Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AlVG 1977 §56 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/08/0292Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, in den Beschwerdesachen der J in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in D, gegen die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Begründung
Aus den Beschwerden und den mit ihnen vorgelegten Fotokopien der Bescheide des Arbeitsamtes Deutschlandsberg vom 11. April 1994 und der dagegen von der Beschwerdeführerin an das Landesarbeitsamt Steiermark erhobenen Berufungen vom 26. April 1994 ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Mit den genannten Bescheiden stellte das Arbeitsamt Deutschlandsberg die der Beschwerdeführerin gewährte Notstandshilfe mangels Notlage ab 1. Dezember 1991 bzw. ab 1. Februar 1990 gemäß § 33 Abs. 2 lit. c iVm den §§ 38 und 24 Abs. 1 AlVG und § 2 der Notstandshilfe-Verordnung ein.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen die obgenannten, mit 26. April 1994 datierten Berufungen an das Landesarbeitsamt Steiermark, über die - dem Vorbringen in den beiden Säumnisbeschwerden zufolge - zunächst diese Behörde bzw. später (nach Inkrafttreten der diesbezüglichen Bestimmungen des Arbeitsmarktservicegesetzes-AMSG, BGBl. Nr. 313/1994, und des Arbeitsmarktservice-Begleitgesetzes, AMS-BegleitG, BGBl. Nr. 314/1994) die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark bis jetzt nicht entschieden habe. Devolutionsanträge (an den Bundesminister für Arbeit und Soziales) seien nicht möglich, weil die belangte Behörde in den Angelegenheiten der Notstandshilfe letzte Instanz sei. Es würden daher gemäß Art. 132 B-VG die Anträge gestellt, daß der Verwaltungsgerichtshof über die Berufungen der Beschwerdeführerin in der Sache selbst erkenne und der Beschwerdeführerin die Notstandshilfe (zur Zl. 95/08/0291) ab 1. Dezember 1991 bzw. (zur Zl. 95/08/0292) ab 1. Februar 1990 weiter gewähre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbunden und darüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch Verwaltungsbehörden erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.
Gemäß § 27 VwGG kann eine Säumnisbeschwerde nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.
Nach der (gemäß Art. II Abs. 2 Z. 41 EGVG 1991 idF des Art. 17 des AMS-BegleitG auf die Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und die regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice anwendbaren) Bestimmung des § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG über ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen.
"Sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. die zu Verfahren nach dem AlVG ergangenen Beschlüsse vom 19. Februar 1987, Zl. 87/08/0012, und vom 17. Dezember 1991, Zlen. 91/08/0162, 0171) in jedem Fall die Berufungsbehörde, darüber hinaus aber auch jede sonstige Behörde, die - bei Ausschluß eines ordentlichen Rechtsmittels - durch Ausübung des Weisungs- oder Aufsichtsrechtes den Inhalt der unterbliebenen Entscheidung hätte bestimmen können. Ob eine Behörde "Oberbehörde" ist, richtet sich nur nach der Rechtslage, die in bezug auf das konkret gestellte und unerledigt gebliebene Sachbegehren gegeben ist. Eine Beschränkung des Instanzenzuges hindert nicht den Übergang der Zuständigkeit im Devolutionsweg. Sie hindert nur die Anfechtung von Bescheiden im Rechtsmittelverfahren.
Demnach steht einer Partei in Angelegenheiten der Notstandshilfe trotz des Umstandes, daß der Instanzenzug gemäß den §§ 56 Abs. 1 und 58 AlVG idF des Art. 6 des AMS-BegleitG bei der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice endet, im Hinblick auf das dem Bundesminister für Arbeit und Soziales nach § 58 Abs. 1 AMSG zustehende Weisungsrecht dennoch das Recht zu, den Übergang der Entscheidungspflicht an den genannten Bundesminister zu verlangen (vgl. zur früheren Rechtslage, die sich insofern nicht geändert hat, die obzitierten Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes).
Die vorliegenden Beschwerden waren daher - mangels vorheriger Anrufung des Bundesministers für Arbeit und Soziales - ohne weiteres Verfahren als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
Allgemein (auch gemeinsame Rechtssätze mit AVG §68 Abs3 und Abs4) Anrufung der obersten Behörde Besondere Rechtsgebiete Diverses Zuständigkeit InstanzenzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995080291.X00Im RIS seit
18.10.2001