrechtsorganisationsG (NÖ STROG) ist die Zahl der Stadtsenatsmitglieder auf die einzelnen im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien nach dem in §53 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 geregelten Verfahren aufzuteilen. Das Vorbringen, dass der Verweis auf die Nö GemeinderatswahlO (NÖ GRWO 1994) "ins Leere" gehe, weil die angegebene Stammfassung nicht im RIS auffindbar sei, ist schon insofern verfehlt, als die Kundmachung der niederösterreichischen Landesgesetze im RIS erst mit dem NÖ Verlautbarungsgesetz 2015, das am 01.01.2015 in Kraft getreten ist, angeordnet worden ist. Die Pflicht zur Kundmachung von Landesgesetzen im RIS besteht daher nur für ab dem 01.01.2015 kundzumachende Landesgesetze. Weder aus dem NÖ Verlautbarungsgesetz 2015 noch aus anderen landes(verfassungs)gesetzlichen Regelungen lässt sich ableiten, dass sämtliche vor dem 01.01.2015 kundgemachten Landesgesetze neu im RIS kundzumachen gewesen wären, um noch gültig zu sein.
Es ist unerheblich, ob der verwiesene §53 NÖ GRWO 1994 durch LGBl 34/2020 verändert worden ist, solange sich der Inhalt der (statisch) verwiesenen Bestimmung daraus eindeutig ableiten lässt. Dafür ist es in der Regel ausreichend, wenn das Gesetz, das die verwiesene Bestimmung enthält, in einer bestimmten Fassung angeführt wird, weil dies nur bedeuten kann, dass die verwiesene Bestimmung mit jenem Inhalt gemeint ist, den sie in dieser Fassung des Gesetzes hatte. Insofern kommt dadurch, dass §82 Abs2 NÖ STROG auf §53 NÖ GRWO 1994 "in der Fassung LGBl Nr 34/2020" verweist, eindeutig zum Ausdruck, dass jener Inhalt des §53 NÖ GRWO 1994 gemeint ist, den diese Bestimmung nach der Novellierung der NÖ GRWO 1994 durch LGBl 34/2020 - also zum Zeitpunkt der Erlassung der verweisenden Bestimmung - hatte. Der in §82 Abs2 NÖ STROG enthaltene Verweis auf das in §53 NÖ GRWO 1994 geregelte Verfahren hat zur Folge, dass die (zehn) Stadtsenatsmandate nach dem d'Hondt'schen Verfahren auf die im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien aufgeteilt werden. Die Berechnung erfolgt auf Grund der "Parteisummen", worunter nach §52 NÖ GRWO 1994 ausdrücklich "die Anzahl der auf jede Partei entfallenden gültigen Stimmen" zu verstehen ist.
Keine Bedenken gegen das d'Hondt'sche Verfahren:
§82 Abs2 NÖ STROG bestimmt ausdrücklich, dass die Zahl der Stadtsenatsmitglieder nach dem in §53 NÖ GRWO 1994 geregelten (d'Hondt'schen) Verfahren zu verteilen ist. Angesichts des Gesetzeswortlautes (sowohl der verweisenden als auch der verwiesenen Bestimmung) ist es unerfindlich, wie bei der Verteilung der Zahl der Mandate nach §82 Abs2 NÖ STROG unter "Parteisummen" auch die bei der Wahl der Mitglieder des Stadtsenates abgegebenen gültigen Stimmen der Gemeinderatsmitglieder verstanden werden könnten.
§82 Abs2 NÖ STROG verweist ausdrücklich auf den speziellen Rechenvorgang nach §53 NÖ GRWO: Bei der Berechnung der Wahlzahl nach §53 Abs2 NÖ GRWO 1994 wird die Berücksichtigung ("auch") von Dezimalzahlen ausdrücklich angeordnet, sodass es schon deshalb zu keiner Rundung kommen kann. Bei der darauffolgenden Zuteilung der Mandate nach §53 Abs5 NÖ GRWO können nur ganze Zahlen berücksichtigt werden, weil tatsächlich nur ganze Mandate vergeben werden können. Daraus folgt mangels einer allgemeinen Rundungsregel in der NÖ GRWO 1994 die für das d'Hondt'sche Verfahren charakteristische Abrundung allfälliger Dezimalstellen bei der Mandatsquote. Der Verweis des §82 Abs2 NÖ STROG auf diesen Rechenvorgang schließt als lex specialis die Anwendung des §99 NÖ STROG aus.
Kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältniswahl und das Sachlichkeitsgebot durch das d'Hondt'sche Verfahren:
Nach Art117 Abs5 B-VG haben im Gemeinderat vertretene Wahlparteien "nach Maßgabe ihrer Stärke" Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand. Der VfGH hat bereits in VfSlg 10.905/1986 in einer mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellation nach der NÖ GO 1973 idF LGBl 1000-4 (41 Gemeinderatsmandate; 11 Gemeindevorstandsmandate) keine Bedenken gegen das d'Hondt'sche Verfahren geäußert, das zur Folge hatte, dass die "nur einen jeweils sehr geringen Teil der Wähler repräsentierenden Wahlparteien" (im konkreten Fall mit einem Stimmenanteil von ca. 7 %) nicht im Gemeindevorstand vertreten waren. Dies wird "dem wesentlichen Zweck einer Wahl" gerecht, der "in der Schaffung einer arbeitsfähigen Vertretung" liegt. Der Einwand der Anfechtungswerber, dass sich der VfGH in der zitierten Entscheidung nicht unmittelbar mit dem d'Hondt'schen Verfahren auseinandergesetzt habe, ist insofern nicht nachvollziehbar. Dass gegen das "leicht mehrheitsfördernde" d'Hondt'sche Verfahren bei der Verteilung der Gemeindevorstandsmandate keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, wurde auch ausdrücklich in VfSlg 13.773/1994 bestätigt. Es bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass die mit einem Stimmenanteil von 7,09 % und 6,66 % nur einen jeweils sehr geringen Teil der Wähler repräsentierenden Wahlparteien "KLS" und "NIK" kein Mandat im Stadtsenat erhalten haben.
Schlagworte
VfGH / Wahlanfechtung, Wahlpartei, Verhältniswahl, Auslegung eines Gesetzes, Gesetz Kundmachung, Verweisung, Wahlen, Gemeinderecht, StatutarstadtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2023:WI12.2022Zuletzt aktualisiert am
16.03.2023