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Auswertung in Arbeit!Norm
Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Bayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Prendinger, in der Revisionssache 1. des V M und 2. der Z A, beide vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 17. Februar 2022, L518 2221283-1/9E und L518 2221280-1/9E, betreffend jeweils Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Erstrevisionswerber ist ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, er ist mit der Zweitrevisionswerberin, einer Staatsangehörigen Armeniens verheiratet. Der Erst- und die Zweitrevisionswerberin sind Eltern einer minderjährigen Tochter, einer Staatsangehörigen Armeniens. Die Revisionswerber sind Angehörige der armenischen Volksgruppe und christlich-orthodoxen Glaubens.
2 Die Revisionswerber stellten am 3. September 2018 Anträge auf internationalen Schutz, die sie damit begründeten, dass der Erstrevisionswerber homosexuell sei und in keinem Land leben könne, in dem Homosexuelle gehasst würden. Die Zweitrevisionswerberin machte keine eigenen Fluchtgründe geltend.
3 Mit den Bescheiden je vom 6. März 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Revisionswerber sowie den Antrag der minderjährigen Tochter der Revisionswerber auf internationalen Schutz ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass die Abschiebung des Erstrevisionswerbers in die Russische Föderation sowie der Zweitrevisionswerberin und der minderjährigen Tochter der Revisionswerber nach Armenien zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
4 Mit den nunmehr angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen von den Revisionswerbern und ihrer minderjährigen Tochter erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach jeweils aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Dagegen erhoben die Revisionswerber sowie deren minderjährige Tochter Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 29. April 2022, E 1041-1043/2022-6 ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 31. Mai 2022 zu E 1041-1043/2022-8 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 In der Folge erhoben die Revisionswerber die gegenständlichen Revisionen.
7 Nach Vorlage der Revisionen samt den Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die Revisionen bringen zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht hätte hinsichtlich der sexuellen Orientierung des Erstrevisionswerbers, welche den Kern seines Fluchtvorbringens darstelle, eindeutige Feststellungen treffen müssen. Es sei den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht eindeutig zu entnehmen, ob der Erstrevisionswerber homosexuell sei. Es könne vor dem Hintergrund der in das Verfahren einbezogenen Länderberichte nicht ausgeschlossen werden, dass das Bundesverwaltungsgericht nach Vornahme der fehlenden Feststellungen zum Ergebnis gelangt wäre, dass der Erstrevisionswerber im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Ebenso fehle in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses jeglicher Bezug auf die vom Erstrevisionswerber geschilderten rassistischen Übergriffe.
12 Die Revisionen vermögen eine die tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts berührende Verkennung der Begründungspflicht (vgl. dazu etwa VwGH 24.6.2020, Ra 2019/20/0536, mwN) nicht aufzuzeigen. Aus einer Gesamtschau der getroffenen Feststellungen mit den beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich, dass das Bundesverwaltungsgericht dem Fluchtvorbringen des Erstrevisionswerbers, insbesondere seinen Angaben zu der von ihm behaupteten Homosexualität wie auch zu den gewaltsamen Übergriffen mit näherer Begründung keine Glaubwürdigkeit zumaß und auf Basis dieser Überlegungen nachvollziehbar zu dem Ergebnis kam, dass der Erstrevisionswerber bei seiner Rückkehr in sein Heimatland keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.
13 Vielmehr begegnen die Revisionen in ihrem Zulässigkeitsvorbringen den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in erster Linie damit, ihre eigene Beurteilung in mehreren Aspekten an die Stelle jener des Verwaltungsgerichts zu setzen.
14 Soweit sich die Revisionen der Sache nach damit gegen die beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts wenden und vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht habe seine Beweiswürdigung unschlüssig begründet, es hätte vor dem Hintergrund der Länderberichte von einer Glaubwürdigkeit der Verfolgung des Erstrevisionswerbers ausgehen müssen und habe die „SOGI-Richtlinien“ des UNHCR zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer vorgebrachten Homosexualität nicht berücksichtigt, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Bundesverwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 12.9.2022, Ra 2022/14/0219, mwN).
15 Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fluchtvorbringen des Erstrevisionswerbers unter mehreren Gesichtspunkten die Glaubwürdigkeit abgesprochen und im Rahmen seiner Erwägungen nachvollziehbar aufgezeigt, welche Aspekte nach Ansicht des Gerichts gegen eine dem Erstrevisionswerber in seinem Herkunftsstaat tatsächlich drohende Verfolgung sprechen. Diese Annahme stützte das Bundesverwaltungsgericht sowohl auf den in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck der Revisionswerber als auch auf zahlreiche Ungereimtheiten in den Aussagen des Erstrevisionswerbers zu seiner sexuellen Orientierung sowie auf Widersprüche zwischen seinen Angaben zu den Fluchtgründen. Das Bundesverwaltungsgericht schenkte - wie schon zuvor das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - dem Vorbringen der Revisionswerber zu den Gründen einer Verfolgung im Herkunftsstaat somit keinen Glauben. In den Revisionen finden sich keine tauglichen Ausführungen dazu, anhand welcher konkreten Umstände sich die Behauptungen des Revisionswerbers als zutreffend darstellen könnten.
16 Eine Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung im Rahmen des dargelegten Maßstabes für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zeigen die Revisionen mit ihren Ausführungen, die nur einzelne Aspekte der umfangreichen beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts herausgreifen, nicht auf. Die Revisionen zeigen - auch im Lichte der SOGI-Richtlinien des UNHCR - nicht auf, dass diese Beurteilung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leiden würde bzw. insgesamt unvertretbar wäre.
17 Vor diesem Hintergrund ist jeglichem weiteren, auf der Prämisse der Richtigkeit der eigenen sachverhaltsbezogenen Behauptungen gründenden Vorbringen - insbesondere zum Bestehen von auf dieser Prämisse aufbauenden weiteren Verfahrensmängeln, deren Relevanz sohin von vornherein auch nicht zu erkennen ist - der Boden entzogen.
18 Soweit die Revisionen in ihrer Zulässigkeitsbegründung letztlich die mangelnde Aktualität der Länderberichte rügen, machen sie einen Verfahrensmangel geltend, dessen Relevanz in konkreter Weise darzulegen ist (vgl. zu den Kriterien der Relevanzdarstellung VwGH 17.11.2022, Ra 2022/14/0288, mwN). Dem werden die Revisionen mit ihrem Vorbringen nicht gerecht, weil es auf die Frage, inwieweit eine direkte Flugverbindung von Österreich in die Russische Föderation besteht, in diesem Zusammenhang nicht ankommt.
19 In den Revisionen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 8. Februar 2023
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022140192.L00Im RIS seit
08.03.2023Zuletzt aktualisiert am
08.03.2023