TE Dok 2022/6/3 2021-0.385.490

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Veröffentlicht am 03.06.2022
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Soldat, Achtungsvoller Umgang, Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten

Text

Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 03.06.2022 in Anwesenheit des Beamten, des

Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin nach durchgeführter mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Vizeleutnant A.A. ist schuldig, er hat

1.       als er in der 3. Kalenderwoche 2021 von der geplanten Versetzung des Kommandanten des N.N. (Kdt N.N.) erfuhr gegenüber den Kadersoldaten der N.N. Kompanie gesagt: „Jetzt sind wir den Trottel endlich los“ und

2.       den Befehl des Kdt N.N. am 04.05.2021 zur sofortigen Beendigung der Tauchfortbildung am Ostufer des N.N. nicht befolgt, sondern eine schriftliche Ausfertigung dieses im Zuge der Dienstaufsicht erteilten Befehles verlangt und die Ausbildung fortgesetzt.

Dadurch hat er schuldhaft im Spruchpunkt 1 gegen die Bestimmung des § 43a BDG 1979,

„Beamtinnen und Beamte haben als Vorgesetzte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und als Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ihren Vorgesetzten sowie einander mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen. Sie haben im Umgang mit ihren Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind“ und

im Spruchpunkt 2 gegen die Bestimmung des § 44 Abs 1 BDG 1979, wonach „der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen hat“,

verstoßen und Pflichtverletzungen gemäß § 2 Abs. 1 Heeresdisziplinargesetz 2014, BGBl I. Nr. 2 (HDG 2014), zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020, begangen.

II.

Vzlt A.A. wird vom Vorwurf,

er habe sich im Zuge einer am Dienstplan angeordneten Tauchfortbildung am 04. Mai 2021 um ca. 1800 Uhr am Ostufer des N.N. gegenüber dem Kdt N.N., der Dienstaufsicht durchführte, respektlos verhalten, indem er ihn anschrie und auf seine baldige Versetzung anspielend mit den Worten „dreieinhalb Wochen noch aussitzen und dann war es das“ sowie den Kdt N.N. im Zusammenhang mit einer vom ihm nicht durchgeführten Anordnung des

Einsatzes von N.N. Booten im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes am 27.04.2021 mit den Worten „sie haben ja keine Eier“ provoziert,

freigesprochen.

Über Vzlt A.A. wird gemäß § 51 Z 3 HDG 2014
die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von € 3.000,--

(dreitausend Euro) verhängt.

Gemäß § 38 Abs. 1 HDG 2014 hat Vzlt A.A. dem Bund einen

Kostenbeitrag in der Höhe von € 300, -- (dreihundert Euro) zu leisten.

Gemäß § 77 Abs. 4 HDG 2014 wird die Abstattung der Geldstrafe in 30 Monatsraten zu je

€ 100, -- (einhundert Euro) verfügt.

B E G R Ü N D U N G

Zur Person:

1.       Vzlt A.A. versieht seinen Dienst seit 01.09.2016 als N.N. Kommandant in der N.N. (Kdt N.N.). Sein Dienstort ist die N.N. Kaserne. Er bringt € 3.175,10 brutto ins Verdienen (ohne fallweise Nebengebühren - MU/FG 3/GehStu 16).

2.       Er steht in einem unbefristeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und fällt daher in den Anwendungsbereich des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, (BDG 1979) und des HDG 2014.

3.       Er ist verheiratet und hat Sorgepflichten für zwei Kinder, Personalvertreterfunktion führt er keine aus.

Zum Verfahrensgang und Sachverhalt:

4.       Der Disziplinarvorgesetzte hat am 07. Mai 2021 das Disziplinarverfahren gegen Vzlt A.A. eingeleitet und begründete die Einleitung wie folgt: „Im Zuge einer am Dienstplan des N.N. der N.N. angeordneten Tauchfortbildung stehen Sie im Verdacht, am 04.05.2021 um ca. 1800 Uhr, am Ostufer des N.N., nachstehend angeführte Pflichtverletzungen begangen zu haben: Erstens: Sie sind als Kdt des N.N. der Anordnung des BKdt – ihn im Zuge der Dienstaufsicht in den gedachten Verlauf der Ausbildung einzuweisen – nicht nachgekommen. Zweitens: Sie haben sich im Zuge der Dienstaufsicht ungebührlich und respektlos gegenüber ihrem BKdt verhalten und somit eine Desavouierung ihres Vorgesetzten vor anderen Teilnehmern der Tauchfortbildung begangen. Im Allgemeinen stehen Sie drittens im Verdacht als ZgKdt und Vorgesetzter mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht „achtungsvoll“ umzugehen.“ Die Zustellung der Einleitung an Vzlt A.A. erfolgte am selben Tag durch persönliche Übernahme.

Dem Dienststellenausschuss des N.N. wurde am 27. Mai 2021 die beabsichtigte Erstattung einer Disziplinaranzeige mitgeteilt (P765266/44-N.N./Kdo/S1Grp/2021).

5.       Die Disziplinaranzeige wurde durch den Kdt N.N. als Disziplinarvorgesetzter am 27. Mai 2021 erstattet und langte am 01. Juni 2021 ein. Am 15. Juni 2021 wurde sie neu vorgelegt und langte am 22. Juni 2021 beim Senat N.N. der Bundesdisziplinarbehörde (BDB), Senat N.N., protokolliert unter, GZ: 2021-0.385.490, ein. Die neu vorgelegte Disziplinaranzeige wurde durch den neuen Bataillonskommandanten unterfertigt, ihr wurden 24 Beilagen angeschlossen. Am selben Tag wurde sie dem Disziplinarbeschuldigten nachweislich durch persönliche Übernahme zugestellt. Aus der am 30.11.2021 erlassenen Geschäftseinteilung für das Kalenderjahr 2022 der BDB ergibt sich die Zuständigkeit des Senates N.N.

6.       In der Beschuldigteneinvernahme am 11. Juni 2021 nahm Vzlt A.A. zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung und führte zusammengefasst aus: Zur Frage, warum ich als ZgKdt keine Auskunft über die Inhalte und Details der Tauchausbildung geben konnte, gebe ich an, dass ich nach der Meldung an den Herrn Obst A.A. ihn grob eingewiesen habe über die Fortbildung theoretischer Inhalte auf einem Tablett durch OStv A.A. in der VW Pritsche, sowie dass wir bereits einen Tauchgang durchgeführt haben. Obst A.A. befragte mich in einem 2-3-minütigen Gespräch über den weiteren Ausbildungsablauf. Ich entgegnete, dass ich über den detaillierten Ausbildungsablauf nicht konkret Auskunft geben könne, da der StWm A.A. als eingeteilter Tauchsicherheitsoffizier der Ausbildungsleiter ist. Zur Frage warum ich bei Ankunft des BKdt am Ausbildungsort zu viert in einem Auto ohne FFP-2-Maske saß, obwohl zum damaligen Zeitpunkt das Tragen einer FFP-2-Maske im HKft laut Befehlslagevorgeschrieben war, gebe ich an, dass ich, StWm A.A. sowie Wm A.A. eine nachgewiesene Corona Erkrankung hatten und sich OStv A.A. unmittelbar vor Ausbildungsbeginn in der 18. KW testen ließ. Wir hatten daher die Notwendigkeit des Tragens der FFP-2-Maske nicht als notwendig erachtet. Des Weiteren lüfteten wir regelmäßig das Auto. Zur Frage warum ich dem Befehl des BKdt die gegenständliche Tauchausbildung abzubrechen nicht nachgekommen bin, gebe ich an, das mir Obst A.A. am Ende eines sehr emotionalen Gespräches in einem bestimmten Befehlston den Auftrag die Ausbildung abzubrechen, Marschbereitschaft herzustellen und in die Kaserne einzurücken gab. Nachdem für mich der Grund für diesen Auftrag nicht ersichtlich war und ich mir keines Fehlverhaltens bewusst war, verlangte ich, auf § 6 ADV verweisend, eine schriftliche Ausfertigung des Auftrages. Dies wurde durch Obst A.A. verweigert. In der Fortsetzung der Dienstaufsicht wurde von Obst A.A. festgestellt, dass zu wenig „Bewegung“ an der Tauchstelle sei und somit auch der Ausbildungswert von Obst A.A. hinterfragt wurde. Daraufhin erteilte Obst A.A. neuerlich den Auftrag, die Ausbildung einzustellen und einzurücken. Ich verlangte wiederum die schriftliche Ausfertigung des Befehles, was abermals durch Obst A.A. verweigert wurde. Zur Frage warum ich mich gegenüber dem BKdt mit sehr emotionalen und unhöflichen bzw. respektlosem Ton verhalten habe und beim Thema wo OStWm A.A. sei, die Antwort „der A.A. interessiert mich nicht, der gehört nicht mehr zu meinem Zug“ bzw. „Herr Oberst, nur noch drei Wochen (dreimalige Wiederholung), bzw. gegenüber Obst A.A. die Äußerung gewählt habe „Sie haben ja keine Eier“, gebe ich an, dass ich bezüglich OStWm A.A. gesagt habe, „ist egal, gehört nicht mehr zu mir“. Bezüglich der Aussage dreieinhalb Wochen sagte ich in der Emotion, auf die anstehende Versetzung des Kdt N.N. abzielend: „Dreieinhalb Wochen noch aussitzen und dann war es das“. Daraufhin entfernte ich mich von Obst A.A., da für mich dieses Gespräch beendet schien. Obst A.A. wies mich daraufhin an stehen zu bleiben und stellte fest, dass ich nicht so mit ihm reden könne. Dass ich gegenüber Obst A.A. gesagt haben sollte, „Sie haben ja keine Eier“ ist mir neu, das habe ich sicher nicht gesagt. Zur Vorhalte betreffend als ZgKdt und Vorgesetzter nicht achtungsvoll mit Mitarbeitern, Kameraden und Vorgesetzten umgegangen zu sein, führte er aus, dass ihm gegenüber bis 04.05.2021 keine Beschwerden seiner Mitarbeiter bekannt seien. Soweit ihm vorgehalten werden würde, beim Bau einer 60-Tonnen-Fähre am N.N. geschrien zu haben: „Es ist mir scheißegal, welchen Dienstgrad jemand hat, wenn ihr nicht funktioniert, wie ich es mir vorstelle, kennt’s euch schleichen“ erwiderte er, dass dieser Bau in der 31. und 32. KW im Jahre 2017 stattgefunden habe und er sich nicht daran erinnern könne, diese Worte gebraucht zu haben. Zum Vorwurf den OStv A.A. als „fette Sau“ bezeichnet und „Der existiert für mich nicht“ gesagt zu haben, wolle er nichts sagen, da ihm das Datum und der Ort der Beschuldigung fehle. Ebenso könne er aufgrund fehlender Datums- und Ortsangabe zu den Vorwürfen zu seinen Untergebenen „Trotteln“ und „Sautrotteln“, „Es fehlt euch zwischen den Ohren, … Trottel“, in Bezug auf die Versetzung des BKdt gesagt zu haben „Jetzt san ma den Trottel endlich los“ sowie auf die niederschriftlichen Angabe eines Personalvertreters, dass mehrere Bedienstete ob des autoritären Führungsstils und unangebrachten Umgangstones sowie ständiger Gemütsschwankungen des Vzlt A.A. Beschwerde geführt hätten, keine Angaben machen. Er wolle jedoch angeben, dass er im Jahre 2021 meist zu den Standeskontrollen mit dem Fahrrad komme und deshalb sein Stellvertreter, OStWm A.A. die Besprechungen nach der Standeskontrolle wahrnehme.

7.       Mit Bescheid vom 08. Juli 2021 erließ die BDB, Senat N.N., zunächst den Einleitungsbeschluss, der dem Disziplinarbeschuldigten am 09. Juli 201 über den Disziplinarvorgesetzten und dem Disziplinaranwalt beim BMLV (DiszAnw) am 08. Juli 2021 zugestellt wurde.

8.       Dagegen erhob Vzlt A.A. innerhalb offener Frist mit schriftlicher Eingabe vom 04. August 2021 das Rechtsmittel der Beschwerde durch seine nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung und führte aus:

„Mit dem angefochtenen Bescheid vom 08.07.2021 (Pkt. 1.-Pkt.4. des Bescheides) wird dem Beschwerdeführer der Verdacht zur Last gelegt, er habe einen Befehl nicht befolgt und sich gegenüber dem Bataillonskommandanten respektlos verhalten (Pkt. 1), Covid-Bestimmungen nicht eingehalten (Pkt. 2), Wm A.A. befohlen eine Fähre alleine vom Schnee zu befreien (Pkt. 3) und OStv A.A. als „fette Sau“, „Unnötiger“ und „der existiert für mich nicht“ (Pkt. 4.) bezeichnet zu haben. Sämtliche dieser Vorwürfe sind unrichtig. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens ist unbegründet. Gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 sind bei Einlagen einer Disziplinaranzeige die notwendigen Ermittlungen von der Dienstbehörde im Auftrage des Senatsvorsitzenden durchzuführen. Diese Ermittlungen, sofern überhaupt zur Durchführung beauftragt, sind gegenständlich nicht erfolgt, da anderenfalls kein Senatsverfahren eingeleitet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht angeordnet worden wäre. Die gesetzesgemäße Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hätte ergeben, dass dem Verdächtigen kein Verstoß gegen eine Dienstpflicht anzulasten ist, somit kein Verdacht einer Dienstpflichtverletzung vorliegt. Im für den Verdächtigen ungünstigsten Falle wäre die Zurückleitung der Disziplinaranzeige an die Dienstbehörde zum gesetzesgemäßen Vorgehen gemäß § 110 Abs. 2 BDG 1979 zu verfügen gewesen. Der tatsächlich relevante Sachverhalt wurde nicht erhoben. Wären die Ermittlungen ordnungsgemäß eingeleitet und durchgeführt worden, hätte sich unter Berücksichtigung der vorliegenden Niederschrift (Einvernahme OStv A.A.) ergeben, dass der Verdächtige die Aufgaben bei der angeordneten Tauchfortbildung am 04.05.2021 vorbildhaft erfüllt hat. Es hätte sich ergeben, dass dieser kein respektloses Verhalten zu verantworten, sich dieser nicht geweigert hat den Bataillonskommandanten in den gedachten Verlauf der Ausbildung einzuweisen und auch keine Beschimpfung stattgefunden hat. Es hätte ergeben, dass die Forderung einen Befehl schriftlich auszufertigen bzw. zu begründen, unter Hinweis auf § 6 ADV erfolgte, zumal für den in einem bestimmten Befehlston erteilten Auftrag kein Grund ersichtlich war. Im Zuge eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens hätte sich auch ergeben, dass die Beschwerde des Verdächtigen gegen die ihm erstattete Anordnung der Entbindung von Agenden des Tauchens zu Unrecht erfolgten. Es wurde völlig übersehen, dass der Verdächtige nicht in der Lage war, über den detaillierten Ausbildungsablauf Auskunft zu geben, da er weder eingeteilter Tauchsicherheitsoffizier noch Ausbildungsleiter war.

Beweis: Niederschrift vom 18.05.2021, Niederschrift Zeugeneinvernahme vom 05.05.2021 (A.A.), Stattgebung der Beschwerde vom 11.06.2021.

ad 2: Auch diesbezüglich wurden keine Ermittlungen durchgeführt. Wäre ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren eingeleitet und die im Heereskraftfahrzeug anwesenden Soldaten einvernommen worden, so hätte sich ergeben, dass kein Verstoß gegen eine Gehorsamspflicht vorliegt, zumal die Gefahr einer Ansteckung nicht bestand. Wie dem Senat bekannt ist, lagen entsprechende Testungen und bereits überstandene Coronaerkrankungen vor. Der im gegenständlichen Bescheid auf Seite 8 zitierte Befehl (GZ S93105/4-N.N./Kdo/S2Grp/2021 vom 26.01.2021) ist nicht geeignet als Entscheidungsgrundlage herangezogen zu werden, zumal dieser, sollte tatsächlich angeordnet worden sein, dass ungeachtet einer Testung oder Vorerkrankung FFP-2 Masken zu tragen wären, mit Rechtswidrigkeit behaftet ist. Zudem wurde nicht erhoben, ob entsprechende Abstände eingehalten worden sind, sodass es zu keiner Gefährdung einer anderen Person kommen konnte. Zudem hätte sich ergeben, dass keine Dienstfahrt vorgenommen wurde, sondern dass im Fahrzeug Unterricht bzw. eine Auffrischung erfolgte, wobei das Fahrzeug nicht geschlossen war.

ad 3: Wäre ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden und hätte sich der Senat nicht nur auf die Aussage des A.A. gestützt, so hätte sich ergeben, dass sowohl Wachtmeister A.A. als auch 2 Rekruten in den Tagen 19.01. und 21.01.2021 mit der Schneeräumung beauftragt wurden. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens hätte sich ergeben, dass Vorwürfe des Wm A.A., dieser hätte alleine Arbeiten vornehmen müssen, unrichtig sind. Beweis: Bestätigung Wachtmeister A.A. vom 12.07.2021, Rahmenfahrbefehl

ad 4: Im Zuge eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens hätte sich ergeben, dass kein geeigneter Vorwurf vorliegt um ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Es hätte sich gezeigt, dass derartige, wie unter Pkt. 4 angeführte Aussagen nicht getätigt worden sind, sondern dass es sich um eine unrichtige Anschuldigung handelt. Im Bescheid wird darauf verwiesen, dass Aussagen, wie unter Pkt. 4 angeführt gegenüber anderen Kadersoldaten getätigt worden seien, ohne konkrete Beweise aufgenommen zu haben bzw. führen zu können. Aus all diesen Gründen und der in einem vorgelegten Ermittlungsergebnis steht fest, dass der Verdächtige kein disziplinarrechtlich relevantes Verhalten gesetzt hat, sodass die Beschlussfassung auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens verfehlt und rechtswidrig ist. Urkunden vorgelegt: Zeugeneinvernahme vom 05.05.2021 (A.A.), Beschwerdeentscheidung vom 11.06.2021, Stellungnahme Wm A.A. vom 12.07.2021 und Rahmenfahrbefehl.

Aus den genannten Gründen werden die Anträge gestellt: Der Beschwerde Folge zu geben und den Bescheid vom 08.07.2021 im angefochtenen Umfange ersatzlos zu beheben und die Disziplinaranzeige zurückzulegen; in eventu den Einleitungsbescheid ersatzlos zu beheben und die Disziplinaranzeige zur gesetzesgemäßen Behandlung durch die Dienstbehörde zurückzuleiten.“

Gegen den Anschuldigungspunkt 5 (als er von der Versetzung des Bataillonskommandanten erfuhr gegenüber anderen Kadersoldaten gesagt zu haben: „Jetzt sind wir den Trottel endlich los“) erfolgte kein begründetes Beschwerdevorbringen durch den Disziplinarbeschuldigten.

9.       Der Senatsvorsitzende veranlasste aufgrund des Beschwerdevorbringens mit Schreiben vom 16. September 2021 einen Erhebungsauftrag an den Kdt N.N., dessen Ergebnis am 27.09.2021 vorgelegt und den Parteien zur Stellungnahme bis 04. Oktober 2021 übermittelt wurde. Darin wurde bereits ausgeführt, warum die Anschuldigungspunkte 2 bis 4 des Bescheides vom 08. Juli 2021 einzustellen und der Anschuldigungspunkt 1 abzuändern wäre. Im Parteiengehör vom 28. September 2021 schloss sich der Disziplinarbeschuldigte der Ansicht betreffend der Spruchpunkte 2 bis 4 (Einstellung) an und führte zum Anschuldigungspunkt 1 aus, dass er Obst A.A. nicht angeschrien und nicht mit den Worten „Sie haben ja keine Eier“ provoziert hätte. Dies hätte sich nicht ereignet. StWm A.A. wäre bereits zum Sachverhalt einvernommen worden und hätte keine derartigen Aussagen wahrgenommen. Der Verdächtige hätte lediglich aufgrund konkreter Fragestellung des Obst A.A. geantwortet und habe diesen aufgefordert, einen schriftlichen Befehl auszufertigen bzw. unter Hinweis auf § 6 ADV diesen zu begründen. Er wäre dem damaligen Kdt N.N. mit Achtung und respektvoll begegnet und hätte auch keine Wortfolgen gebraucht, die die menschliche Würde verletzen und/oder das Betriebsklima stören würden. Aus den genannten Gründen würden die bisher gestellten Anträge wiederholt und ergänzend die Zustellung der Disziplinaranzeige vom 27.05.2021 und das Erhebungsergebnis vom 27.09.2021 mit 13 Beilagen begehrt. Der Herr Disziplinaranwalt beim BMLV machte von der Möglichkeit zum Parteiengehör keinen Gebrauch.

10.      Mit elektronischer Übermittlung vom 06. Oktober 2021 legte das Kommando N.N. die Niederschriften der Wachtmeister A.A., A.A., A.A., A.A. und des Gfr A.A. in Ergänzung zum Erhebungsauftrag vom 16.09.2021 vor. Darin präzisierte Wm A.A. die Vorhalte gegenüber dem Disziplinarbeschuldigten sich zur geplanten Versetzung des Kdt N.N. abfällig mit der Aussage geäußert zu haben „jetzt sind wir den Trottel endlich los“, dass dies in der 3. Kalenderwoche (18. Jänner bis 22. Jänner 2021) vor dem Kader des technischen Zuges der technischen Kompanie erfolgt sei. Wm A.A. erklärte in der Niederschrift vom 06. Oktober 2021, wie ihm der Disziplinarbeschuldigte am 05. Mai 2021 den Ablauf der Dienstaufsicht des Kdt N.N. am Vortag schilderte und er es dem Kdt N.N. „verbal gegeben habe“, sowie dass dieser die Aussage „jetzt sind wir den Trottel endlich los“ vor dem Kaderpersonal getätigt habe, der genaue Zeitpunkt sei ihm jedoch nicht mehr erinnerlich.

11.      Der Senatsvorsitzende brachte daraufhin mit Schreiben vom 07.10.2021 den Parteien die oben angeführten ergänzenden Niederschriften und den Sachverhalt im Verdachtsbereich zur Kenntnis und räumte die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen Wochenfrist ein.

12.      Der Herr Disziplinaranwalt beim BMLV machte von der Möglichkeit zum Parteiengehör nicht Gebrauch, der Disziplinarbeschuldigte übermittelte über seine rechtsfreundliche Vertretung mit Schreiben vom 13.10.2021 eine aufgetragene Stellungnahme. Darin führt er aus, dass er sein bisheriges Vorbringen vollinhaltlich aufrechterhalte. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens sei nicht gerechtfertigt. Auch durch die nunmehr vorliegenden Aussagen würde unter Beweis gestellt, dass er die ihm zur Last gelegten Äußerungen nicht getätigt hätte. Ergänzend wäre auch nochmals festzuhalten, dass am 04. Mai 2021 keine wie immer geartete Aussage getätigt wurde, die die Erstattung der Disziplinaranzeige begründen würde. Es wurde keineswegs ein respektloses Verhalten gezeigt oder Beschimpfungen ausgesprochen. Die Aussage „dreieinhalb Wochen noch aussitzen und dann war es das“ sei nicht geeignet als respektloses Verhalten qualifiziert zu werden, es handle sich hierbei lediglich um eine den Tatsachen entsprechende Darstellung. Dass er eine schriftliche Ausführung des Befehles verlangt habe, würde dem § 6 ADV entsprechen. Der Abbruch bzw. die Beendigung der Ausbildung wäre weder gerechtfertigt, noch von dem gegenüber ihm erteilten Auftrag umfasst gewesen. Eine Aussage, wonach er gesagt hätte: „Jetzt sind wir den Trottel endlich los“ sei ihm nicht erinnerlich. Auch würden keine wie immer gearteten Beweisergebnisse vorliegen, dass er eine derartige Aussage getätigt hätte. Er stelle daher den Antrag, der Beschwerde Folge zu geben und die Disziplinaranzeige zurückzulegen.

13.      Mit Beschwerdevorentscheidung vom 15.10.2021 gab die BDB, Senat N.N., der Beschwerde teilweise statt, behob die Anschuldigungspunkte 2 bis 4 des Einleitungsbeschlusses vom 08.07. 2021 ersatzlos und stellte das Verfahren diesbezüglich ein. Der Antrag um gänzliche Einstellung des Disziplinarverfahrens wurde abgewiesen und der Spruch des bekämpften Bescheides wie folgt abgeändert: „Gegen Vzlt A.A. wird wegen des Verdachtes, er habe

1. als er in der 3. Kalenderwoche 2021 von der geplanten Versetzung des Kommandanten des N.N. (Kdt N.N.) erfuhr gegenüber den Kadersoldaten der technischen Kompanie gesagt: „Jetzt sind wir den Trottel endlich los“ und

2. sich im Zuge einer am Dienstplan angeordneten Tauchfortbildung am 04. Mai 2021 um ca. 1800 Uhr am Ostufer des N.N. gegenüber dem Kdt N.N., der Dienstaufsicht durchführte, respektlos verhalten, indem er ihn anschrie und auf seine baldige Versetzung anspielend mit den Worten „dreieinhalb Wochen noch aussitzen und dann war es das“ sowie den Kdt N.N. im Zusammenhang mit einer vom ihm nicht durchgeführten Anordnung des Einsatzes von N.N. im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes am 27.04.2021 mit den Worten „sie haben ja keine Eier“ provoziert und

3. im Zuge der unter Ziffer 2 genannten Dienstaufsicht am 04. Mai 2021 den Befehl des Kdt N.N. zur sofortigen Beendigung der Ausbildung nicht befolgt, sondern eine schriftliche Ausfertigung des Befehles verlangt und die Ausbildung fortgesetzt.

In der Begründung stellte die BDB den Gang des Verfahrens dar und erläuterte zunächst die Gründe für die Einstellung. Die Abänderung des Anschuldigungspunktes betreffend Verhalten während der Dienstaufsicht des BKdt seien der Beschwerdeerledigung durch den BrigKdt vom 11.06.2021 geschuldet, der dem Vzlt A.A. als Beschwerdeführer Berechtigung zuerkannt hatte, als er (A.A.) nicht über die Details des nachfolgenden Tauchganges Bescheid wissen musste. Der eingeteilte Sicherheitsoffizier verwies jedoch darauf, dass aus seiner Sicht A.A. Verhalten provokant war und er sich nicht so gegenüber dem BKdt verhalten hätte. Es wäre daher in einer mündlichen Verhandlung der Sachverhalt weiter aufzuklären, wie sich der Ablauf der Dienstaufsicht zugetragen habe. Aus der bloßen Ablehnung der Befolgung des Befehles verbunden mit der Forderung nach einer schriftlichen Ausfertigung gemäß § 6 ADV ergebe sich nicht, worin der Befehlsempfänger die Rechtswidrigkeit zum Abbrechen der Ausbildung und Einrücken in die Kaserne erblicke. Ebenso sei eine Aussage gegenüber Kadersoldaten – sofern sie so gefallen ist – „Jetzt sind wir den Trottel endlich los“ – wenn man von der Versetzung des BKdt erfährt, geeignet, gegen § 43a BDG 1979 zu verstoßen.

14.      Mit am 20. Oktober 2021 fristgerecht eingebrachten Schriftsatz stellte er gemäß § 15 VwGVG einen Antrag seine Beschwerde gegen den mit Beschwerdevorentscheidung vom 15.10.2021 abgeänderten Einleitungsbeschluss vom 08.07.2021 dem BVwG zur Entscheidung vorzulegen.

15.      Das BVwG wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 23. Februar 2022 als unbegründet ab, GZ 136 2247574-1/4E.

16.      Daraufhin erfolgte durch den Senat N.N. die Ausschreibung der mündlichen Verhandlung für den 03. Juni 2022, die Ladung an den Disziplinarbeschuldigten wurde dem Verteidiger am 31. März 2022 zugestellt.

17.

Als Ergebnis des Beweisverfahrens der mündlichen Verhandlung am 03. Juni 2022, bei der Vzlt A.A. als Beschuldigter zunächst in allen drei Anschuldigungspunkten bei seiner leugnenden Verantwortung blieb, jedoch nach kurzer Unterbrechung im Spruchpunkt 2 ein Geständnis ablegte, die Zeugen Obst A.A. OStv A.A., StWm A.A., Wm A.A. und Wm A.A. einvernommen wurden sowie der im Akt aufliegenden und zur Verlesung gebrachten Unterlagen ist für die Bundesdisziplinarbehörde, Senat N.N., der im Spruch angeführte Sachverhalt erwiesen.

18.      Der Disziplinarbeschuldigte bekannte sich zu Beginn der mündlichen Verhandlung in allen Anschuldigungspunkten nicht schuldig. Er verantwortete sich zunächst damit, dass er den StWm A.A. als Sicherheitsoffizier mit der Tauchfortbildung beauftragt hatte und deshalb nicht Vorgesetzter war. Der Senatsvorsitzende erläuterte daraufhin den Grundsatz der „ungeteilten Führungsverantwortung“ als N.N. Kommandant und erklärte den § 44 BDG 1979, woraufhin der Herr Verteidiger um kurze Unterbrechung der mündlichen Verhandlung bat, was durch den Senatsvorsitzenden gewährt wurde. Nach dieser Beratung gestand er in der durch den Herrn Verteidiger vorgetragenen Erklärung, dass der Befehl des Kdt N.N. zu befolgen gewesen wäre, er einen Fehler und dadurch eine Pflichtverletzung begangen hätte, weil ihm ein Rechtsirrtum unterlaufen wäre. Es würde ihm sehr leidtun, dass er ungerechtfertigter Weise die schriftliche Ausfertigung trotz mangelnder Rechtswidrigkeit des Befehles verlangt hätte und dadurch seine Dienstpflicht zum Gehorsam verletzte. In Zukunft würde er die Befehle seiner Vorgesetzten treu befolgen. Hinsichtlich der beiden anderen Anschuldigungspunkte halte er seine Verantwortung aufrecht.

19.      Obst A.A. schilderte durchaus plausibel, wie sich die Vorfälle aus seiner Sicht im Zuge der Dienstaufsicht ereigneten. Falschbezichtigungstendenzen waren nicht vorhanden, doch war er sichtlich noch immer emotional vom Vorfall am 04. Mai 2021 berührt. Er hielt seine in der Niederschrift vom 26. Mai 2021 getätigten Angaben vollinhaltlich aufrecht. Vzlt A.A. wäre, nachdem er ihn wegen der Abwesenheit des N.N. Tauchers OStWm A.A. fragte, in einer für ihn sehr desavouierenden Art und Weise ihm gegenüber aufgetreten und hätte dreimal auf seine baldige Versetzung anspielend gesagt „Herr Oberst, dreieinhalb Wochen noch“ und im Anschluss an eine heftige Diskussion um die nicht durchgeführte Anordnung eines Einsatzes von N.N. Booten zu einem Feuerwehreinsatz am 27.04.2021 „Sie haben ja keine Eier“ geäußert. Weil er selbst ziviler Rettungstaucher sei, die durchgeführte Ausbildung mit der Planung nicht übereinstimmte und ob des provokanten Verhalten des Vzlt A.A. habe er den Befehl erteilt, die Tauchfortbildung abzubrechen und in die Kaserne einzurücken. Der Disziplinarbeschuldigte verweigerte dies und forderte die schriftliche Ausfertigung dieses Befehles. Dieser Forderung kam er (BKdt) nicht nach. Die beiden Zeugen OStv A.A. und StWm A.A. sollten die Situation und die Wortfolgen wahrgenommen haben. Vzlt A.A. sei in fachlicher Hinsicht ein durchaus äußerst kompetenter Mitarbeiter, leider habe er in sozialer Hinsicht starke Defizite.

20.      Der Zeuge OStv A.A., ein ZgKdt und N.N. Taucher vom N.N. in N.N., schilderte sehr ruhig und sachlich, dass die Diskussion zwischen Obst A.A. und Vzlt A.A. zwar emotional und durchaus laut geführt wurde, aber keiner der Beiden geschrien hätte. Die Wortfolge „Sie haben ja keine Eier“ habe er nicht wahrgenommen. Aus seiner Sicht sei eher der BKdt aufgebrachter gewesen, er habe sich über die ruhig vorgetragenen Aussagen des Vzlt A.A. gewundert, da dieser eher gefasster wirkte. Er sei aber nicht ständig direkt bei Obst A.A. und Vzlt A.A. im Gegensatz zu StWm A.A. gestanden.

21.      Der Zeuge StWm A.A. bestätigte, dass er während der Dienstaufsicht des Kdt N.N. ständig bei ihm gewesen sei, weil er als eingeteilter Sicherheitsoffizier für den Tauchgang verantwortlich zeichnete und in fachlicher Hinsicht Rede und Antwort stand. Er selbst hätte sich deshalb dem Kdt N.N. gegenüber anders verhalten, weil er sich nicht getraut hätte, mit dem BKdt so offen zu reden. Er hatte nicht den Eindruck, dass Vzlt A.A. den BKdt angeschrien hätte, die Diskussion sei schon laut geführt worden, aber nicht schreiend. Die Wortfolge „dreieinhalb Wochen noch, dann war es das“ hätte der Disziplinarbeschuldigte verwendet, dass er (A.A.) gesagt hätte „sie haben ja keine Eier“, habe er nicht gehört.

22.      Wm A.A. hielt als Zeuge seine Aussagen aufrecht, die er in den Niederschriften vom 08.06.2021 und 06.10.2021 getätigt hatte. Demnach habe Vzlt A.A. vor dem Kader des N.N. in seiner Kanzlei im Containerbau der N.N. Kaserne in der dritten Kalenderwoche 2021 über den Obst A.A. geschimpft und gesagt, als er von seiner Versetzung erfuhr, „Jetzt sind wir den Trottel endlich los“. Er könne den Zeitraum deshalb einschränken, weil er die Einheit Ende Jänner 2021 verlassen hatte. Während der Zeugenaussage von ihm und Wm A.A. war als Vertrauensperson ein Personalvertreter des N.N., OStv A.A., anwesend.

23.      Der Zeuge Wm A.A., der nach wie vor ein Untergebener des Vzlt A.A. ist (GrpKdt), wiederholte seine Aussage, die er in der Niederschrift vom 06.10.2021 zu Protokoll gegeben hatte. Er hätte ihm und anderen Kadersoldaten erzählt, dass er dem BKdt im Zuge der Dienstaufsicht verbal entgegengetreten sei und er zu ihm gesagt hätte, „drei Wochen noch, dann ist der Spuk vorbei“. Ebenso könne er sich an die Aussage erinnern, als bekannt wurde, dass der BKdt versetzt werden würde, „jetzt sind wir den Trottel endlich los“, auch wenn er den genauen Zeitpunkt nicht mehr wisse.

24.      In den Schlussworten führte der Herr Disziplinaranwalt beim BMLV (DiszAnw) aus, dass für ihn das Beweisverfahren klar ergeben habe, dass der Disziplinarbeschuldigte in allen drei Anschuldigungspunkten schuldhaft seine Dienstpflichten nach §§ 43a und 44 Abs 1 BDG 1979 verletzt hätte. Im Anschuldigungspunkt 1 und 2 hätte er es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, seine Dienstpflicht nach § 43a BDG 1979 vorsätzlich zu verletzen. Im Anschuldigungspunkt 2 würde zwar die Aussage des BKdt im Widerspruch zu den Zeugenaussagen und des Beschuldigten stehen, dass er die Wortfolge „sie haben ja keine Eier“ gebraucht hätte, es sei jedoch in freier Beweiswürdigung dem BKdt zu folgen. Unstrittig hätte der Disziplinarbeschuldigte gegenüber dem Kdt N.N. laut gesagt „dreieinhalb Wochen noch und dann war es das“ und hätte sich dann umgedreht und wäre gegangen. Ihm müsse klar sein, dass er als N.N. Kommandant Vorbildfunktion habe und derartige Aussagen das Betriebsklima belasten. Im Anschuldigungspunkt 3 hätte er gewusst, dass er die Tauchausbildung einzustellen gehabt hätte und unverzüglich in die Kaserne einrücken musste. Er missachtete diesen Befehl, der in rechtlicher Hinsicht als Weisung zu qualifizieren ist und verletzte somit vorsätzlich die Dienstpflicht zum Gehorsam, indem er die schriftliche Ausfertigung verlangte. Bei der Strafbemessung sei von der Schwere der Pflichtverletzung auszugehen, die im oberen Bereich anzusiedeln wäre, weil der Befehl und die korrespondierende Gehorsamspflicht zu den tragenden Säulen des Dienstbetriebes gehöre und dem „selektiven Gehorsam“ entschieden entgegenzutreten ist. Aus spezialpräventiven Gründen sei eine hohe Strafe notwendig, um Vzlt A.A. vor weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten, seine Zukunftsprognose sei zudem eine schlechte. Auch wären generalpräventive Aspekte zu berücksichtigen. Nach der Auflistung der Milderungsgründe der Unbescholtenheit und des Geständnisses der Gehorsamsverletzung hob er die mehrmalige Pflichtverletzung und die negative Vorbildwirkung als Kommandant hervor. Abschließend sei die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von 100% der Bemessungsgrundlage zu fordern.

25.      Der Herr Verteidiger betonte eingangs, dass er sich den rechtlichen Ausführungen des Herrn Disziplinaranwaltes hinsichtlich der vorsätzlichen Dienstpflichtverletzungen anschließen könne. Allerdings hätte das Beweisverfahren im Anschuldigungspunkt 3 (Gehorsam) ergeben, dass sich sein Mandant in einem Rechtsirrtum befunden hätte. Nunmehr sei er einsichtig und würde in Zukunft derartige Pflichtverletzungen unterlassen und die Befehle/Weisungen seiner Vorgesetzten befolgen. Im Anschuldigungspunkt 2 hätte aus seiner Sicht das Beweisverfahren aufgrund der Zeugenaussagen ergeben, dass er eben nicht zum BKdt gesagt hätte „sie haben ja keine Eier“. Ebenso hätte dieses ergeben, dass er nicht respektlos mit dem Kdt N.N. geschrien hätte, vielmehr habe das angespannte Verhältnis zu einem von beiden Seiten sehr emotionalen Gespräch geführt. Sein Mandant nehme die übereinstimmenden Aussagen der beiden Wachtmeister zum Anschuldigungspunkt 1 zur Kenntnis, auch wenn er sie glaublich nicht tätigte. Die Milderungsgründe hätte der Herr Disziplinaranwalt dargestellt, ergänzend wäre die fachliche Kompetenz zu berücksichtigen, die Obst A.A. angesprochen hätte und dass er mit dem neuen Kdt N.N. keine Probleme hätte. Im Anschuldigungspunkt 2 wäre ein Freispruch zu fällen und die geforderte Disziplinarstrafe von 100% der Bemessungsgrundlage (€ 3175.-) zu hoch.

26.      Vzlt A.A. führte in seinen Schlussworten aus, dass er einsehe, hinsichtlich der Pflicht zum Gehorsam Fehler begangen habe. Er werde in Zukunft die Befehle und Weisungen seiner Vorgesetzten befolgen. Er schließe sich den Ausführungen seines Verteidigers an.

27.      Der Senatsvorsitzende befragt am Ende der mündlichen Verhandlung die Parteien, ob die Aufnahme des Schallträgers wiedergegeben werden soll. Auf das Abspielen der Aufzeichnung wird verzichtet. Auf die Verlesung der Verhandlungsschrift wird von den Parteien verzichtet.

Der Disziplinarsenat hat erwogen:

Rechtliche Grundlagen in Bezug auf die Dienstpflichtverletzungen:

§ 43a BDG 1979 (Achtungsvoller Umgang; Mobbingverbot):

„Beamtinnen und Beamte haben als Vorgesetzte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und als Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ihren Vorgesetzten sowie einander mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen. Sie haben im Umgang mit ihren Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind“.

§ 44 BDG 1979 (Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten):

„Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.“

„Der Beamte kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.“

„Hält der Beamte eine Weisung eines Vorgesetzten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, so hat er, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt.“

§ 2 Abs. 1 HDG 2014: „Soldaten sind disziplinär zur Verantwortung zu ziehen wegen

1.   Verletzung der Ihnen im Präsenzstand auferlegten Pflichten oder 2. ...........“.

§ 3 Abs. 1 HDG 2014: „Ein Verdächtiger darf wegen einer Pflichtverletzung nur bestraft

werden, wenn gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde

1. innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, an dem die Pflichtverletzung einer für den Verdächtigen in Betracht kommenden Disziplinarbehörde zur Kenntnis gelangt ist, und

2. innerhalb von drei Jahren seit Beendigung der Pflichtverletzung.“

§ 62 Abs. 3 HDG 2014: „Das Verfahren ist …. einzustellen, wenn

1.       der Beschuldigte die ihm zu Last gelegte Pflichtverletzung nicht begangen hat oder

diese Pflichtverletzung nicht erwiesen werden kann oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen, oder

2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Pflichtverletzung darstellt, oder

3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder

4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken.“

Zur rechtlichen Würdigung:

Beweiswürdigung:

Zum Freispruch im Anschuldigungspunkt 2:

28.      Das Disziplinarrecht erfüllt eine Ordnungsfunktion. Es soll einer durch ein Dienstvergehen verursachten Störung des beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses mit dem Ziel begegnen, die Sauberkeit und die Leistungsfähigkeit des österreichischen Beamtentums zu erhalten und sein Ansehen zu wahren. (VwGH 14. 1. 1980 SlgNF 10.007 A).

Im Anschuldigungspunkt 2 konnte kein Schuldnachweis gegen den Disziplinarbeschuldigten geführt werden, dass eine unter § 43a BDG 1979 zu subsumierende Pflichtverletzung begangen wurde. Wiewohl in der mündlichen Verhandlung zutage trat, dass er zu seinem Vorgesetzten dem Bataillonskommandanten auf dessen baldige Versetzung anspielend, gesagt hatte: „Dreieinhalb Wochen noch aussitzen und dann war es das“ und sich danach umdrehte, um die Szene zu verlassen, konnte darin nicht wie im Einleitungsbeschluss in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 15.10.2021 die vorgeworfene Dienstpflichtverletzung nachgewiesen werden. Nicht zuletzt deswegen, weil die beiden Zeugen übereinstimmend und für den Senat sehr glaubhaft aussagten, dass sie die Wortfolge „sie haben ja keine Eier“ nicht gehört haben, blieb eben Aussage gegen Aussage im Raum stehen und es war ein Freispruch auszusprechen.

Zu den Schuldsprüchen in den Anschuldigungspunkten 1 und 3 (Spruchpunkte 1 und 2):

29.      Den unter Wahrheitspflicht stehenden Zeugen war zu folgen, dass Vzlt A.A. vor dem Kader des N.N. in seiner Kanzlei im Containerbau der N.N.-Kaserne in der dritten Kalenderwoche 2021 über den Bataillonskommandanten geschimpft und gesagt hatte, als er von seiner Versetzung erfuhr: „Jetzt sind wir den Trottel endlich los“.

30.      Wie der Disziplinarbeschuldigte letztlich selbst einsah, hätte er den Befehl die Ausbildung einzustellen und in die Kaserne einzurücken unverzüglich befolgen müssen, weil diese Weisung nicht rechtswidrig und deshalb kein Raum für eine Remonstration war. Der Rechtsirrtum war vorwerfbar, weil ein ausgebildeter Unteroffizier und N.N. Kommandant, der selbst Vorgesetzter ist, über die Bestimmung des § 44 BDG 1979 Kenntnis zu haben hat.

Zum Grad des Verschuldens:

31.      Im Spruchpunkt 1 hielt es der Disziplinarbeschuldigte ernstlich für möglich und fand sich damit ab, seine Dienstpflicht bezüglich respektvollem Umgang zu verletzen. Er handelte somit bedingt vorsätzlich. Im Spruchpunkt 2 wusste er vom Befehl, der in rechtlicher Hinsicht eine Weisung darstellt und handelte vorsätzlich.

Zur Strafbemessung:

32.      Die Strafe war vom erkennenden Senat im Sinne der nachstehenden Erwägungen gemäß

§ 6 HDG 2014 nach Maßgabe der im Strafgesetzbuch (§§ 32-35) festgelegten Gründe zu bemessen. Nach gewissenhafter Abwägung aller für bzw. wider den Beschuldigten sprechenden Umstände gelangte der erkennende Senat in der Frage der zu verhängenden Strafart und Strafhöhe angesichts der im Folgenden darzulegenden Überlegungen zu dem im Spruch ersichtlichen Ergebnis.

Grundlage für die Strafbemessung war die im Beweisverfahren zweifelsfrei erwiesene Schuld des Disziplinarbeschuldigten Vzlt A.A. durch die vorsätzliche Tatbegehung. Seine Dispositions- und Diskretionsfähigkeit stehen für den Senat wie oben ausgeführt außer Zweifel.

Die objektive Schwere der Pflichtverletzung ist im mittleren bis oberen Bereich einzustufen. Dies deshalb, weil der Schutzzweck der Norm dem ordentlichen Betriebsklima im Bundesheer und der Gehorsamspflicht ein hoher Stellenwert zukommt. Der Befehl/die Weisung und die daraus korrespondierende Gehorsamspflicht gehören zur tragenden Säule des Dienstbetriebes im öffentlichen Dienst, insbesondere im Bundesheer. Ihr kommt zentrale Bedeutung für die erfolgreiche Auftragserfüllung zu.

Ein Kommandant hat zudem durch Vorbild zu führen. Da der Befolgung von Weisungen ein nicht bloß geringer Stellenwert zukommt (VwGH 26.06.2012, 2011/09/0032), kann auch deren Missachtung nicht als Bagatelldelikt abgetan werden.

Spezialpräventive Gründe sind gegeben, weil dem korrekten Umgangston für einen geordneten Dienstbetrieb große Bedeutung zukommt und er vor gleichgelagerten Dienstpflichtverletzungen abzuhalten ist. Der Senat anerkennt sein letztlich doch erfolgtes Geständnis im Zusammenhang mit der Gehorsamsverletzung und ehrlich gemeinte Beteuerung, dass er in Zukunft die Befehle seiner Vorgesetzten befolgen wird und er sich im (vorwerfbaren) Rechtsirrtum befand.

Generalpräventive Gründe sind jedenfalls gegeben, da allen Soldaten vor Augen zu führen ist, dass derartige Pflichtverletzungen nicht geduldet werden. Ein Kommandant hat durch Vorbild zu führen. Das gezeigte Verhalten ist daher nicht hinzunehmen.

Straferschwerend wurde gewertet:

? Negative Vorbildwirkung als Kommandant (Anwesenheit von Untergebenen)

? Mehrere Pflichtverletzungen

Strafmildernd wurde gewertet:

?  Unbescholtenheit

?  sein Auftreten vor dem Disziplinarsenat

?  seine ausgezeichnete Dienstleistung als ZgKdt und daher auffallender Widerspruch

zwischen dienstlicher Leistung und Pflichtverletzung, wenn auch keine unbedingt positive Zukunftsprognose

?    Rechtsirrtum bei Verletzung der Gehorsamspflicht und letztlich Geständnis

Die Bemessungsgrundlage von € 3.175,10 errechnet sich aus dem Grundbezug
MU Gehaltsstufe 16 (€ 2.863,60), der Funktionszulage (€ 250,40) und der Truppendienstzulage (€ 61,10) des Disziplinarbeschuldigten im Monat Juni 2022 ohne Sonderzahlung.

Die ausgesprochene Geldstrafe in der Höhe von ca. 95 Prozent der Bemessungsgrundlage nach

§ 52 Abs. 3 HDG 2014 wurde vom Senat daher als tat- und schuldangemessen festgelegt, nicht zuletzt deshalb, weil die Milderungsgründe überwiegen und er ein ansonsten sehr guter Unteroffizier ist. Sie ist aber außerordentlich milde.

Er muss sich aber klar sein, dass bei weiteren einschlägigen Verhaltensweisen unverzüglich eine Dienstenthebung als Sicherungsmaßnahme zu verfügen sein wird und die Beendigung des Dienstverhältnisses die Folge sein könnte.

Vzlt A.A. möge die milde Bestrafung als Vertrauensvorschuss sehen, dass er in Zukunft derartige Dienstpflichtverletzungen unterlässt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2023
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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