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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Antrags auf Feststellung der Zustimmungsbedürftigkeit eines Rechtserwerbs; verfassungskonforme Annahme des Vorliegens eines nichtigen UmgehungsgeschäftesSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Eine österreichische Staatsbürgerin vermachte dem Beschwerdeführer - er ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland - mit Kodizill vom 19. Mai 1980 ihre Eigentumswohnung samt Garage in Kitzbühel. Auf seinen nach dem Tod der Legatarin im Oktober 1989 gestellten Antrag auf Ausstellung einer sogenannten "Negativbestätigung" iSd. §2 Abs2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 (für die weitere Entwicklung ist auch die Novelle LGBl. für Tirol 74/1991 maßgebend) (kurz: GVG 1983), stellte die Grundverkehrsbehörde Kitzbühel gemäß §3 Abs1 lita leg.cit. fest, daß der Rechtserwerb durch Legat der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde nicht bedürfe.
2. Auf Grund der dagegen vom Landesgrundverkehrsreferenten erhobenen Berufung behob die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung nach einem ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahren sowie einer mündlichen Berufungsverhandlung mit Bescheid vom 9. Februar 1993 den Bescheid der Grundverkehrsbehörde I. Instanz wegen Unzuständigkeit und wies den Antrag des Beschwerdeführers gemäß §6 Abs1 AVG iVm. §3 Abs1 GVG 1983 zurück. Begründet wurde diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß im ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahren eine vom Gesetzgeber pönalisierte Umgehung des GVG 1983 offengelegt worden sei. Die von der Grundverkehrsbehörde iSd. §38 AVG zu beurteilende Vorfrage, ob der zur grundverkehrsbehördlichen Behandlung vorgelegte Rechtsvorgang überhaupt geeignet sei, einen Rechtserwerb nach §3 Abs1 GVG 1983 zu bewirken, sei unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände zu verneinen, vielmehr liege ein iSd. §879 ABGB nichtiges Umgehungsgeschäft vor. Zwar habe der Rechtserwerb des Legates im Zeitpunkt seines Anfalles (das war der 1. Oktober 1989) keiner grundverkehrsbehördlichen Zustimmung bedurft, doch sei aus den Umständen des vorliegenden Falles ersichtlich, daß die beteiligten Parteien im Wissen, daß auf Grund der Anzahl der ausländischen Grundeigentümer in der Gemeinde Kitzbühel von über 10 % ein weiterer Grunderwerb durch Ausländer, insbesondere zum Zwecke der Errichtung eines Zweitwohnsitzes, nicht mehr genehmigt werden würde, entsprechende Abmachungen getroffen hätten: So sei etwa ab dem Jahre 1978 die betreffende Wohnung von der Familie des Beschwerdeführers zu Ferienzwecken genutzt worden, und das Kodizill - im Gegensatz zu vier weiteren von der Legatarin verfügten - offensichtlich von einer rechtskundigen Person und nicht von der Legatarin selbst verfaßt worden. Es sei - gleicherweise wie im weiteren Kodizill ihres Lebensgefährten - "auf alle Eventualitäten Bedacht genommen (worden), daß diese Wohnung bzw. der Erlös aus einem allfälligen Verkauf (!) auf jeden Fall" dem Beschwerdeführer bzw. seinen Rechtsnachfolgern zukomme. Im Abhandlungsprotokoll sei außerdem festgestellt worden, "daß der Verstorbenen in der Eigentumswohnung keine Fahrnisse gehört haben". Der Lebensgefährte der Legatarin, der ebenfalls ein Kodizill ähnlich dem ihren verfaßt habe, habe schließlich eidesstattlich erklärt, daß das Vermächtnis der Legatarin wie auch sein eigenes nur dazu dienen sollten, den bereits zu Lebzeiten der Legatarin erfolgten Verkauf der Wohnung an den Beschwerdeführer "auch grundbücherlich durchzuführen".
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Entscheidung einer Sache "in billiger Weise" und "innerhalb einer angemessenen Frist" gemäß Art6 Abs1 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.
4. Die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften trägt die Beschwerde keine Bedenken vor; solche sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden (vgl. zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des §3 Abs1 lita GVG 1983 etwa VfSlg. 10927/1986, VfGH 11.3.1992, B399/91, 29.9.1992, B380/92, 14.6.1993, B1888/92, uva.).
Der Beschwerdeführer wurde deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er werde dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, daß die belangte Behörde über eine "Vorfrage entschieden hat, für deren Beurteilung sie sachlich nicht zuständig ist." Unabhängig davon, ob das Kodizill ein Umgehungsgeschäft sei oder nicht, sei die Beurteilung hierüber der sachlichen Zuständigkeit der Landesgrundverkehrsbehörde entzogen. Aus §16a GVG 1983 ergebe sich eindeutig, daß die Behörde dann, wenn sie Grund zur Annahme habe, daß ein Schein- oder Umgehungsgeschäft vorliege, den Rechtsweg beschreiten müsse und nur Klage auf Feststellung bei Gericht erheben könne. Den Grundverkehrsbehörden sei die Beurteilung der Frage entzogen, ob das einem Rechtserwerb zugrundeliegende Rechtsgeschäft ein Schein- oder Umgehungsgeschäft sei.
Das Recht auf ein faires Verfahren habe die belangte Behörde dadurch verletzt, daß sie erst nach einer Dauer von mehr als 18 Monaten eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung abgehalten, in dieser das Verfahren geschlossen und die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten, dennoch aber - allerdings ohne formelle Wiedereröffnung und unter Parteienausschluß - eine am Verfahren nichtbeteiligte Person, nämlich den Lebensgefährten und Universalerben der Legatarin, als Zeugen einvernommen habe, ohne ihn über seine Zeugenentschlagungsrechte zu belehren. Diese Zeugenaussage sei die einzige Stütze der belangten Behörde für die Annahme eines Umgehungsgeschäftes. Dabei sei unberücksichtigt geblieben, daß die nicht unvermögende Legatarin ohne Hinterlassung eigener Nachkommen oder eines Ehegatten verstorben sei und ihren nicht unerheblichen Liegenschaftsbesitz in Österreich und Deutschland "in menschlich verständlicher und auch rechtlich vollkommen einwandfreier Weise an ihr nahestehende Menschen übermacht" habe.
2.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht die Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985).
2.3. Der bekämpfte Bescheid leidet nicht an einem unter
II. 2.1. umschriebenen Mangel.
Ungeachtet einer Amtsbestätigung gemäß §178 Außerstreitgesetz ist die absolute Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. Krejci in Rummel, ABGB 2. Aufl., Rdz. 248 zu §879; s. auch VfGH 7.10.1992, B724/92, vom selben Tage B725/92). Hiezu kommt, daß sich eine derartige Bestätigung ausschließlich auf zivil-, nämlich erbrechtliche Aspekte bezieht, währenddem die im GVG 1983 verankerten grundverkehrsrechtlichen Interessen allein von den Grundverkehrsbehörden in Zusammenwirken mit dem Landesgrundverkehrsreferenten wahrzunehmen sind.
Daran änderte auch die durch Landesgesetz LGBl. 74/1991 eingeführte Möglichkeit einer Feststellungsklage des Landesgrundverkehrsreferenten gemäß §16a GVG 1983 (die Grundverkehrsbehörde selbst ist also nicht antragsbefugt) nichts. Denn abgesehen davon, daß diese dem Zweck dient, bereits verbücherte Rechtserwerbe grundbücherlich rückabzuwickeln, ist die Behörde gemäß §38 AVG berechtigt, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen - das GVG 1983 bestimmt insoferne nicht anderes -, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen nach der über die maßgeblichen Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Nichts anderes hat die belangte Behörde hier getan.
Die streitentscheidende Frage ist daher, ob der belangten Behörde im Rahmen ihrer Vorfragenbeurteilung (ob ein Umgehungsgeschäft vorliegt) ein hier relevanter Fehler unterlaufen ist. Dies ist zu verneinen.
Die belangte Behörde hat auf Grund eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens und des auf dessen Grundlage ermittelten Sachverhaltes den nicht zu beanstandenden Schluß gezogen, das Legat sei iSd. §879 ABGB als nichtiges Umgehungsgeschäft zu werten. Diese Vorfragenbeurteilung ist im einzelnen sorgfältig - insbesondere auch unter Stützung auf die Rechtsprechung des OGH zu Umgehungsgeschäften - begründet.
2.4. Unter diesen Voraussetzungen hat aber die belangte Behörde zu Recht ihre Zuständigkeit verneint und es wurde der Beschwerdeführer nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. zB VfSlg. 12822/1991, VfGH 9.12.1992, B746/92, 22.3.1993, B1006/92, 15.6.1993, B2048/92).
3. Eine Verletzung des Beschwerdeführers in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten ist damit ausgeschlossen (vgl. zB VfSlg. 10374/1985), zumal dem Vorwurf der langen Dauer des Verwaltungsverfahrens - selbst wenn er zutreffen sollte - nicht durch Aufhebung des Bescheides abgeholfen werden kann (vgl. VfGH 28.9.1992, B1213/91).
4. Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Behördenzuständigkeit, Grundverkehrsrecht, Umgehungsgeschäft, VorfrageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:B517.1993Dokumentnummer
JFT_10069072_93B00517_2_00