TE Vwgh Beschluss 2023/2/9 Ra 2023/08/0008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.02.2023
beobachten
merken

Index

Auswertung in Arbeit!

Norm

Auswertung in Arbeit!

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der S GmbH in L, vertreten durch Dr. Felix Karl Vogl, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Bahnhofstraße 34/Top 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2022, I413 2224380-1/7E, I413 2234445-1/2E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse; mitbeteiligte Parteien: 1. E N in D; 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt Außenstelle Dornbirn in 6850 Dornbirn, Eisengasse 12, und 3. Pensionsversicherungsanstalt Landesstelle Vorarlberg in 6850 Dornbirn, Zollgasse 6; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer für die revisionswerbende Partei als Dienstgeberin in näher bezeichneten Zeiträumen in den Jahren 2013 bis 2017 der Pflichtversicherung in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.

2        In der Entscheidungsbegründung stellte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen fest, dass die revisionswerbende Partei eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Vorarlberg sei. Ihr Geschäftszweig laute auf „Transportunternehmen“. Sie führe im Auftrag von Speditionsunternehmen Frachtdienste in Form von fixen Touren bzw. Linien durch, indem sie Fracht von einem bestimmten Ort in Vorarlberg jeden Tag oder jede Nacht über eine bestimmte Route an einen bestimmten Ort und von dort wieder Fracht nach Vorarlberg transportiere.

3        Die revisionswerbende Partei habe mit dem Erstmitbeteiligten, einem bulgarischen Staatsangehörigen mit Hauptwohnsitz in Vorarlberg, vereinbart, dass dieser für sie Transporte auf den von ihr bedienten Linien durchführen solle. Der Erstmitbeteiligte habe zu diesem Zweck die Gesellschaft B (im Folgenden kurz: Gesellschaft) mit Sitz in Bulgarien gegründet. Diese Gesellschaft verfüge über eine internationale Transportlizenz. Der Erstmitbeteiligte und seine Gesellschaft verfügten weder über eine eigene technische Ausrüstung noch über eigene LKW. Daher habe der Erstmitbeteiligte mit der revisionswerbenden Partei vereinbart, dass er deren LKW zur Durchführung des Frachtverkehrs nutzen dürfe. Für die Durchführung der Fuhren sei ein bestimmter Pauschalsatz vereinbart worden, wobei eine Fuhre einem Tag entsprochen habe. Zur Abwicklung eines konkreten Auftrags habe die revisionswerbende Partei dem betreffenden Fahrer, auch dem Erstmitbeteiligten selbst, einen bestimmten LKW zugewiesen. Zudem habe er die nötigen Daten betreffend die Destination und die Zeiten der Fracht erhalten. Im Übrigen sei es dem Erstmitbeteiligten selbst überlassen gewesen, wie er die Fracht durchführe.

4        Die B sei eine Einpersonengesellschaft. Sie übe keine Tätigkeit aus, sondern sei eine reine Sitzgesellschaft. Ein dem Erstmitbeteiligten nicht namentlich bekannter, nach bulgarischem Gesellschaftsrecht obligatorischer „technischer Direktor“ sei in Bulgarien stundenweise für die Gesellschaft tätig, ebenso eine Buchhalterin.

5        Die Gesellschaft verfüge seit spätestens Anfang 2013 über einen eigenen, von der revisionswerbenden Partei übernommenen LKW, welcher regelmäßig am Firmengelände der revisionswerbenden Partei abgestellt werde. Er stamme aus dem Betriebsvermögen der revisionswerbenden Partei und sei der Gesellschaft im Rahmen eines als Mietkauf verstandenen Vertrages übergeben worden. Im Gegenzug habe die Gesellschaft der revisionswerbenden Partei für den LKW monatlich eine Rate von € 2.000,-- und für den Hänger von € 100,-- bezahlen müssen. Seit 2015 sei die Gesellschaft Eigentümerin des LKW. Die Betriebskosten, Reparaturen und sonstigen Auslagen für diesen LKW seien von der revisionswerbenden Partei bezahlt und dem Erstmitbeteiligten bzw. seiner Gesellschaft im Nachhinein vom Auftragspreis abgezogen worden. Über die Gesellschaft habe der Erstmitbeteiligte jeweils für kurze Zeiten verschiedene LKW-Fahrer beschäftigt, die auf von der revisionswerbenden Partei übernommenen Touren eingesetzt worden seien.

6        Die revisionswerbende Partei habe Ende Oktober 2012 mit der Gesellschaft eine Vereinbarung über die Durchführung von Transporten von L. nach T. und retour abgeschlossen. In dieser Vereinbarung seien der genaue zeitliche Ablauf der Transporte in Form eines Fahrplans mit Abfahrts- und Ankunftsdaten sowie die Entlohnung („Frachtsatz“) in Form einer Pauschale pro Tour geregelt gewesen. Zu Fahrzeug und Anhänger sei vereinbart worden, dass das Fahrzeug von der Gesellschaft zu „Realkosten“ von der revisionswerbenden Partei übernommen werden solle. Damit sollten Kosten für Leasing, Versicherung, Steuer, Aufwand für Reparaturen, Service, Reifen und Selbstbehalte aus Unfällen ohne Abschlag von der revisionswerbenden Partei an die Gesellschaft weiterverrechnet und vom Frachtsatz abgezogen werden. Nach Ablauf der Leasingdauer sollte das Fahrzeug nach Bezahlung des Restbetrages an die Gesellschaft übergehen. Bei Auflösung der Vereinbarung sollte es im „Besitz“ der revisionswerbenden Partei bleiben. Zudem sei vereinbart worden, dass Maut nach Aufwand in Abzug gebracht werden solle und zur Betankung ein Tankchip der Firma W zur Verfügung gestellt werden solle. Die darauf verbuchten Tankungen sollten alle weiterverrechnet werden.

7        Im Zeitraum 1. bis 31. Dezember 2012 sei der Erstmitbeteiligte als Dienstnehmer der revisionswerbenden Partei beschäftigt gewesen. Mit der revisionswerbenden Partei sei er in Kontakt gekommen, weil er als Fahrer für die L., eine Einpersonengesellschaft im Eigentum von S.C., tätig gewesen sei und im Rahmen dieser Tätigkeit für die revisionswerbende Partei den LKW der revisionswerbenden Partei gefahren sei.

8        Der Erstmitbeteiligte sei in den Zeiträumen der festgestellten Pflichtversicherung ausschließlich für die revisionswerbende Partei wöchentlich stets die gleichen Touren gefahren. Diese seien zeitlich und streckenmäßig genau von der revisionswerbenden Partei geplant gewesen. Bei der Durchführung der Touren habe kein Gestaltungsspielraum für den Erstmitbeteiligten, seine Gesellschaft oder deren LKW-Fahrer bestanden. Welche LKW zur Durchführung der jeweiligen Tour verwendet worden seien, habe die revisionswerbende Partei vorgegeben.

9        Der Erstmitbeteiligte bzw. die Gesellschaft hätten ausschließlich mit Betriebsmitteln gearbeitet, die in der Verfügungsgewalt der revisionswerbenden Partei gestanden seien. Die LKW und Anhänger seien auf die revisionswerbende Partei zugelassen gewesen. Ab Anfang 2013 hätten der Erstmitbeteiligte bzw. die Gesellschaft auch mit einem eigenen, von der revisionswerbenden Partei im Rahmen des geschilderten Leasing-Kaufvertrages übernommenen LKW gearbeitet, der erst nach vollständigem Erwerb am 17. November 2015 ein bulgarisches Kennzeichen erhalten habe. Dieser LKW werde regelmäßig am Firmengelände der revisionswerbenden Partei abgestellt und unterscheide sich nicht von deren einheitlich schwarz lackierten, unbeschrifteten anderen LKW. Der Erstmitbeteiligte und andere Fahrer der Gesellschaft seien nicht nur mit diesem geleasten LKW, sondern auch mit anderen, der revisionswerbenden Partei zuzurechnenden LKW gefahren, je nachdem, wie die revisionswerbende Partei sie eingeteilt habe.

10       Die Gesellschaft habe sich verpflichtet, alle Schäden an Fahrzeugen umgehend der revisionswerbenden Partei zu melden. Diese habe die Reparatur solcher Fahrzeuge veranlasst. Der Erstmitbeteiligte bzw. die Gesellschaft hätten keine Reparaturen in Auftrag geben können, da die revisionswerbende Partei den Vertragspartner ausgewählt habe.

11       Die Gesellschaft verfüge weder in Bulgarien noch in Vorarlberg über eine eigene betriebliche Struktur. Weder habe die Gesellschaft einen Parkplatz, noch Betriebsgebäude, Magazine, Tankkarten oder andere typische Infrastruktur eines Transportbetriebs.

12       Laufende mit dem Betrieb des LKW verbundene Kosten für Treibstoff, Maut, Instandhaltung udgl. seien von der revisionswerbenden Partei beglichen und im Rahmen der monatlichen Abrechnung der Gesellschaft verrechnet worden. Strafen, die mit dem Zustand und der Verkehrstüchtigkeit des Fahrzeugs in Zusammenhang gestanden seien, seien von der revisionswerbenden Partei beglichen worden.

13       Die aufgezeichneten Daten in den LKW seien ausschließlich von der revisionswerbenden Partei ausgelesen worden.

14       Die Gesellschaft biete ihre Tätigkeiten nicht am Markt an. Ihre einzige Auftraggeberin sei die revisionswerbende Gesellschaft.

15       Für die durchgeführten Fahrten habe die Gesellschaft der revisionswerbenden Partei monatsweise nachträglich Rechnungen ausgestellt und die Fahrten entsprechend den von der revisionswerbenden Partei festgelegten Pauschalpreisen fakturiert. Diesen Pauschalpreisen seien keine unternehmerischen Kalkulationen der Gesellschaft zugrunde gelegen. Vielmehr seien diese von der revisionswerbenden Partei kalkuliert und vorgegeben worden. Den jeweils in Rechnung gestellten Betrag habe die revisionswerbende Partei abzüglich der dem Erstmitbeteiligten bekannt gegebenen Kosten auf ein Bankkonto in Österreich überwiesen.

16       Für von der Gesellschaft nicht durchgeführte Linienfahrten habe es keine Sanktionen gegeben. Wäre eine Fuhre ausgefallen, so hätte sich die revisionswerbende Partei um einen Ersatz kümmern müssen, wobei es nie zu einem solchen Fall gekommen sei. Es wäre der Gesellschaft nicht möglich gewesen, Aufträge der revisionswerbenden Partei auszuschlagen. Sie habe auch keine Dispositionsmöglichkeiten gehabt, Aufträge von anderen Auftraggebern anzunehmen, und sei vollständig von Entscheidungen der revisionswerbenden Partei abhängig gewesen.

17       In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es sei im Sinn des wahren wirtschaftlichen Gehalts nach § 539a ASVG zu beurteilen, ob eine echte unternehmerische Tätigkeit des Erstmitbeteiligten im Rahmen der Gesellschaft vorliege oder ob seine Tätigkeit als (echtes) Dienstverhältnis zur revisionswerbenden Partei anzusehen sei. Der Gesellschaft fehle es an jeglichem „unternehmerischen Gehalt“. Der „Inhaber“ der Gesellschaft - der Erstmitbeteiligte - lebe in Österreich und fahre LKW - sowohl den „seiner Gesellschaft“ als auch solche der revisionswerbenden Partei - auf fix von der revisionswerbenden Partei vorgegebenen Linien weit entfernt vom bulgarischen Sitz der Gesellschaft. Über den eigenen LKW könne der Erstmitbeteiligte ausschließlich im Rahmen seiner Tätigkeit für die revisionswerbende Partei verfügen. Dem Erstmitbeteiligten mangle es an jeder Möglichkeit, außerhalb der Tätigkeit für die revisionswerbende Partei tätig zu werden, nicht zuletzt, weil es ihm am Wissen und den Kontakten fehle, die für die Auftragsakquisition erforderlich seien. Er stelle letztlich nur seine Arbeitskraft als LKW-Lenker der revisionswerbenden Partei zur Verfügung. Wirtschaftlich betrachtet erfolgten somit alle wesentlichen Tätigkeiten in Vorarlberg im Rahmen der einzigen Auftraggeberin - der revisionswerbenden Partei - ohne Möglichkeit der Gesellschaft, auf diese Tätigkeiten wirksam Einfluss zu nehmen. Die Gesellschaft sei mangels eigener betrieblicher Strukturen vollkommen von der revisionswerbenden Partei abhängig.

18       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei für die Dienstgebereigenschaft nach § 35 Abs. 1 ASVG wesentlich, wer nach rechtlichen Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet werde, wen also das Risiko des Betriebs im Gesamten unmittelbar treffe. Unter einem Betrieb im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG sei - unter Rückgriff auf die Judikatur zu § 34 Abs. 1 ArbVG - jede organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb deren eine Person (Personengemeinschaft) mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolge.

19       Die wesentlichen Bestandteile eines Frachtbetriebs seien LKW, Anhänger, die Abstellflächen für solche LKW sowie die für die Durchführung der Transportaufträge erforderliche Infrastruktur. Alle diese Betriebsmittel seien im vorliegenden Fall wirtschaftlich der revisionswerbenden Partei zuzurechnen. Dies gelte auch für den LKW der Gesellschaft des Erstmitbeteiligten. Formal sei dieser LKW zwar der Gesellschaft übereignet worden, jedoch sei er in der Gewahrsame der revisionswerbenden Partei geblieben, auf deren Betriebsgelände er abgestellt werde. Da er ausschließlich für Frachtfuhren der revisionswerbenden Partei herangezogen werde, könne diese über den formal fremden LKW letztlich verfügen wie über eigene LKW und ihn für ihre Linien einsetzen, zumal der Erstmitbeteiligte wirtschaftlich völlig von der revisionswerbenden Partei abhängig sei und keine anderen Aufträge annehmen könne. Die revisionswerbende Partei werde aus den Umsatzgeschäften, die mit den LKW getätigt würden, berechtigt und verpflichtet, nicht hingegen der Erstmitbeteiligte oder seine bulgarische Gesellschaft. Wirtschaftlich betrachtet sei die Gesellschaft des Erstmitbeteiligten keine operativ tätige Gesellschaft und sei der Betrieb auf Rechnung der revisionswerbenden Partei geführt worden. Die Gesellschaft sei wirtschaftlich betrachtet nicht Dienstgeberin des Erstmitbeteiligten bzw. Auftragnehmerin der revisionswerbenden Partei.

20       Die Gesellschaft habe auch kein Unternehmensrisiko zu tragen gehabt. Angesichts der Tatsache, dass die revisionswerbende Partei alle relevanten Kosten wie Maut-, Treibstoff- und andere Kosten getragen und erst im Rahmen der monatlichen Abrechnung mit den angefallenen Fahrtenpauschalen verrechnet habe, könne von einem unternehmerischen Wagnis keine Rede sein.

21       Mit der gewählten Konstruktion der Zwischenschaltung der bulgarischen Gesellschaft hätten die Beteiligten versucht, einen Sachverhalt zu konstruieren, der von den Tatbeständen der §§ 4 und 35 ASVG nicht erfasst sei. Allerdings sei gemäß § 539a ASVG nicht auf die äußere Form, sondern auf den wahren Gehalt abzustellen, der sich anders präsentiere. Es liege eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Gestaltungsmöglichkeiten vor, weil der einzige erkennbare Grund für die vorgenommene Gestaltung der Vertragsbeziehungen darin bestanden habe, gesetzliche Vorschriften des ASVG zu umgehen.

22       Die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten erweise sich als „arbeitnehmerähnlich“. Es sei keine Tätigkeit für den Markt, sondern ausschließlich für eine Auftraggeberin erfolgt, die die Aufwendungen im Zusammenhang mit den zu bedienenden LKW-Fahrten vorfinanziert habe. Ein werbender Auftritt am Markt habe nie stattgefunden. Im Wesentlichen sei der Erstmitbeteiligte im Rahmen der betrieblichen Struktur der revisionswerbenden Partei tätig gewesen, deren Betriebsmittel vom Erstmitbeteiligten zur Erbringung seiner Tätigkeit als Fahrer auf den jeweiligen Linien neben dem LKW seiner Gesellschaft mitgenutzt worden seien.

23       Mangels Unternehmenswagnis und eigener Betriebsmittel sei nicht von Werkverträgen zwischen eigenständigen Gesellschaften auszugehen. Die Gesellschaft des Erstmitbeteiligten sei wirtschaftlich unselbständig und die revisionswerbende Partei als Dienstgeberin des Erstmitbeteiligten anzusehen.

24       Nach dem Gesamtbild des zu beurteilenden Beschäftigungsverhältnisses überwögen beim Erstmitbeteiligten die Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen der persönlichen Unabhängigkeit, sodass eine persönliche Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben sei. Der Erstmitbeteiligte sei als LKW-Fahrer im Linienbetrieb, vergleichbar einem Zusteller, eingesetzt worden. Er habe sich zu einem vorgegebenen Zeitpunkt einzufinden gehabt, um das Frachtgut samt LKW zu übernehmen und dieses zu einem bestimmten Zeitpunkt am vorgegebenen Ziel abzuladen und sodann auf die gleiche Weise wieder zurückzukehren. Er sei in den Betrieb der revisionswerbenden Partei mit einer von dieser determinierten Ablauforganisation eingebunden gewesen. Abänderungen der Ablauforganisation seien als Fahrer nicht durchsetzbar gewesen. Das Entgelt sei in Form einer Pauschale einseitig von der revisionswerbenden Partei festgelegt worden. Im Hinblick auf die Merkmale und näheren Umstände der verrichteten Tätigkeit könne bei einem LKW-Fahrer wie dem Erstmitbeteiligten von einer Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgegangen werden, zumal es sich um eine einfache manuelle Tätigkeit ohne einen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum in Bezug auf Arbeitsausführung und Verwertbarkeit handle.

25       Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

26       Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

27       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

28       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

29       In diesem Sinn bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe festgestellt, dass die Gesellschaft des Erstmitbeteiligten seit spätestens Anfang 2013 über einen von der revisionswerbenden Partei erworbenen LKW verfügt habe, aber dennoch gefolgert, dass die Gesellschaft über keine nennenswerten eigenen Betriebsmittel verfüge. Entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe das Bundesverwaltungsgericht demnach die Ansicht vertreten, dass der Fuhrpark eines Transportunternehmens kein wesentliches Betriebsmittel sei.

30       Mit diesem Vorbringen übersieht die Revision aber, dass nach den - insoweit unbestrittenen - Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts von einem eigenen „Fuhrpark“ der Gesellschaft des Erstmitbeteiligten keine Rede sein kann. Vielmehr handelte es sich um einen einzigen - von mehreren für die Fahrten eingesetzten - LKW (der überdies mangels eigener Abstellflächen regelmäßig am Firmengelände der revisionswerbenden Partei geparkt wurde). Vor dem Hintergrund der festgestellten Abrechnungsmodalitäten verfängt auch nicht der Einwand der Revision, dass die Gesellschaft oder den Erstmitbeteiligten im Hinblick auf die Aufwendungen für diesen LKW - entgegen der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts - ein (nennenswertes) Unternehmerwagnis getroffen habe.

31       Entgegen dem weiteren Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Vereinbarung eines zeitbezogenen (Pauschal-)Entgelts (von dem im Hinblick auf die nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts jeweils einem Tag entsprechenden Fuhren auch hier ausgegangen werden kann) für das Bestehen einer persönlichen Abhängigkeit spricht (vgl. etwa VwGH 3.4.2019, Ro 2019/08/0003, Rn. 67, mwN). Den beiden von der revisionswerbenden Partei zitieren Erkenntnissen (VwGH 21.11.2018, Ra 2018/13/0045 - das im Übrigen nicht zum ASVG ergangen ist - und VwGH 21.9.1993, 92/08/0186) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen; vielmehr wird im zuletzt genannten Erkenntnis explizit auf ein zeitunabhängiges Pauschalentgelt als mögliches Indiz für eine Tätigkeit in persönlicher Unabhängigkeit abgestellt.

32       Im Übrigen handelt es sich dabei bloß um ein Nebenkriterium, das nur dann eine entscheidende Rolle spielen kann, wenn im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit erlaubt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 20.2.2020, Ra 2019/08/0171, Rn. 21, mwN). Schon deswegen wird mit dem im weiteren Zulässigkeitsvorbringen der Revision gerügten Fehlen einer expliziten Feststellung, dass das vereinbarte Pauschalentgelt pro Tour erfolgsunabhängig gewesen sei, ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass bei der Beschäftigung des Erstmitbeteiligten die Merkmale persönlicher Abhängigkeit überwogen hätten, war nämlich bereits auf Basis der übrigen dafür herangezogenen Feststellungen - Einsatz vergleichbar einem Zusteller, Bindung an Ordnungsvorschriften in zeitlicher Hinsicht, Einbindung in den Betrieb der revisionswerbenden Partei mit einer von dieser determinierten Ablauforganisation, Durchführung einer einfachen manuellen Tätigkeit ohne einen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum in Bezug auf Arbeitsausführung und Verwertbarkeit - jedenfalls nicht unvertretbar (vgl. zu diesem Maßstab bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision etwa VwGH 9.11.2017, Ra 2017/08/0115, Rn. 10, mwN).

33       Die Revision rügt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auch noch, dass es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen habe, sämtliche beantragten Zeugen zu vernehmen. Zwei der insgesamt acht beantragten Zeugen seien nämlich unentschuldigt nicht erschienen, einer habe sich wegen Krankheit entschuldigt. Die Zeugen hätten im Fall ihrer nochmaligen Ladung bzw. zwangsweisen Vorführung ausgesagt, dass die Arbeitnehmer der Gesellschaft stets die Gesellschaft unter Leitung des Erstmitbeteiligten als ihren Arbeitgeber angesehen hätten, dass dieser sich den Arbeitnehmern gegenüber wie ein Arbeitgeber verhalten habe, sie insbesondere in persönlicher Abhängigkeit und Weisungsunterworfenheit gegenüber der Gesellschaft unter der Leitung des Erstmitbeteiligten tätig gewesen seien und stets von diesem Weisungen erhalten hätten, weiters, dass der Erstmitbeteiligte sich als Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber der revisionswerbenden Partei wie ein Werkunternehmer verhalten habe und er ein Unternehmerwagnis getragen habe sowie über nennenswerte Betriebsmittel verfügt habe, insbesondere über den zunächst geleasten und seit 2015 im Eigentum der Gesellschaft stehenden LKW stets verfügen habe können. Mit diesem Vorbringen kann die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aber nicht aufgezeigt werden: So ist es rechtlich unerheblich, wie der Erstmitbeteiligte von den (weiteren) Arbeitnehmern in seinem Verhalten ihnen gegenüber und gegenüber der revisionswerbenden Partei wahrgenommen wurde. Auch eine Weisungserteilung durch den Erstmitbeteiligten spräche nicht dagegen, dass er selbst dabei den Weisungen der revisionswerbenden Partei unterlegen ist und die durch die Weisungserteilung indizierte persönliche Abhängigkeit der (weiteren) Arbeitnehmer nicht gegenüber dem Erstmitbeteiligten, sondern gegenüber der revisionswerbenden Partei als Dienstgeberin bestand. Was die Bejahung oder Verneinung eines Unternehmerwagnisses und der Verfügung über nennenswerte Betriebsmittel betrifft, so handelt es sich dabei - ausgehend von den als solche unbestrittenen Feststellungen betreffend die Eigentumsverhältnisse und Abrechnungsmodalitäten - um eine (Zeugenbeweisen nicht zugängliche) rechtliche Beurteilung; auf die Frage der faktischen Verfügungsmacht über den geleasten LKW kam es dabei fallbezogen nicht entscheidend an.

34       Soweit im Zulässigkeitsvorbringen der Revision eine uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, „unter welchen näheren Voraussetzungen bei Vereinbarung eines Pauschalentgeltes von einem Werkvertrag auszugehen sei“ geltend gemacht wird, fehlt es an jeder Konkretisierung durch den Verweis auf einander widersprechende Entscheidungen.

35       Schließlich behauptet die Revision noch das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, „ob, jeweils für sich genommen, die Vereinbarung eines pauschalen Fuhrlohns für eine Fuhre und das Eigentum an einem eigenen LKW die Dienstnehmereigenschaft eines Auftragnehmers ausschließt bzw. ausschließen, auch wenn dieser nur für einen Auftraggeber tätig ist“. Dabei handelt es sich aber um eine bloß einzelfallbezogene Beurteilung, die das Bundesverwaltungsgericht hier in jedenfalls nicht unvertretbarer Weise vorgenommen hat.

36       In der Revision werden insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 9. Februar 2023

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023080008.L00

Im RIS seit

08.03.2023

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten