TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/14 95/11/0282

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Veröffentlicht am 14.11.1995
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/11/0299

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerden des H in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in G, 1. gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 7. Juli 1995, Zl. 750.709/1-2.7/94, betreffend Befreiung von der Präsenzdienstpflicht (hg. Zl. 95/11/0282), und 2. gegen den Bescheid des Militärkommandos Steiermark vom 3. August 1995, Zl. ST/73/16/00/46, betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst (hg. Zl. 95/11/0299), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1973 geborene, im Februar 1992 für tauglich erklärte Beschwerdeführer übernahm mit Übergabsvertrag vom 26. Jänner 1993 von seiner Großmutter einen landwirtschaftlichen Betrieb im Ausmaß von 9 ha (davon 3,5 ha Acker und 2 ha "Intensivobstanlage"); in diesem Betrieb werden u. a. Mastschweine gehalten. Die Eltern des Beschwerdeführers betreiben ein Gasthaus. Sie erlitten im August 1993 einen schweren Verkehrsunfall und sind seither zu je 50 % in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt. Am 13. September 1993 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Befreiung von der Präsenzdienstpflicht.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, zur hg. Zl. 95/11/0282 angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung wurde der Befreiungsantrag vom 13. September 1993 abgewiesen.

Mit dem zur hg. Zl. 95/11/0299 angefochtenen Bescheid des Militärkommandos Steiermark wurde er zur Leistung des Grundwehrdienstes vom 2. Oktober 1995 an einberufen.

In seinen an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerden macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide geltend und beantragt deren kostenpflichtige Aufhebung. Der belangte Bundesminister für Landesverteidigung hat zur Zl. 95/11/0282 eine Gegenschrift erstattet, in der er die kostenpflichtige Abweisung dieser Beschwerde beantragt. Hinsichtlich der zur hg. Zl. 95/11/0299 protokollierten Beschwerde wurde kein Vorverfahren eingeleitet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerdefälle wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und hierüber erwogen:

1. Gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 Wehrgesetz sind taugliche Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes zu befreien, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Der belangte Bundesminister für Landesverteidigung bejahte das Vorliegen wirtschaftlicher und familiärer Interessen des Beschwerdeführers an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, verneinte aber deren besondere Rücksichtswürdigkeit. Er vertritt dazu die Auffassung, daß eine Vertretung des Beschwerdeführers während dessen präsenzdienstbedingter Abwesenheit durch seine Eltern und allenfalls durch Betriebshelfer möglich sei; er wirft ihm ferner eine Verletzung seiner Verpflichtung zur Harmonisierung seiner wirtschaftlichen Dispositionen im Zusammenhang mit dem Aufbau der Selbstvermarktung seiner Erzeugnisse vor.

Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, daß er bei Übernahme des in Rede stehenden landwirtschaftlichen Betriebes davon ausgegangen sei, daß seine Eltern diesen Betrieb während der Leistung des Präsenzdienstes führen könnten. Diese Erwartung habe sich durch den Unfall der Eltern nicht erfüllt. Eine Verletzung der Harmonisierungspflicht im Zusammenhang mit der Betriebsübernahme könne ihm daher nicht vorgeworfen werden; dasselbe gelte auch für die von ihm eingeführte Vertriebsform der Selbstvermarktung seiner landwirtschaftlichen Produkte.

Dem Beschwerdeführer kann zwar keine Verletzung der Pflicht zur Harmonisierung seiner wirtschaftlichen Dispositionen mit seiner Präsenzdienstpflicht in bezug auf die Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebes von seiner Großmutter vorgeworfen werden. Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens kann aber davon ausgegangen werden, daß er von seinen Eltern und - fallweise - von zu entlohnenden Arbeitskräften unter den Voraussetzungen ersetzt werden kann, wenn er nicht zu den Zeiten den Präsenzdienst zu leisten hat, zu denen die meisten und schwersten Arbeiten zu verrichten sind, wenn er die dienstfreie Zeit in dem in Rede stehenden Betrieb verbringt und wenn er den Betrieb - wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ohne nähere Konkretisierung andeutet - in zumutbarem Ausmaß (vor allem in Ansehung der Schweinemast) einschränkt. Ein ständiger Einsatz von zu entlohnenden Betriebshelfern, wie er nach dem Beschwerdevorbringen finanziell untragbar wäre, bräuchte diesfalls nicht in Erwägung gezogen zu werden.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Vertriebsform (Selbstvermarktung) ist hingegen von einer Verletzung der Harmonisierungspflicht auszugehen, da der Beschwerdeführer diese Tätigkeit seinen Angaben im Verwaltungsverfahren zufolge "im Zuge des Beitrittes zur Europäischen Union" (Stellungnahme vom 13. März 1995) begonnen hat.

Nach dem Beschwerdevorbringen kann von familiären Interessen des Beschwerdeführers an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht keine Rede sein, weil durch die behauptete Unmöglichkeit der Unterstützung des Beschwerdeführers durch seine Eltern solche Interessen nicht berührt werden.

Die Annahme der belangten Behörde, der landwirtschaftliche Betrieb des Beschwerdeführers könne ohne Gefährdung seiner Existenz während der Präsenzdienstleistung aufrechterhalten und weitergeführt werden, erfolgt im Ergebnis zu Recht. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

2. Hinsichtlich des angefochtenen Bescheides des Militärkommandos Steiermark ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß erst ein stattgebender Befreiungsbescheid die Erlassung eines Einberufungsbefehles rechtlich hindert (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1991, Zl. 91/11/0103, und vom 27. Juni 1995, Zl. 95/11/0167). Das Beschwerdevorbringen über die offene Beschwerdefrist in Ansehung des erstangefochtenen Bescheides zum Zeitpunkt der Erlassung des zweitangefochtenen Bescheides sowie über dessen Rechtswidrigkeit geht daher ins Leere.

Da bereits der Inhalt der gegen den Einberufungsbefehl gerichteten Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht gegeben ist, war diese Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995110282.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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