Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des S K in Z, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bartensteingasse 16/11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 11. April 2022, Zl. E 050/07/2021.003/022, betreffend Verhängung eines Waffenverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis verhängte das Landesverwaltungsgericht Burgenland, in Bestätigung eines Bescheides der belangten Behörde vom 7. Juni 2021, über den Revisionswerber gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) ein Waffenverbot und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Dem legte das Verwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - auf das hier Wesentliche zusammengefasst zu Grunde, die ehemalige Lebensgefährtin des Revisionswerbers habe wegen näher genannter Gewalttaten Anzeige bei der Polizei erstattet. Auf Grund des angezeigten Sachverhalts sei gegen den Revisionswerber ein Betretungsverbot gemäß § 38a SPG an der Wohnadresse der ehemaligen Lebensgefährtin sowie an der Adresse des Kindergartens des gemeinsamen Kindes und ein vorläufiges Waffenverbot ausgesprochen worden. Es stehe mit einer „für ein Waffenverbotsverfahren genügenden Weise“ fest, dass der Revisionswerber seine ehemalige Lebensgefährtin am 2. Juni 2019 in betrunkenem Zustand vergewaltigt und sie am 19. Juni 2019, ebenfalls in alkoholisiertem Zustand, am Körper verletzt habe.
3 Rechtlich gelangte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, diese beiden Vorfälle, der Hang des Revisionswerbers zum Alkoholkonsum sowie eine negative waffenpsychologische Untersuchung ließen eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen durch den Revisionswerber befürchten.
4 Die belangte Behörde sei zutreffend davon ausgegangen, dass sie bei der Verhängung des Waffenverbots nicht an die Einstellung des strafgerichtlichen Verfahrens betreffend die beiden genannten Vorfälle gegen die ehemalige Lebensgefährtin gebunden sei. Gegen den Revisionswerber sei aufgrund der von seiner ehemaligen Lebensgefährtin bei der Polizei angezeigten sexuellen und gewalttätigen Handlungen ein Betretungsverbot erlassen worden. Ein solches Verbot sei nach § 38a SPG an die Voraussetzung geknüpft, dass aufgrund bestimmter Tatsachen (Vorfälle) anzunehmen sei, ein gefährlicher Anschlag auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person stehe bevor. Aus dem Verwaltungsakt gehe hervor, dass der Revisionswerber gegen das Betretungsverbot keine Maßnahmenbeschwerde erhoben habe.
5 Der Revisionswerber sei im Rahmen einer waffenpsychologischen Untersuchung negativ beurteilt worden, wobei der Gutachter näher angeführte Feststellungen getroffen habe. Es bestehe beim Revisionswerber eine deutlich erhöhte Bereitschaft, bei Konflikten überzureagieren, mit der Gefahr, dass die bewusste Kontrolle über das Verhalten in Stresssituationen verlorengehe. Die Kombination einer verminderten Impulskontrollsteuerung mit einer geringen Einsicht eines problematischen Alkoholkonsums stelle ein hohes Risiko für den Verlust der Verhaltenskontrolle dar. Nach mehrfachen Aufforderungen des Verwaltungsgerichts habe der Gutachter ausführlich, verständlich und nachvollziehbar dargelegt, warum für den Revisionswerber kein positives Gutachten iSd. § 8 Abs. 7 WaffG ausgestellt habe werden können.
6 Es falle vorliegend nicht nur die psychische Labilität des Revisionswerbers ins Gewicht, sondern auch, dass er unter (häufigem) Alkoholeinfluss wiederholt aggressiv gegen seine ehemalige Lebensgefährtin gewesen und ihm die Lenkberechtigung wegen alkoholisierten Lenkens während des verwaltungsbehördlichen Verfahrens für vier Monaten entzogen worden sei. Somit lägen die nach der hg. Rechtsprechung zu einem missbräuchlichen Alkoholkonsum hinzutretenden zusätzlich Gefährdungsmomente vor.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 In der demnach für die Zulässigkeit der Revision ausschließlich maßgebenden Zulässigkeitsbegründung wird zusammenfassend geltend gemacht, es sei unklar, wann konkret von zu einem Alkoholmissbrauch hinzutretenden „weiteren Gefährdungsmomenten“ auszugehen sei. Im vorliegenden Fall basiere die Bejahung solcher Gefährdungsmomente, ausgehend von einer Strafanzeige der ehemaligen Lebensgefährtin des Revisionswerbers, auf bloßen Behauptungen, Annahmen und Vermutungen sowie Anschuldigungen, welche sich in weitere Folge „als unwahr herausstellten“. Ebenso müsse der Verwaltungsgerichtshof entscheiden, ob ein gerichtlich bestellter Gutachter Geschehnisse (hier: die behauptete Vergewaltigung) in sein Gutachten einbeziehen dürfe, welche sich „letztlich als unwahr“ herausgestellt hätten. Auch seien die „Standardauswertungen“ der psychologischen Tests dem Revisionswerber nicht offengelegt worden und nicht präzise nachvollziehbar.
12 Hinsichtlich der für die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG maßgebenden Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG auf VwGH 8.9.2020, Ra 2020/03/0117, mwN, verwiesen.
13 Danach ist - zusammengefasst - für die Verhängung eines Waffenverbots entscheidend, ob der angenommene Sachverhalt „bestimmte Tatsachen“ iSd § 12 Abs. 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden.
14 Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger („missbräuchlicher“) Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs. 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner gefestigten Rechtsprechung zu Situationen familiärer Gewalt festgehalten, dass nach den Umständen des Einzelfalls auch schon ein einmaliger Vorfall (Gewaltexzess) ungeachtet eines untadeligen Vorlebens die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG rechtfertigen kann (vgl. VwGH 27.1.2022, Ra 2021/03/0330, mwN).
16 Ausgehend davon gelingt es der Revision nicht darzulegen, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Entscheidung von den höchstgerichtlichen Leitlinien zu den Voraussetzungen betreffend die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG abgewichen wäre:
17 Die Revision wendet sich nicht konkret und substantiiert gegen die für die konkrete Fallkonstellation maßgebliche Feststellung im bekämpften Erkenntnis (Seite 16), wonach der Revisionswerber seine ehemalige Lebensgefährtin in alkoholisiertem Zustand vergewaltigt und bei einem anderen Vorfall am Körper verletzt habe und ein Betretungsverbot iSd § 38a SPG gegen ihn ausgesprochen worden sei. Für die Beurteilung des gegenständlichen Falles ist daher davon auszugehen, dass die vom Revisionswerber bestrittenen Gewaltexzesse tatsächlich stattgefunden haben. Ausgehend davon kann die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, es lägen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Waffenverbots vor, nicht als fehlerhaft erkannt werden.
18 Der vom Revisionswerber hervorgehobene Umstand, dass das gerichtliche Strafverfahren gegen ihn eingestellt worden sei, ist für die Verhängung eines Waffenverbots nicht entscheidend. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Waffenbehörde und das Verwaltungsgericht in so einem Fall eigenständig zu beurteilen haben, ob ein Sachverhalt vorliegt, der nach den vom WaffG vorgegebenen Kriterien die Erlassung eines Waffenverbots rechtfertigt (vgl. VwGH 17.5.2017, Ra 2017/03/0028; 22.11.2017, Ra 2017/03/0031; 15.3.2019, Ra 2019/03/0023; 7.5.2020, Ra 2019/03/0091; 16.4.2021, Ra 2021/03/0039; 27.1.2022, Ra 2021/03/0330; jeweils mwN).
19 Vor diesem Hintergrund geht auch das weitere Vorbringen des Revisionswerbers ins Leere, das aggressive Verhalten des Revisionswerbers gegen seine ehemalige Lebensgefährtin, welches das Verwaltungsgericht als zum Alkoholmissbrauch hinzutretendes zusätzliches Gefährdungsmoment gewertet hat, habe sich als „unwahr“ herausgestellt (vgl. allgemein zur Bedeutung von Alkoholmissbrauch und aggressivem Verhalten im familiären Umfeld für die Verhängung eines Waffenverbotes etwa VwGH 22.11.2017, Ra 2017/03/0031, mwN).
20 Auf das weitere Zulässigkeitsvorbringen betreffend das psychologische Gutachten kommt es nicht mehr an.
21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 6. Februar 2023
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022030170.L00Im RIS seit
13.03.2023Zuletzt aktualisiert am
13.03.2023