Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
EStG 1972 §3 Z19;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der E-KG in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 3. August 1992, Zl. GA 5 - 1538/92, betreffend Haftung für Lohnsteuer und Festsetzung von Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für den Zeitraum 1986 bis 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 12.950 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Steuerberatungsgesellschaft, führte als Dienstgeberin im April 1988 für ihre Dienstnehmer einen Betriebsausflug nach Amsterdam durch. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Haftungsbescheid schrieb die belangte Behörde der Beschwerdeführerin für die dadurch den Dienstnehmern zugeflossenen Sachbezüge insoweit Lohnsteuer vor, als diese pro Dienstnehmer den Betrag von 2.550 S überstiegen. Zur Begründung ergibt sich aus dem Bescheid, die Beschwerdeführerin habe für den Betriebsausflug 9.747,75 S pro Dienstnehmer aufgewendet. Gemäß § 3 Z. 19 EStG 1972 seien die Kosten der Teilnahme an Betriebsveranstaltungen und die hiefür empfangenen Sachzuwendungen insoweit steuerfrei, als das herkömmliche Ausmaß nicht überstiegen werde. Gestützt auf das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 1983, 82/14/0126, 0132, ging die belangte Behörde davon aus, das herkömmliche Ausmaß für Betriebsausflüge (einer Notariatskanzlei) sei im Jahre 1979 mit 1.700 S durchaus richtig angenommen worden. Rechne man die (für eine durchaus vergleichbare "Firma") angenommenen 1.700 S aus dem Jahr 1979 mit dem Verbraucherpreisindex auf das Jahr 1988 hoch, so komme man zu einem Betrag von 2.424 S. Das Finanzamt habe daher dadurch, daß es pro Dienstnehmer 2.550 S steuerfrei belassen habe, entsprechend der zu § 3 Z. 19 EStG 1972 ergangenen Rechtsprechung entschieden. Die Beschwerdeführerin habe eingewendet, sie führe Betriebsausflüge nicht jährlich, sondern in Abständen von drei bis fünf Jahren durch; unter diesen Voraussetzungen sei das herkömmliche Ausmaß der Betriebsveranstaltung mit einem Vielfachen des für jährliche Betriebsveranstaltungen als üblich anzusehenden Betrages anzusetzen. Dem halte die belangte Behörde entgegen, daß das EStG das jährliche Einkommen der Besteuerung unterziehe. Der Sachbezug (Betriebsausflug) sei den Dienstnehmern im Jahr 1988 zugeflossen. Er sei daher im Jahr 1988 zu besteuern, wobei nur die Steuerbefreiungen dieses Jahres berücksichtigt werde könnten. Es sei nicht möglich, Steuerbefreiungen vergangener Jahre nachzuholen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin bringt im wesentlichen vor, im gegenständlichen Fall sei die "Durchschnittsberechnung" für die Ermittlung des herkömmlichen Ausmaßes eines Betriebsausfluges nicht angestellt bzw im angefochtenen Bescheid nicht dargestellt worden. Auch habe die belangte Behörde die innerbetrieblichen Veranstaltungsperioden nicht berücksichtigt. Die Beschwerdeführerin führe Betriebsausflüge in größeren zeitlichen Abständen (drei bis fünf Jahre) durch. Für die steuerliche Berücksichtigung erscheine es aufkommensneutral, jährlich kleinere Betriebsausflüge zu machen und dabei bis zu 2.550 S pro Jahr steuerfrei für den Dienstnehmer aufzuwenden oder alle drei bis fünf Jahre für einen Betriebsausflug ca. 10.000 S pro Dienstnehmer aufzuwenden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Z. 19 EStG 1972 sind von der Einkommensteuer befreit die Teilnahme an Betriebsveranstaltungen und die hiebei empfangenen üblichen Sachzuwendungen, soweit deren Kosten das herkömmliche Ausmaß nicht übersteigen (zum Beispiel Betriebsausflüge, kulturelle Veranstaltungen, Betriebsfeiern).
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu der genannten Bestimmung im Erkenntnis vom 16. Juni 1976, 1859/75, ausgesprochen, das "herkömmliche Ausmaß" der Kosten müsse ein für die verschiedenen möglicherweise auftretenden praktischen Fälle variables sein. Dieses variable Ausmaß sei danach zu beurteilen, um welche Art von Betriebsveranstaltung es sich handle und bis zu welchem Ausmaß pro Beschäftigten üblicherweise Kosten unter den Gesichtspunkten der Art des Betriebes, der Größe des Betriebes und insbesondere der durch den Grad der Vorbildung bestimmten Qualifikation der Beschäftigten aufgewendet würden. Zum Zwecke der Ermittlung des "herkömmlichen Ausmaßes" seien die Verhältnisse bei Betrieben heranzuziehen, die Betriebsveranstaltungen vergleichbarer Art überhaupt durchführen und bei denen die in bezug auf diese Betriebsveranstaltungen maßgebenden Verhältnisse denen beim Steuerpflichtigen ähnlich seien (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 15. Februar 1983, 82/14/0126, 0132). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof durch den gegenständlichen Fall nicht veranlaßt.
Da das "herkömmliche Ausmaß" ein für die verschiedenen möglicherweise auftretenden praktischen Fälle variables ist, hätte die belangte Behörde erheben müssen, ob es vergleichbare Betriebe gibt, die die Durchführung von Betriebsausflügen in einem mehrjährigen Turnus praktizieren, und gegebenenfalls aus dem Vergleich mit diesen Betrieben das "herkömmliche Ausmaß" ableiten müssen. Nur wenn sich ergibt, daß eine derartige Praxis nicht verbreitet ist, wäre der Vergleich zu Betrieben mit jährlichen Betriebsausflügen anzustellen.
Die belangte Behörde hat, weil sie die Rechtslage verkannt hat, die erforderlichen Ermittlungen nicht angestellt. Es geht nämlich im gegenständlichen Fall nicht darum, ob eine in Vorjahren nicht konsumierte Steuerbegünstigung nachgeholt wird, sondern darum, ob der im Jahr 1988 durchführte Betriebsausflug das "herkömmliche Ausmaß" (uU für in mehrjährigem Turnus durchgeführte Betriebsausflüge) überschritten hat. Die belangte Behörde hat somit den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Ob im angefochtenen Bescheid ausreichend nachvollziehbar dargestellt ist, aus welchen Gründen die belangte Behörde annehme, daß der von ihr angesetzte Betrag von 2.550 S das "herkömmliche Ausmaß" an Kosten für jährliche Betriebsausflüge bei dem Betrieb des Beschwerdeführers vergleichbare Unternehmungen darstellt, kann daher dahingestellt bleiben. Für das fortgesetzte Verfahren sei aber auf folgendes hingewiesen: Der Verwaltungsgerichtshof hat es zwar im Erkenntnis vom 15. Februar 1983, 82/14/0126, 0132, nicht als rechtswidrig angesehen, daß die Behörde für den strittigen Zeitraum nicht "neuerliche subtile Ermittlungen" zur Feststellung des "herkömmlichen Ausmaßes" angestellt hat, sondern für die Jahre 1976 bis 1979 einen hinsichtlich des Zeitraumes 1970 bis 1973 festgestellten Wert erheblich erhöht und dadurch dem gestiegenen Preisniveau Rechnung getragen hat. Aus diesem Erkenntnis ist aber - selbst unter der Annahme, daß der im angefochtenen Bescheid angeführte Wert von 1.700 S für den Betrieb der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Jahres 1979 das "herkömmliche Ausmaß darstellen sollte - nicht abzuleiten, daß das im gegenständlichen Fall maßgebliche "herkömmliche Ausmaß" durch Aufwertung mit einem Verbraucherpreisindex ermittelt werden kann. Hiezu bedürfte es nämlich jedenfalls der zusätzlichen Feststellung, daß sich das "herkömmliche Ausmaß" auch über einen längeren Zeitraum in etwa der gleichen Weise entwickelt hat wie der herangezogene Index.
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992130216.X00Im RIS seit
11.07.2001