TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/14 94/08/0263

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Veröffentlicht am 14.11.1995
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §67 Abs10;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des WB in H, vetreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 4. Oktober 1994, Zl. 3/01-12.921/9-1994, betreffend Beitragshaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteilgte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse, Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichtes des Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis vom 12. April 1994, Zlen. 93/08/0259 bis 0261, verwiesen.

Darin führte der Gerichtshof (soweit dies im vorliegenden Beschwerdefall noch von Bedeutung ist) aus, daß der Geschäftsführer einer GesmbH gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Beitragsverbindlichkeiten mit anderen Schulden auch dann verstoße, wenn die Mittel, die ihm bei oder nach Fälligkeit der in Haftung gezogenen Sozialversicherungsbeiträge für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, er aber (zumindest fahrlässig) diese Mittel auch nicht anteilig für die Behandlung aller (in einem näher genannten Sinn gleichzubehandelnder) Verbindlichkeiten verwende und dadurch die Beitragsschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt habe. In verfahrungsrechtlicher Hinsicht habe der Geschäftsführer unter Erstattung entsprechender Beweisanbote darzulegen, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, daß die Beitragsschulden rechtzeitig - zur Gänze oder zumindest anteilig - entrichtet worden seien. Dieses Vorbringen sei (nach einer allfälligen Aufforderung der Behörde zur Präzisierung und Konkretisierung) so zu erstatten, daß es der Behörde - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - die Möglichkeit gebe zu beurteilen, ob der Geschäftsführer ohne Verstoß gegen die ihm obliegende Gleichbehandlungspflicht vorgegangen sei und "ob und in welchem Ausmaß ihn deshalb eine Haftung trifft". Komme freilich der haftungspflichtige Geschäftsführer dieser Aufforderung nicht nach, so bleibe die Behörde zur Annahme berechtigt, daß er seiner Pflicht schuldhafter Weise nicht nachgekommen sei; dies mit der Konsequenz, daß ein solcher Geschäftsführer dann für die (von der Haftung betroffenen) Beitragsschulden zur Gänze hafte. Eine (zumindest teilweise) Haftung der damaligen Beschwerdeführer (neben dem nunmehrigen Beschwerdeführer die beiden anderen Geschäftsführer der Buchegger Pius Maschinenfabriksgesellschaft mbH, im folgenden B. GmbH) nach § 67 Abs. 10 ASVG habe aber - sachverhaltsbezogen, das heiße unter Bedachtnahme darauf, daß es lediglich um die Haftung für (nach Behauptung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in der Gegenschrift) am 11. Februar 1993 fällig gewordene Sozialversicherungsbeiträge für Jänner 1993 gehe - nur dann in einem Verstoß gegen die Verpflichtung der Geschäftsführer, trotz einer bestehenden Globalzession für die rechtzeitige Begleichung der Sozialversicherungsbeiträge Vorsorge zu treffen, ihren zureichenden Grund haben können, wenn der B. GmbH im Zeitraum zwischen dem 11. Februar 1993 und der Konkurseröffnung am 23. Februar 1993 Mittel zur Verfügung gestanden sein sollten, aus denen die Beschwerdeführer als Geschäftsführer aber nur wegen der genannten Behinderung die fälligen Sozialversicherungsbeiträge auch nicht anteilig hätten befriedigen können. In den fortgesetzten Verfahren werde die belangte Behörde den Beschwerdeführern somit Gelegenheit zu geben haben, bezogen auf den strittigen Zeitraum darzulegen und entsprechend unter Beweis zu stellen,

"welche Verbindlichkeiten der B. GmbH aushafteten, welche Mittel ihr (ungeachtet der bestehenden Globalzession) an sich zur Verfügung standen und welche Zahlungen für sie jeweils geleistet wurden. Mit Hilfe dieser von den Beschwerdeführern darzulegenden Berechnungsgrößen wird durch eine Gegenüberstellung des Verhältnisses der gesamten Verbindlichkeiten der Gesellschaft und der darauf von ihr oder für sie geleisteten Zahlungen einerseits mit den aushaftenden Beitragsverbindlichkeiten andererseits festgestellt werden können, ob die Beschwerdeführer dem ihnen obliegenden Gleichbehandlungsgebot entsprochen haben. Sollte eine solche Darlegung und ein entsprechender Nachweis konkreter, auf den genannten Zeitraum bezogener Berechnungsgrößen nicht erfolgen, so wäre die belangte Behörde freilich ohne weiteres zur Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung mit der Konsequenz einer Haftung der Beschwerdeführer für die gesamten offenen Beitragsverbindlichkeiten berechtigt."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch des Beschwerdeführers gegen den ihn betreffenden Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 13. Mai 1993 neuerlich keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Begründet wird diese Entscheidung wie folgt:

"Von der Einspruchsbehörde war nunmehr zu prüfen, ob der (B. GmbH) im Zeitraum zwischen dem 31.1.1993 und der Konkurseröffnung am 23.2.1993 Mittel zur Verfügung gestanden sein sollten, aus denen der (Beschwerdeführer als) Geschäftsführer aber nur wegen der Behinderung durch die Globalzession die fälligen Sozialversicherungsbeiträge auch nicht hätte anteilig befriedigen können. Hiezu wurde der (Beschwerdeführer) hieramts am 16.7.1994 aufgefordert. Dieser Beweispflicht, daß im Haftungszeitraum keine Mittel vorhanden waren, ist der (Beschwerdeführer) nur eingeschränkt nachgekommen, indem z.B. keinerlei Bewegungen aus der (Hand) Kassa der (B. GmbH) bekanntgegeben wurden. Aus dem Schriftsatz vom 18.7.1994 geht ein Guthaben per 16.2.1993 bei der Sparkasse Hallein in der Höhe von S 36.733,65 hervor. Die Verwendung dieses Guthabens ist aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich. Nichts zu gewinnen vermag der (Beschwerdeführer) mit den unter Punkt 7 obzitierten Schriftsatzes getätigten Ausführungen:

"Selbst wenn man allerdings davon ausginge, daß die Summe der vom Konto der CA-BV, Konto Nr. n1 im Zeitraum 11.2.1993 - 23.2.1993 durchgeführten Zahlungen im Gesamtbetrage von S 74.861,83 sozusagen aus liquiden Mitteln der Gemeinschuldnerin erfolgte und daher die Geschäftsführer dafür hätten Sorge tragen müssen, daß zumindest, bezogen auf diesen Gesamtbetrag, die Forderungen der Gebietskrankenkasse anteilsmäßig zu befriedigen gewesen wären, ergibt sich folgendes Bild:

Zum damaligen Zeitpunkt waren, wie bereits oben unter 1.

ausgeführt, Gesamtverbindlichkeiten von      S 67.070.682,--

gegeben, abzüglich Dienstnehmerforderungen,

die nur durch die Konkurseröffnung

entstanden sind,                           - S 13.189.914,--

fällige und zu befriedigende Forderungen

vor Konkurseröffnung daher                   S 53.880.768,--

Stellt man diese Forderungssumme den tatsächlich im fraglichen Zeitraum geleisteten Zahlungen von S 74.861,-- gegenüber, so zeigt sich, daß im fraglichen Zeitraum lediglich 0,001385 % der insgesamt zu befriedigenden Forderungen bezahlt worden sind.

Ginge man also davon aus, daß die Geschäftsführer verpflichtet gewesen wären, auch die Forderung der Gebietskrankenkasse anteilsmäßig zu befriedigen, so würde dies bedeuten, daß die Geschäftsführer verpflichtet gewesen wären, auf die offene Forderung der Gebietskrankenkasse von S 416.756,12 die genannten 0,00138 % zu leisten, was einen Betrag von rund S 580,-- entsprochen hätte."

Diese versuchte Verharmlosung ist nicht geeignet, von der Tatsache abzulenken, daß im Haftungszeitraum der (B. GmbH) Mittel zur Verfügung standen, aus denen Zahlungen geleistet worden sind. Daß es dem Geschäftsführer aufgrund der Behinderung (Globalzession) durch die Banken nicht möglich war, die fälligen Sozialversicherungsbeiträge zumindest anteilig zu befriedigen, setzt die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG nicht außer Kraft. Die sich aus der Judikatur zu den §§ 9, 80 BAO entwickelten Haftungsgrundsätze gem. § 67 Abs. 10 ASVG beruhen einerseits auf der Voraussetzung des Vorhandenseins von Mitteln bei der GesmbH im Haftungszeitraum, andererseits der Leistungen von Zahlungen an einzelne Gläubiger überhaupt oder in einem dem Gleichbehandlungsgebot widersprechenden Ausmaß. Das Erfordernis der faktischen Möglichkeit (bedingt durch die Globalzession) auf die Zahlungen Einfluß nehmen zu können, ist als weitere Voraussetzung für eine Haftung gem. § 67 Abs. 10 ASVG nicht vorgesehen.

Eine Gegenüberstellung des Verhältnisses der gesamten Verbindlichkeiten der (B. GmbH) und der darauf von ihr oder für sie geleisteten Zahlungen einerseits mit den aushaftenden Beitragsverbindlichkeiten andererseits ergab folgendes Bild:

Summe der Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung, die im übrigen in gleicher Höhe bereits am 11.2.1993 vorhanden waren, S 67.070.682,90. Dieser Betrag ist um die anläßlich der Konkurseröffnung entstandenen Dienstnehmerforderungen von S 13.189.914,-- zu vermindern, sodaß ein Restbetrag von S 53.880.768,90 verbleibt. Die im Haftungszeitraum geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge sind mit S 416.756,12 errechnet. Die für eine Beurteilung der (Un) Gleichbehandlung der Verbindlichkeiten maßgeblichen Hinweise sind, mangels Angaben über allfällige Kassaausgänge, nur am Konto n1 der Creditanstalt ersichtlich. Aus der Aufstellung der Kontostände und Bewegungen im Zeitraum vom 11.2.93 bis 23.2.1993 ist jedoch ersichtlich, daß trotz bestehender Globalzession im Haftungszeitraum an andere Gläubiger der (B. GmbH) noch insgesamt S 74.861,83 gezahlt worden sind.

Die übrigen Bankkonten weisen keine Ausgangsbewegungen auf. Da zu diesem Zeitraum an die Gebietskrankenkasse keinerlei Sozialversicherungsbeiträge, auch nicht in anteiliger Höhe, geleistet wurden, mußte somit von einer Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Gläubigern ausgegangen werden. Der Ordnung halber wird noch darauf hingewiesen, daß die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge für den Monat Januar 1993 nicht erst per 11.2.1993, sondern bereits mit 31.1.1993 gegeben war, da der 11. des jeweiligen Folgemonats lediglich das Ende der Zahlungsfrist darstellt. Festgehalten wird, daß es gemäß der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes trotz bestehender Globalzession zu den Pflichten eines Geschäftsführers einer GesmbH gehört, sich über Zahlungseingänge und Ausgänge in Kenntnis zu setzen. Unterläßt ein Geschäftsführer dies, so haftet er, unbeschadet der vorhandenen Globalzession, für sich daraus ergebende Versäumnisse. Zusammenfassend war somit festzustellen, daß der (Beschwerdeführer) einerseits seinen Verpflichtungem, als Geschäftsführer dafür Sorge zu tragen, daß die fälligen Sozialversicherungsbeiträge zeitgerecht abgeführt wurden, nicht nachgekommen ist, andererseits eine Ungleichbehandlung der Gläubiger nicht unterbunden hat durch Einwirkung auf die Globalzessionsbank. Dies ist dem (Beschwerdeführer) als Verschulden und die sich daraus ergebende Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG anzulasten. Der angefochtene Bescheid war somit wie dargelegt unter Bedachtnahme auf die eingangs zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.4.1994 als rechtens zu bestätigen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, für die obgenannten Sozialversicherungsbeiträge der B. GmbH nicht zur Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG herangezogen zu werden, verletzt erachtet. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt er unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides Nachstehendes vor: Er habe über Aufforderung der belangten Behörde mit Schreiben vom 18. Juli 1994 im Detail dargelegt, welche Schulden die B. GmbH im fraglichen Zeitraum vom 11. Februar bis 23. Februar 1993 gehabt habe und welche Zahlungen in diesem Zeitraum seitens der B. GmbH überhaupt geleistet worden seien. Im angefochtenen Bescheid seien diese Ziffern auch übernommen worden, sodaß feststehe, daß die B. GmbH im fraglichen Zeitraum Gesamtverbindlichkeiten von S 53.880.768,-- gehabt habe, auf welche Gesamtverbindlichkeiten im fraglichen Zeitraum insgesamt seitens der B. GmbH S 74.861,-- bezahlt worden seien. Durch die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen stehe ferner fest, daß im fraglichen Zeitraum über den tatsächlich bezahlten Betrag von S 74.861,-- hinaus der B. GmbH und auch dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer keinerlei Mittel zur Verfügung gestanden seien, aus denen Zahlungen hätten geleistet werden können. Der Umstand, daß weitere Mittel nicht vorhanden gewesen seien, gehe nicht darauf zurück, daß eine Globalzession zugunsten der finanzierenden Bank bestanden habe, sondern darauf, daß zum fraglichen Zeitpunkt auf den der B. GmbH zur Verfügung stehenden Konten keinerlei Habensalden ausgewiesen gewesen seien, aus denen Forderungen Dritter hätten beglichen werden können. Vergleiche man ferner die im fraglichen Zeitraum zwischen 11. Februar und 23. Februar 1993 auf den Konten der B. GmbH eingelangten Zahlungen mit jenen Zahlungen, die von den Konten geleistet worden seien, so zeige sich, daß Ein- und Ausgänge sich etwa die Waage gehalten hätten. Im Hinblick auf das Vorerkenntnis sei daher durch die vom Beschwerdeführer vorgelegten und angebotenen Beweismittel (insbesondere den Konkursakt der B. GmbH) nachgewiesen, daß er das ihm obliegende Gleichbehandlungsgebot aller Gläubiger in bezug auf die Sozialversicherungsbeiträge zwar sicherlich verletzt habe, weil er aus den ihm und der B. GmbH zur Verfügung stehenden Mitteln, nämlich dem genannten Betrag von S 74.861,--, die Forderung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ebenfalls hätte anteilsmäßig befriedigen müssen; bei einer solchen gleichmäßigen Befriedigung hätte er aber, wie im angefochtenen Bescheid festgestellt worden sei, nur 0,001385 % dieser Beiträge, sohin einen Betrag von S 580,-- bezahlen müssen, um dem Gleichbehandlungsgebot zu entsprechen. Die belangte Behörde habe trotz Übernahme aller dieser Ziffern jedoch ausgesprochen, daß "im Haftungszeitraum der GesmbH Mittel zur Verfügung standen, aus denen die Zahlungen geleistet worden sind." Eine Begründung zu dieser Feststellung sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, worin ein gravierender Begründungsmangel liege. Ein weiterer Verfahrensmangel liege darin, daß die belangte Behörde ausführe, der Beschwerdeführer sei seiner Beweispflicht dahingehend, daß im Haftungszeitraum keine Mittel vorhanden gewesen seien, nur teilweise nachgekommen, weil z.B. keinerlei Bewegungen aus der (Hand) Kasse der B. GmbH bekanntgegeben worden seien. Dazu gelte es zum einen festzuhalten, daß in der B. GmbH keine Handkasse vorhanden gewesen sei und auch keine Zahlungen seitens Dritter in die Kassa erfolgt seien. Schon aus der Natur des Betriebes (der B. GmbH) als Fabrikationsbetrieb ergebe sich, daß Kassazahlungen nicht erfolgt seien. Zum übrigen seien sämtliche Forderungen der B. GmbH an Dritte, wie bereits mehrfach erwähnt worden sei, durch Globalzessionen an die finanzierende Bank abgetreten worden, woraus sich ebenfalls ergebe, daß Dritte selbstverständlich aufgrund dieser Zession Zahlungen nur an die Bank hätten leisten können. Unabhängig davon wäre die belangte Behörde aber verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer aufzufordern, ein Kassabuch vorzulegen, wenn sie die Meinung vertrete, daß die Vorlage dieses Kassabuches für die Beurteilung wesentlich sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie (unter anderem) ausführt, daß die Begründung (der Haftung des Beschwerdeführers für die offenen Sozialversicherungsbeiträge zur Gänze) in der aktenkundigen (vom Beschwerdeführer mehrfach selbst zitierten) Tatsache gelegen sei, daß Zahlungen von S 74.861,-- aus Mitteln der Gesellschaft an einzelne Gläubiger (aber nicht an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse) erfolgt seien. Das in der Begründung des angefochtenen Bescheides beispielsweise angeführte Fehlen des Nachweises von Bewegungen der (Hand) Kasse sei "keinefalls spruchbegründungsentscheidend" gewesen. Im übrigen entspreche das Vorhandensein einer (Hand) Kasse in jedem Unternehmen einer Erfahrung des täglichen Lebens. Schließlich stellten die Ausführungen des Beschwerdeführers selbst klar, daß ihm durchaus die schuldhafte rechtswidrige Ungleichbehandlung (der Sozialversicherungsbeiträge) bewußt gewesen sei.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete keine

Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde geht in der oben wiedergegebenen Bescheidbegründung abschließend davon aus, daß "im Haftungszeitraum" (unter dem sie in diesem Zusammenhang - entsprechend den Darlegungen im Vorerkenntnis - den Zeitraum vom 11. Februar bis 23. Februar 1993 versteht) Verbindlichkeiten der B. GmbH von S 53.880.768,90, davon Beitragsverbindlichkeiten für Jänner 1993 von S 416.756,12, bestanden hätten, an andere Gläubiger (als die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse) aber (abgesehen von allfälligen Kassaausgängen, was aber - nach der Gegenschrift - nicht "spruchbegründungsentscheidend" gewesen sei) trotz der bestehenden Globalzession noch insgesamt S 74.861,83 gezahlt worden seien. Dies bewertet die belangte Behörde als eine Ungleichbehandlung der Sozialversicherungsverbindlichkeiten gegenüber anderen Schulden der B. GmbH und stützt einerseits auf die Nichtunterbindung einer solchen Ungleichbehandlung durch Einwirkung auf die Globalzessionsbank seitens des Beschwerdeführers und andererseits darauf, daß der Beschwerdeführer seinen Verpflichtungen als Geschäftsführer, dafür zu sorgen, daß die fälligen Sozialversicherungsbeiträge zeitgerecht abgeführt würden, nicht nachgekommen sei, sein Verschulden und die sich daraus ergebende Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für die offenen Beitragsverbindlichkeiten zur Gänze.

Diese rechtliche Bewertung widerspricht - in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen - den Darlegungen im Vorerkenntnis. Bei einer Bewertung der getroffenen Feststellungen nach diesen Darlegungen haftete der Beschwerdeführer nämlich nicht für die gesamten offenen Beitragsverbindlichkeiten, sondern nur im Verhältnis der gesamten festgestellten Verbindlichkeiten der B. GmbH von S 53.880.768,90 und der darauf von ihr oder für sie (aus den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln) geleisteten Zahlungen in der festgestellten Höhe von S 71.861,83 einerseits mit den aushaftenden Beitragsverbindlichkeiten in der Höhe von S 416.756,12 andererseits, demnach - in Übereinstimmung mit dem (von der belangten Behörde unverständlicherweise als "versuchte Verharmlosung" bezeichneten) Vorbringen des Beschwerdeführers im Schriftsatz vom 18. Juli 1994 - nur mit maximal S 580,--. Eine Haftung zur Gänze schiede aus, weil die belangte Behörde bei ihren Feststellungen und der darauf gestützten rechtlichen Bewertung ohnedies von den Darlegungen und Nachweisen des Beschwerdeführers im genannten Schriftsatz ausgeht.

Gegen die der rechtlichen Bewertung der belangten Behörde zugrundeliegenden (insofern auf die Darlegungen des Beschwerdeführers im obgenannten Schriftsatz gestützten) Feststellungen der belangten Behörde bestehen aber nachstehende Bedenken:

Nach den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen gingen im Zeitraum vom 11. Februar bis 23. Februar 1993 auf die Konten der B. GmbH insgesamt S 1.237.635,81 und DM 22.979,06 ein, aus denen nicht nur von der Creditanstalt-Bankverein aus dem Konto n1 die mehrfach genannten S 74.861,83 an Zahlungen geleistet wurden; es wurden vielmehr, wie ein Vergleich der Kontostände der einzelnen Konten der B. GmbH zu Beginn und zum Ende dieses Zeitraumes erweist, Verbindlichkeiten von insgesamt S 1.200.902,16 und DM 22.979,06 abgedeckt: So wurden aus den Eingängen auf das eben genannte Konto der CA-BV in der Höhe von S 100.581,32 die mehrfach genannten S 74.861,83 bezahlt und S 25.719,49 ebenso zur teilweisen Erfüllung von Verbindlichkeiten der CA-BV wie die Eingänge auf das Konto der CA-BV n1/DM in der Höhe von DM 10.930,-- und auf das Konto der Giro-Kredit n2 DM von DM 12.049,06 zur teilweisen Erfüllung von Verbindlichkeiten dieser Kreditinstitute verwendet; aus den Eingängen auf das Konto der B. GmbH bei der Giro-Kredit n3 von S 1.091.476,49 S 84 wurden für Bankspesen von S 84, gezahlt und der Rest zur teilweisen Erfüllung von Verbindlichkeiten der B. GmbH bei der Giro-Kredit und aus den Eingängen auf das Konto der B. GmbH bei der Sparkasse H n4 von S 45.578,-- S 8.844,35 zur Abdeckung von Verbindlichkeiten der B. GmbH bei dieser Sparkasse verwendet. Demgemäß wäre aber der Haftungsbetrag des Beschwerdeführers (sofern, was aus der Aktenlage allerdings nicht ersichtlich ist, nicht Gründe für die vorzugsweise Befriedigung anderer Gläubiger vorlagen) nicht nur mit S 580,-- zu errechnen. (Auf das Sparkassenguthaben im Betrag von S 36.733,65 kommt es allerdings im vorliegenden Zusammenhang nicht an, weil und insofern daraus nach der Aktenlage im Haftungszeitraum keine Zahlungen geleistet wurden.) Diesbezüglich wird die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im fortgesetzten Verfahren Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben haben.

Unabhängig davon hat aber die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrem (dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde nicht zur Kenntnis gebrachten) Schriftsatz vom 9. August 1994 die Interpretation ihres Vorbringens in der Gegenschrift im seinerzeitigen Beschwerdeverfahren bestritten und behauptet, daß die strittigen Beitragsverbindlichkeiten der B. GmbH für Jänner 1993 bereits am 31. Jänner 1993 fällig geworden seien und daher der maßgebliche Zeitraum jener vom 1. Jänner bis 23. Februar 1993 sei. (Dies wurde dem Beschwerdeführer im übrigen auch nicht, wie der erste Satz der oben wiedergegebenen Bescheidbegründung und das Eingangswort des zweiten Satzes "hiezu" vermuten ließe, im Schreiben der belangten Behörde vom 16. Juli 1994 mitgeteilt.) Sollte dies der Fall sein, so wäre der Beschwerdeführer im Sinne des Vorerkenntnisses zu konkreten Darlegungen und Beweisanboten betreffend diesen neuen Haftungszeitraum aufzufordern und es wäre entsprechend diesen Darlegungen und Beweisanboten im Sinne des Vorerkenntnisses und der obigen Darlegungen in diesem Erkenntnis seine (anteilige) Haftung zu ermitteln. Dabei wird dem Beschwerdeführer auch Gelegenheit zu geben sein, zur strittigen Frage allfälliger Ein- und Ausgänge aus einer Handkassa Stellung zu nehmen.

Da die belangte Behörde aber - nach den obigen Ausführungen - schon bei der rechtlichen Bewertung ihrer Feststellungen gegen die rechtlichen Darlegungen im Vorerkenntnis verstoßen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 (iVm § 63 Abs. 1) VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994, allerdings begrenzt durch das (den in dieser Verordnung festgelegten Pauschalsatz unterschreitende) Begehren des Beschwerdeführers.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994080263.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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