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E6CNorm
BAO §115 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der E GmbH in W, vertreten durch die Austria Treuhand Holding Steuerberatungs GmbH in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1c/Top 4a, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 28. November 2019, RV/7105906/2018, betreffend Sicherstellung (§ 232 BAO), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 10. August 2016 ordnete das Finanzamt die Sicherstellung der Umsatzsteuer aufgrund der Nichtanerkennung geltend gemachter Vorsteuer für die Monate Jänner bis April 2015 in näher angeführter Höhe in das Vermögen der Revisionswerberin an.
2 Begründend wurde unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 15. Juli 2016, RV/7101223/2016, - mit dem ein bereits im Jahr 2015 erlassener, dieselben Sachverhalte betreffender Sicherstellungsauftrag zwar aufgrund der unrichtigen Bezeichnung der Abgabe teilweise aufgehoben, zugleich aber festgehalten worden sei, dass die gesetzlichen Anforderungen für eine Sicherstellung erfüllt gewesen seien - ausgeführt, es bestünden (näher dargestellte) gewichtige Anhaltspunkte für die Beteiligung der Revisionswerberin an grenzüberschreitenden Umsätzen, die Teil eines „Umsatzsteuerkarussellbetruges“ gewesen seien. Diese Verdachtsmomente seien von den verantwortlichen Organen der Revisionswerberin nicht beachtet worden, womit die geltend gemachten Vorsteuern aus bestimmten Wareneinkäufen gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 iVm § 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994 (in der im verfahrensgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung) abzuerkennen seien. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Revisionswerberin sei von einer Gefährdung bzw. Erschwerung der Einbringung dieser Umsatzsteueransprüche auszugehen.
3 Der gegen den Sicherstellungsauftrag erhobenen Beschwerde der Revisionswerberin wurde zunächst mit Beschwerdevorentscheidung vom 11. Juni 2018 stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
4 Mit Bescheid vom 20. Juli 2018 wurde die Beschwerdevorentscheidung vom 11. Juni 2018 gemäß § 299 BAO aufgehoben und zugleich eine neue, abweisende Beschwerdevorentscheidung erlassen. Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Nach umfangreicher Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, für die Beurteilung der Entstehung des Abgabenanspruches - als Grundvoraussetzung für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrags - seien auch die Feststellungen im mittlerweile vorliegenden Bericht über das Ergebnis der bei der Revisionswerberin durchgeführten Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer und die Zusammenfassenden Meldungen (im verfahrensgegenständlichen Zeitraum) heranzuziehen.
7 Nach diesem - auszugsweise im Wortlaut wiedergegebenen - Bericht, habe die Revisionswerberin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum wiederholt Lieferungen von beträchtlichen Warenposten an die unter einer tschechischen UID auftretende D T s.r.o. in Tschechien abgerechnet. Aufgrund von Hinweisen ungarischer Abgabenbehörden, wonach die Revisionswerberin und die D T s.r.o. an einem für Zwecke des Karussellbetruges in Gang gesetzten Warenkreislauf beteiligt gewesen seien, seien Anfragen an die zuständigen tschechischen Behörden gerichtet worden. Nach der erteilten Auskunft sei die D T s.r.o. eine „virtuelle“ Gesellschaft ohne unternehmerische Tätigkeit in Tschechien. Der nicht in Tschechien wohnhafte und für die tschechischen Abgabenbehörden nicht erreichbare Gesellschafter-Geschäftsführer habe - gegenüber der ungarischen Abgabebehörde - angegeben, die Anteile über ein slowakisches „Büroserviceunternehmen“, das in Folge auch alle die D T s.r.o. betreffenden Veranlassungen (etwa die Vorauszahlung der Warenbestellungen an die Revisionswerberin) durchgeführt habe, erworben zu haben.
8 Die - von der Revisionswerberin - an die D T s.r.o. fakturierten Waren seien von dieser an die ungarische M-H U Kft - nach Aufnahme abgabenbehördlicher Prüfungen bei dieser Gesellschaft, an die ungarische T T Kft - fakturiert worden. In der Folge seien die Waren über mehrere ungarische Gesellschaften, dann über eine in Österreich ansässige, als Händlerin tätige natürliche Person (Herr A) und von dieser schließlich wieder an die Revisionswerberin zurück fakturiert worden. Dieser verrechnete Warenkreislauf habe sich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nachweislich mehrere Male in dieser Reihenfolge abgespielt.
9 Laut Auskunft ungarischer Abgabenbehörden handle es sich bei der M-H U Kft und der T T Kft um Gesellschaften, unter deren Deckmantel ein vorgetäuschter Warenkreislauf (Karussellbetrug) in Gang gesetzt worden sei. Diese Firmen hätten die aufgrund der Weiterlieferung der Waren entstandene Umsatzsteuerschuld nicht erklärt (sogenannte „missing trader“).
10 Im Gegensatz zu den fakturierten Warenkreisläufen habe sich die tatsächliche Warenbewegung auf den Transport nach Ungarn und von dort zurück nach Österreich beschränkt. Die D T s.r.o. habe die bestellte Ware über einen ungarischen Frächter bei der Revisionswerberin abholen und direkt nach Budapest verbringen lassen. In Budapest seien diese Waren nur umgepackt und mit einem anderen Frächter ins Warenlager der Revisionswerberin zurückgebracht worden. Alle anderen vorgeblichen Lieferungen hätten nicht stattgefunden, was sich aufgrund von Ermittlungen der ungarischen Abgabenbehörden ergeben habe (etwa Auswertung der elektronischen Videoüberwachung ungarischer Straßen, Befragung beauftragter Frächter). Die Liefer- und Abnehmerkette sei nur künstlich eingerichtet worden, um Warenumsätze vorzutäuschen und aus Umsatzsteuergutschriften resultierende Guthaben zu schaffen, um diese von den durch Organe der als „missing traders“ eingeschalteten Gesellschaften eingerichteten Bankkonten abheben zu können.
11 Es seien objektive Umstände gegeben, anhand derer die verantwortlichen Vertreter der Revisionswerberin hätten erkennen müssen, dass die Lieferungen im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen gestanden seien, womit das Recht auf Vorsteuerabzug - betreffend die erhaltenen Lieferungen - gemäß § 12 UStG 1994 entfalle. So habe der Geschäftsführer der Revisionswerberin nie direkten Kontakt mit legitimierten Vertretern der D T s.r.o. gehabt, die Bestellungen seien durch den Geschäftsführer einer slowakischen Gesellschaft im Namen der D T s.r.o. per E-Mail getätigt worden, dessen Vertretungsbefugnis - hinsichtlich der D T s.r.o. - nicht ausreichend nachgewiesen worden sei. Zur Überprüfung der tatsächlichen Geschäftstätigkeit der D T s.r.o. seien lediglich ein Firmenbuchauszug und kopierte Ausweisdokumente des Geschäftsführers eingeholt worden.
12 Die Lieferungen seien stets erst nach Vorauszahlung des gesamten Entgeltes ohne spezielle Vorkehrungen im Hinblick auf mögliche Leistungsstörungen erfolgt, wobei sich die Revisionswerberin nie habe bestätigen lassen, wer Abnehmer dieser Lieferungen gewesen sei. Aufgrund der Frachtpapiere sei für die Revisionswerberin aber erkennbar gewesen, dass die Lieferungen nach Ungarn bzw. später in die Slowakei - und nicht nach Tschechien - erfolgt seien. Die Transportkosten seien nicht von der Revisionswerberin getragen worden, der verrechnete Preisaufschlag erscheine daher als „Gewinn ohne Arbeit“ jedenfalls verdächtig.
13 Ein ordentlicher Geschäftsmann hätte Nachforschungen angestellt, um die Gründe für diese ungewöhnlichen Umstände herauszufinden und festzustellen, ob er sich mit seinen Umsätzen im vor- oder nachgelagerten Bereich an gezielten Verkürzungen betreffend Umsatzsteuer beteilige.
14 Zur Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe - im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrags - führte das Bundesfinanzgericht aus, aus den Bilanzen der Jahre 2015 und 2016 (jeweils zum 31.12.) ergebe sich, dass die Verbindlichkeiten und Rückstellungen das Anlage- und Umlaufvermögen übersteigen würden, wobei darin die sichergestellten Abgaben noch nicht enthalten seien. Laut vorläufigem, antragsgemäß ergangenem Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2016 seien im Jahr 2016 Erlöse von knapp 2 Mio. € erwirtschaftet worden, denen allerdings Aufwendungen in fast exakt derselben Höhe gegenübergestanden seien. Aufgrund dieser wirtschaftlichen Verhältnisse sei der Revisionswerberin zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrags weder ein ausreichendes Vermögen noch ein ausreichendes laufendes Einkommen zur Abdeckung der Steuerschulden zur Verfügung gestanden.
15 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
19 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit zunächst vor, es seien mehrere Rechtsfragen zu klären. So sei in Bezug auf § 12 UStG 1994 nicht entschieden worden, was die objektiven Kriterien seien, dass „ein Unternehmer wusste oder wissen musste“, dass der betreffende Umsatz in Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen stünde. Nicht geklärt sei weiters, ob sich dieser Tatbestand ausschließlich auf ein solches Finanzvergehen beziehe, das einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betreffe oder ob dies in der Unternehmerkette irgendeinen oder den direkt vorgelagerten oder nachgelagerten Umsatz betreffe. Schließlich sei die Rechtsfrage ungeklärt, wann von einem Unternehmer verlangt werden könne, den Ablauf der Betrügereien zu erkennen, insofern, als der EuGH den Unternehmer davor bewahre, überhöhten detektivischen Ansprüchen gerecht zu werden.
20 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
21 Zur Frage, ob der Vorsteuerabzug nur dann zu versagen ist, wenn das Finanzvergehen den direkt vorgelagerten oder nachgelagerten Umsatz betrifft, ist auf die ständige Rechtsprechung des EuGH zu verwe