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E1E;Norm
11992E005 EGV Art5;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 95/13/0102 E 15. November 1995 95/13/0103 E 15. November 1995Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der Ö-GmbH in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. September 1994, Zl. GA 6/2-KVZO741/94-05, betreffend Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 1994 und die Folgejahre, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden der Beschwerdeführerin gegenüber im Instanzenzug gemäß § 24 Abs. 4 KStG 1988 in der Fassung BGBl. Nr. 680/1994 Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 1994 und die Folgejahre im Betrage von S 15.000,-- festgesetzt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit seinem Beschluß vom 27. Februar 1995, B 2415/94 ff, abgelehnt und sie über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Vor diesem Gerichtshof begehrt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes mit der Erklärung, sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf richtige Anwendung der Bestimmungen des Körperschaftsteuergesetzes 1988, in ihrem Recht auf Anwendung der Bestimmungen des Europäischen Gemeinschaftsrechtes und in ihrem Recht darauf als verletzt anzusehen, daß der angefochtene Bescheid den im § 288 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 198 Abs. 2 BAO vorgeschriebenen Mindestinhalt aufweist.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die mit "Erhebung der Steuer" überschriebene Bestimmung des § 24 KStG 1988 hat in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 694/1993 folgenden Wortlaut:
"§ 24. (1) Die Körperschaftsteuer wird nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen oder dem Gesamtbetrag der Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger im Sinne des § 21 Abs. 1 und 3 veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat.
(2) Die Körperschaftsteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, gilt bei beschränkt Steuerpflichtigen durch den Steuerabzug als abgegolten, außer es ergibt sich aus den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1988, daß eine Veranlagung zu erfolgen hat.
(3) Die Vorschriften des Einkommensteuergeseztes 1988 über die Veranlagung und die Entrichtung der Steuer sind entsprechend anzuwenden."
Durch Art. IV Z. 4. des Abgabenänderungsgesetzes 1994, BGBl. Nr. 680, wurde der Bestimmung des § 24 KStG 1988 ein zufolge Art. IV Z. 5. des genannten Abgabenänderungsgesetzes erstmals für das Kalenderjahr 1994 anzuwendender vierter Absatz - die zunächst durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 818/1993 vorgesehene Regelung ersetzend - angefügt, welcher folgenden Wortlaut hat:
"(4) Unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften - ausgenommen Organgesellschaften im Sinne des § 9 Abs. 2 - haben für jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht eine Mindeststeuer von S 3.750,-- zu entrichten. Die Mindeststeuer ist in dem Umfang, in dem sie die tatsächliche Körperschaftsteuerschuld übersteigt, wie eine Vorauszahlung im Sinne des § 45 des Einkommensteuergesetzes 1988 im Ausmaß einer im Veranlagungszeitraum oder in den folgenden sieben Veranlagungszeiträumen entstehenden tatsächlichen Körperschaftsteuerschuld insoweit anzurechnen, als die tatsächliche Körperschaftsteuerschuld die sich nach dem ersten Satz für diesen Veranlagungszeitraum ergebende Mindeststeuer übersteigt."
Die Beschwerdeführerin spricht der Bestimmung des § 24 Abs. 4 KStG 1988 die Eignung ab, einen Steuertatbestand zu schaffen. Diese Norm habe lediglich die Form der Erhebung der Körperschaftsteuer zum Regelungsgegenstand, ohne daß auf sie ein staatlicher Abgabenanspruch an Körperschaftsteuer gestützt werden könne. Eine Körperschaftsteuerpflicht könne vielmehr nur auf jene Bestimmungen des Körperschaftsteuergesetzes 1988 gegründet werden, welche die Steuerpflicht normieren. Nach diesen Normen könne eine Körperschaftsteuerpflicht der Beschwerdeführerin nicht entstanden sein, weil diese den körperschaftsteuerlichen Abgabentatbestand der Erzielung eines der Körperschaftsteuer unterliegenden Einkommens nicht verwirklicht habe, was sowohl im Jahre 1994 der Fall gewesen als auch für die Folgejahr zu erwarten sei.
Mit diesen Ausführungen argumentiert die Beschwerdeführerin am klaren Wortlaut der Bestimmung des § 24 Abs. 4 KStG 1988 vorbei. Daß sich diese Vorschrift gesetzessystematisch innerhalb der Normen des Körperschaftsteuergesetzes 1988 in eine Regelung eingebettet findet, die nicht nur mit "Erhebung der Steuer" überschrieben ist, sondern im Umfang der ersten drei Absätze des § 24 KStG 1988 auch inhaltlich die Modalitäten der Steuererhebung zum Gegenstand hat, ändert nichts daran, daß mit der betroffenen Bestimmung eine von der Verwirklichung der von der Beschwerdeführerin genannten Körperschaftsteuertatbestände unabhängige Verpflichtung normiert wurde, eine wie eine Vorauszahlung im Sinne des § 45 EStG 1988 zu behandelnde Mindeststeuer im festgelegten Ausmaß zu entrichten. Insoweit die in der genannten Vorschrift geschaffene Anrechnungsregelung bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft zum Tragen kommt, wirkt sich § 24 Abs. 4 KStG 1988 ohnehin lediglich als Vorschrift über die Steuererhebung aus. Für solche unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften aber, denen die Auswirkung der Anrechnungsregelung der Norm mangels Entstehens einer tatsächlichen Körperschaftsteuerschuld im Veranlagungszeitraum oder in den folgenden sieben Veranlagungszeiträumen nicht zugute kommt, hat die Bestimmung des § 24 Abs. 4 KStG 1988 tatsächlich im Ergebnis einen Steuertatbestand sui generis geschaffen. Die systematische Anordnung eines in diesem Umfang geschaffenen Steuertatbestandes innerhalb einer Steuererhebungsvorschrift ist kein Umstand, der es erlaubte, diese Norm entgegen der klaren Anordnung ihres Wortlautes dahin zu interpretieren, daß die Entrichtung der vorgeschriebenen Mindeststeuer die Erzielung eines körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens voraussetzen würde. Daß die Beschwerdeführerin keine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft im Sinne des § 1 KStG 1988 wäre, behauptet sie zutreffend nicht. Die Eigenschaft der Beschwerdeführerin aber als unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft hat die Tatbestandsvoraussetzungen verwirklicht, an welche die Bestimmung des § 24 Abs. 4 KStG 1988 die Verpflichtung zur Entrichtung der dort genannten Mindeststeuer als Rechtsfolge allein geknüpft hat.
Die Beschwerdeführerin erachtet den angefochtenen Bescheid als rechtswidrig ferner mit der Begründung, daß Art. 10 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Juli 1969, 69/335/EWG, eine Besteuerung des von der belangten Behörde besteuerten Tatbestandes nicht erlaube. Der angefochtene Bescheid wirke durch die Festsetzung der Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer nicht nur für 1994, sondern auch für die Folgejahre auf einen Zeitraum fort, währenddessen angesichts des Inkrafttretens des EU-Beitrittsvertrages mit dem 1. Jänner 1995 die vorgenommene Besteuerung gegen Gemeinschaftsrecht verstoße. Auch dieser Einwand ist nicht geeignet, der Beschwerde zu einem Erfolg zu verhelfen.
Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, ist der EU-Beitrittsvertrag, BGBl. Nr. 45/1995, mit 1. Jänner 1995 in Kraft getreten. Damit konnte aber der im Jahre 1994 erlassene angefochtene Bescheid aus dem Grunde eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht nicht rechtswidrig sein. Prüfungsmaßstab eines vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides ist seine Übereinstimmung mit der zur Zeit der Bescheiderlassung in Geltung gestandenen Rechtslage (vgl. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 142, ebenso wie die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 564, 3. und 5. Absatz, wiedergegebene hg. Judikatur). Die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung war es, von welcher die belangte Behörde auszugehen hatte (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Tz 11 zu § 289 BAO). Daß der angefochtene Bescheid durch die Festsetzung der Mindeststeuer nicht nur für das Jahr 1994, sondern auch für die Folgejahre Rechtswirkungen auch für Zeiträume entfaltet, für die vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht auszugehen ist, trifft zu und ist die Folge der auf die Bestimmung des § 45 EStG 1988 verweisenden Regelung des § 24 Abs. 4 KStG 1988 im Umfang seines Regelungsinhaltes als Vorschrift über die Erhebung der Steuer. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, daß es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt ist, aus dem Grunde eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht einen Bescheid als rechtswidrig aufzuheben, der zu einem Zeitpunkt erlassen worden ist, zu welchem dieses Gemeinschaftsrecht noch nicht anzuwenden war. Es erübrigt sich daher, in eine Untersuchung der Frage einzutreten, ob der angefochtene Bescheid der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Juli 1969, 69/335/EWG, tatsächlich widerspricht. Der Anregung der Beschwerdeführerin, über die Auslegung der genannten Richtlinie gemäß Art. 177 EWG-Vertrag eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes einzuholen, konnte der Verwaltungsgerichtshof nach Lage des Beschwerdefalles deswegen nicht nachkommen, weil die Frage der Auslegung der von der Beschwerdeführerin genannten Richtlinie nach den dargestellten Erwägungen zum Erlaß des vom Verwaltungsgerichtshof zu fällenden Erkenntnisses nicht erforderlich im Sinne des Art. 177 EWG-Vertrag sein konnte.
Soweit die Beschwerdeführerin schließlich die Aufnahme der im § 198 Abs. 2 BAO vorgeschriebenen Spruchbestandteile eines Abgabenbescheides in den Bescheid der belangten Behörde vermißt, zeigt dieses Vorbringen deswegen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil bei vollinhaltlicher Abweisung der Berufung ohne Abänderung der Abgabenfestsetzung die im erstinstanzlichen Bescheid vorgenommene Abgabenfestsetzung im Spruch der Berufungsentscheidung nicht wiederholt werden muß (vgl. die bei Ritz, a.a.O., Tz 2 zu § 288 BAO wiedergegebene Judikatur, ebenso wie etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 1994, 94/13/0213). Aus den von der Beschwerdeführerin genannten Literaturhinweisen ergibt sich nichts Abweichendes. Daß der erstinstanzliche Bescheid den im § 198 Abs. 2 BAO vorgeschriebenen Inhalt nicht aufgewiesen hätte, behauptet die Beschwerdeführerin nicht.
Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage RechtsquellenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995130101.X00Im RIS seit
07.06.2001