Entscheidungsdatum
21.02.2023Index
90/01 StraßenverkehrsrechtNorm
StVO 1960 §5 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Hengl über die Beschwerden der AA, Adresse 1, **** Z, gegen
? das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 23.8.2022, ***, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung (LVwG-2022/31/2384), sowie
? den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 16.8.2022, ***, wegen Entziehung der Lenkberechtigung (LVwG-2022/31/2383)
nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
A. Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 23.8.2022, KB/409220025405, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung (LVwG 2022/31/2384):
1. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als es bei der als erwiesen angenommenen Tat (§ 44a Z 1 VStG) hinsichtlich der Tatzeit der Verweigerungshandlung spruchgemäß statt „…am 15.5.2022 um 01:53 Uhr…“ „richtigerweise „…am 15.5.2022 um 2:23 Uhr…“ zu lauten hat.
2. Die Beschwerdeführerin hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 320,-- zu leisten.
3. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
B. Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 16.8.2022, 704-4-137-2022-FSE, wegen Entziehung der Lenkberechtigung (LVwG-2022/31/2383):
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
A. Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 23.8.2022, KB/409220025405, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung (LVwG-2022/31/2384):
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
„1. Datum/Zeit: 15.05.2022, 01:50 Uhr
Ort: **** Z-Markt, Adresse 2
Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: ***
Sie haben sich am 15.05.2022 um 01.53 Uhr in **** Z, Adresse 1, nach Aufforderung eines besonders geschulten Organs der Bundespolizei geweigert, Ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Sie haben zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort das angeführte Fahrzeug gelenkt.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
1. § 99 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 5 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO. 1960, BGBl. Nr. 159/1960 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 6/2017
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von
Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
Freiheitsstrafe
von
Gemäß
€ 1.600,00
14 Tage(n) 0 Stunde(n) 0 Minute(n)
§ 99 Abs. 1 lit. b
Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO. 1960, BGBl. Nr. 159/1960 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 154/2021“
Weiters wurde ein anteiliger Beitrag zu den Kosten des Verfahrens der belangten Behörde festgesetzt.
In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde brachte AA vor, dass von einer Verweigerung des Alkomattestes keine Rede sein könne.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Strafakt der belangten Behörde zu Zahl *** sowie in den Führerscheinakt der Bezirkshauptmannschaft Y zu Zahl ***.
Weiters wurde am 10.2.2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Rahmen die Beschwerdeführerin unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die serbokroatische Sprache sowie die die Amtshandlung leitende Polizistin, GI BB, Landesverkehrsabteilung, Kontrollstelle X, als Zeugin einvernommen wurden.
II. Sachverhalt:
Für das Landesverwaltungsgericht Tirol ergibt sich nachfolgender, entscheidungsrelevanter Sachverhalt:
AA lenkte den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen KB-204EA am 15.5.2022 gegen 1:50 Uhr in **** Z-Markt, Adresse 2, auf einer Straße mit öffentlichen Verkehr und weigerte sich hiernach am 15.5.2022 gegen 2:23 Uhr nach Aufforderung durch ein besonders geschultes Organ der Bundespolizei, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.
Das Lenken des angeführten Kraftfahrzeuges im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld der Aufforderung zum Alkomattest ist unstrittig; unstrittig ist weiters, dass die Beschwerdeführerin zunächst um 1:53 Uhr erstmalig zum Alkomattest aufgefordert wurde und in insgesamt acht Blasversuchen – zumeist infolge zu geringen Blasvolumens infolge bloß kurzen Einblasens- bis 2:23 Uhr lediglich einen gültigen Messversuch, jedoch kein (aus zwei gültigen Messversuchen bestehendes) verwertbares Messergebnis, erzielen konnte.
Die Beschwerdeführerin wurde seitens der einschreitenden Polizisten mehrmals auf die richtige Handhabung des Alkomaten und die Rechtsfolgen, falls kein verwertbares Messergebnis erzielt werde, hingewiesen, insbesondere darauf, dass das Nichtzustandekommen eines gültigen Messergebnisses bei Nichtvorliegen gesundheitlicher Gründe als Verweigerungshandlung zu erblicken sei.
Im Rahmen der Wartezeit wurde die Beschwerdeführerin gefragt, ob bei ihr gesundheitliche Probleme vorliegen würden, die der Durchführung eines Alkomattests entgegenstehen. Solche Gründe wurden unstrittigerweise nicht vorgebracht. Die einschreitende Polizeibeamtin GI BB erklärte schließlich gegen 2:23 Uhr die Amtshandlung für beendet und erfolgte gegen 2:32 Uhr die vorläufige Abnahme des Führerscheins gemäß § 39 Abs 1 FSG.
III. Beweiswürdigung:
Die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aufgrund der Anzeige der GI BB vom 16.5.2022 sowie den diesbezüglichen Angaben der Meldungslegerin anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 10.2.2023.
Für das gefertigte Gericht bestand nun keine Veranlassung, die Richtigkeit dieser Angaben bzw Aussagen in Zweifel zu ziehen. Es wäre auch unerfindlich, welche Umstände die Meldungslegerin GI BB veranlasst haben sollten, die Beschwerdeführerin in derart konkreter Weise falsch zu beschuldigen, zumal sie im Fall einer bewusst falschen Anzeigeerstattung mit erheblichen disziplinären und auch strafrechtlichen Folgen rechnen müsste.
Schließlich ist es der Meldungslegerin als Organ der Straßenaufsicht und aufgrund ihrer mehr als 20-jährigen Praxis in Bezug auf Alkoholkontrollen zuzubilligen, dass sie verwaltungsstrafrechtlich relevante Sachverhalte richtig und vollständig wahrzunehmen und wiederzugeben vermag.
Die Meldungslegerin hat überdies in der mündlichen Verhandlung vom 10.2.2023 einen sehr glaubwürdigen Eindruck hinterlassen und erweckte in keiner Phase der Einvernahme den Anschein, die Beschwerdeführerin in irgendeiner Art und Weise ungerechtfertigt belasten zu wollen oder diese im Rahmen der Messung unter Druck gesetzt zu haben.
Dass die Beschwerdeführerin bei der Amtshandlung nicht auf gesundheitliche Probleme hingewiesen hat, wurde von ihr anlässlich der Einvernahme am 10.2.2023 selbst eingeräumt (vgl Verhandlungsprotokoll, Seite 3, vierter Absatz). Dass die Beschwerdeführerin im Rahmen der Amtshandlung bemüht war, bei den Blasversuchen ein gültiges Messergebnis zu erzielen, wurde nicht einmal von ihr selbst behauptet. Vielmehr gab die Beschwerdeführerin an, dass sie aufgrund der stressigen Situationen der Nacht aufgeregt gewesen sei und ihr das Erzielen eines gültigen Messergebnisses dadurch schwergefallen sei. Die Meldungslegerin wusste diesbezüglich zu berichten, dass die im Rahmen der Amtshandlung widerwillig, laut und gereizt agierende Beschwerdeführerin mitunter während der Blasversuche zu reden und telefonieren anfing und zumeist nur ganz kurz in den Alkomat einblies.
Nicht festgestellt werden konnte, ob sich die Beschwerdeführerin nach erfolgter Beendigung der Amtshandlung sowie der vorläufigen Abnahme des Führerscheines nach Verwirklichung der Verweigerung zum Zweck der Blutabnahme zum Bezirkskrankenhaus Kufstein begeben hat, wobei selbst seitens der Beschwerdeführerin eingeräumt wurde, dass eine solche Blutabnahme nicht vorgenommen wurde.
IV. Rechtliche Grundlagen:
Im gegenständlichen Fall sind folgende Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl Nr 159/1960 idF BGBl I Nr 154/2021 (StVO), von Relevanz:
„§ 5
Besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Beeinträchtigung durch Alkohol.
(1) Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.
(…)
(2) Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und – soweit es sich nicht um Organe der Bundespolizei handelt – von der Behörde hierzu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,
1. die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder
2. bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,
auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.
(…)
§ 99
Strafbestimmungen.
(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,
(…)
b) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht,
(…)“
V. Rechtliche Beurteilung:
Aufgrund der getroffenen Feststellungen steht fest, dass die Beschuldigte jedenfalls den objektiven Tatbestand der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erfüllt hat.
Aus Sicht der einschreitenden Polizeibeamtin stand fest, dass die Beschwerdeführerin in engem zeitlichen Zusammenhang mit der weiteren Amtshandlung ein Fahrzeug gelenkt hat.
Angesichts des Umstandes, dass Alkovortester und Alkomat im Dienstfahrzeug mitgeführt wurden, bedurfte es darüber hinausgehender Verdachtsmomente iSd § 5 Abs 2 StVO nicht, sodass die Aufforderung zur Ablegung des Alkomattestes vom 15.5.2022 um 1:53 Uhr auch dem Grunde nach rechtens erging.
Was die subjektive Tatseite betrifft, ist anzuführen, dass gemäß § 5 Abs 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Im Falle eines „Ungehorsamsdeliktes“ – als welches sich auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung darstellt – tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Dies ist der Beschuldigten, wie in der Beweiswürdigung eingehend ausgeführt, jedoch nicht gelungen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie zumindest grob fahrlässig gehandelt hat.
Den Proband trifft die Verpflichtung, allfällige gesundheitliche Beeinträchtigungen, die ein Zustandekommen einer gültigen Messung verhindern, sofort bekannt zu geben (vgl etwa VwGH 28.1.2004, 2001/03/0019).
Unstrittig ist nicht nur, dass die Beschwerdeführerin anlässlich der Amtshandlung nicht auf allfällige gesundheitliche Einschränkungen, die der Erzielung eines gültigen Alkomatmessergebnisses entgegenstehen, hingewiesen hat, sondern darüber hinaus auch, dass derartige Umstände bei einer Untersuchung der Probandin auch nachträglich nicht attestiert werden konnten, zumal bei der Beschwerdeführerin laut dem amtsärztlichen Gutachten der Bezirkshauptmannschaft Y vom 2.8.2022 „keine medizinischen Diagnosen oder Befunde“ vorliegen, „keinesfalls akute oder chronische Lungenerkrankungen oder andere erklärbare Einschränkungen, die eine korrekte Messung der Atemluft auf Alkohol verhindern würde.“
Ausgeführt wurde diesbezüglich im amtsärztlichen Gutachten Dris med. univ. Alois Astner vom 2.8.2022, Seite 3 letzter Absatz, dass die Beschwerdeführerin durch normales Blasen in den Alkomat unter Anleitung der Sicherheitsorgane sicherlich ein korrektes Ergebnis erzielen hätte können.
Davon abweichende medizinische Befunde wurden seitens der Beschwerdeführerin nicht ins Treffen geführt.
Die Betroffene ist verpflichtet, den Alkomaten so zu bedienen, dass ein gültiges Messergebnis zustande kommt. Das heißt, dass die Mindestanforderungen betreffend Blaszeit und Blasvolumen erfüllt sein müssen. Liegen gesundheitliche Probleme vor, die der Erfüllung dieser Mindestanforderungen entgegenstehen, ist darauf hinzuweisen. Die nicht ordnungsgemäße Bedienung des Alkomaten stellt sich im Regelfall als Verweigerung des Alkotestes dar (vgl Stöbich/Triendl, Alkohol- und Geschwindigkeitsdelikte im Straßenverkehr, Seite 142).
Führt die Lenkerin eines KFZ in insgesamt acht Blasversuchen diese so unzureichend aus, dass kein aus zwei gültigen Messversuchen erzieltes verwertbares Messergebnis zustande kommt, so sind ihre auf keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen beruhenden Blasversuche als Verweigerung der Atemalkoholuntersuchung anzusehen.
Dabei kann einem geschulten Organ der Straßenaufsicht die einwandfreie Beurteilung der Frage, aus welchen Gründen bei der Alkomatuntersuchung kein brauchbares Ergebnis zustande gekommen ist, zugemutet werden (vgl VwGH 24.2.1993, 91/03/0343 und 26.4.2002, 99/02/0212).
Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Voraussetzungen bestand für die Beschwerdeführerin somit im Gegenstandsfall auch kein Wahlrecht, aufgrund ihrer Aufregung anstatt einer Atemalkoholuntersuchung eine Blutuntersuchung beim nächstgelegenen Krankenhaus zu initiieren und wurde von der Meldungslegerin folglich zu Recht von einer Verweigerungshandlung der Beschwerdeführerin einerseits ausgegangen und andererseits auch keine Obliegenheit erkannt, die Beschwerdeführerin zum Zweck einer Blutalkoholuntersuchung zum nächstgelegenen Krankenhaus zu verbringen.
Somit liegt der Tatbestand der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung in objektiver und subjektiver Weise vor.
Hinsichtlich des Schuldvorwurfes erfolgte mit dem nunmehr erledigenden Erkenntnis eine Konkretisierung der Tat unter geringfügiger Berichtigung der Tatzeit des Verweigerungsdeliktes, zumal die Beschwerdeführerin zwar am 15.5.2022 um 1:53 Uhr zum Alkomattest aufgefordert wurde, die Verweigerungshandlung aber erst nach dem achten Blasversuch um 2:23 Uhr gesetzt wurde. Das gefertigte Gericht war zur Vornahme dieser Modifikation des Schuldvorwurfes innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs 1 VStG unter Berichtigung des Tatzeitpunktes berechtigt ohne die Beschwerdeführerin hierdurch einer anderen Tathandlung zu bezichtigen.
VI. Strafbemessung:
Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Der Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung ist als erheblich anzusehen, zumal sich die Beschwerdeführerin über eine fundamentale Vorschrift der Straßenverkehrsordnung, welche die zeitnahe Eruierung des Alkoholgehaltes der Atemluft bei Verkehrsteilnehmern ermöglichen soll, hinweggesetzt hat.
Erschwerend war nichts zu berücksichtigen, mildernd die bisherige Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin.
Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungsgründe und eines gemäß § 99 Abs 1 lit b StVO zur Anwendung gelangenden Strafrahmens von Euro 1.600,-- bis Euro 5.900,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, ergibt sich, dass im Gegenstandsfall ohnedies die Mindeststrafe verhängt wurde, sodass sich weitere Erhebungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Beschwerdeführerin anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 10.2.2023 erübrigen konnten.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
B. Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 16.8.2022, 704-4-137-2022-FSE, wegen Entziehung der Lenkberechtigung (LVwG-2022/31/2383):
I. Verfahrensgang:
Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 17.5.2022, ***, wurde die Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin der Klassen AM und B für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab 15.5.2022 (dem Datum der vorläufigen Abnahme des Führerscheines) entzogen.
Weiters wurde als begleitende Maßnahme die Teilnahme an einer Nachschulung sowie die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung samt verkehrspsychologischer Stellungnahme angeordnet.
Begründend wurde ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin am 15.5.2022 um 1:53 Uhr in der Gemeinde Z, Adresse 1, nach Aufforderung durch ein besonders geschultes Organes der Bundespolizei geweigert habe, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl sie zeitlich unmittelbar zuvor ein näher angeführtes Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt habe.
Der fristgerecht dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 16.8.2022, 704-4-137-2022-FSE, keine Folge gegeben.
In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde wurde vorgebracht, dass seitens der Beschwerdeführerin keine Verweigerungshandlung gesetzt wurde.
II. Sachverhalt:
Die Behörden nach dem Führerscheingesetz (§ 35 FSG) sind an rechtskräftigen Entscheidungen der Strafbehörden gebunden (vgl etwa VwGH 30.6.1998, 98/11/0134, 8.8.2002, 2001/11/0210 uva).
Aufgrund dieser Bindungswirkung, die auch zwischen Behörden und Gerichten gilt, ist gegenständlich davon auszugehen, dass entsprechend den Ausführungen unter A/II. AA am 15.5.2022 gegen 1:50 Uhr den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen KB-204EA in **** Z-Markt, Adresse 2, auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt und sich hiernach um 2:23 Uhr an ihrer Wohnadresse **** Z, Adresse 1, nach Aufforderung durch ein besonders geschultes Organ der Bundespolizei geweigert habe, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.
III. Rechtsgrundlagen:
Im gegenständlichen Fall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes, BGBl I Nr 120/1997 idF BGBl I Nr 154/2021 (FSG), zu berücksichtigen:
„§ 7
Verkehrszuverlässigkeit
(1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
(…)
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;
…
(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.
(…)
§ 24
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
(1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
(…)
(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen:
1. wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt,
1a. wegen einer in § 7 Abs. 3 Z 3 genannten Übertretung,
2. wegen einer zweiten in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung innerhalb von vier Jahren oder
3. wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO 1960.
Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a und sofern es sich nicht um einen Probeführerscheinbesitzer handelt, bei der erstmaligen Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 ein Verkehrscoaching zur Bewusstmachung der besonderen Gefahren des Lenkens von Kraftfahrzeugen unter Alkoholeinfluss oder Suchtgiftbeeinträchtigung und dessen Folgen, bei Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 jedoch eine Nachschulung anzuordnen. Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens kann die Beibringung der erforderlichen fachärztlichen oder einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen werden. Bei einer zweiten oder weiteren innerhalb von vier Jahren begangenen Übertretung gemäß § 7 Abs. 3 Z 3 oder einer (auch erstmaligen) Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anzuordnen; (…)
§ 25
Dauer der Entziehung
(1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.
(…)
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. Sind für die Person, der die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit zu entziehen ist, zum Zeitpunkt der Entziehung im Vormerksystem (§ 30a) Delikte vorgemerkt, so ist für jede dieser im Zeitpunkt der Entziehung bereits eingetragenen Vormerkungen die Entziehungsdauer um zwei Wochen zu verlängern; davon ausgenommen sind Entziehungen auf Grund des § 7 Abs. 3 Z 14 und 15.
§ 26
Sonderfälle der Entziehung
§ 26. (1) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen, so ist, wenn es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse C oder D handelt und zuvor keine andere der in § 7 Abs. 3 Z 1 und 2 genannten Übertretungen begangen wurde, die Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat zu entziehen. Wenn jedoch
1. auch eine der in § 7 Abs. 3 Z 4 bis 6 genannten Übertretungen vorliegt, oder
2. der Lenker bei Begehung dieser Übertretung einen Verkehrsunfall verschuldet hat,
so hat die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen.
Wenn jedoch eine der in § 7 Abs. 3 Z 3 genannten Übertretungen vorliegt, so hat die Entziehungsdauer mindestens sechs Monate zu betragen. § 25 Abs. 3 zweiter Satz ist in allen Fällen sinngemäß anzuwenden.
(2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges
1. erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen,
…
(…)“
IV. Rechtliche Erwägungen:
Aufgrund der vorliegenden Bindungswirkung ist vom oben dargelegten Sachverhalt auszugehen. Somit steht auch fest, dass gegenständlich eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs 3 Z 1 FSG (hier konkret eine Übertretung gemäß § 99 Abs 1 lit b StVO) verwirklicht wurde.
Daraus resultiert bei erstmaliger Begehung gemäß § 26 Abs 2 Z 1 FSG eine Mindestentziehungsdauer von sechs Monaten.
Im Ergebnis war daher die von der belangten Behörde verfügte Entziehung der Lenkberechtigung in der Dauer von sechs Monaten ab vorläufiger Abnahme des Führerscheines gesetzlich verpflichtend und somit in keinster Weise zu beanstanden.
Die Anordnung einer Nachschulung sowie eines amtsärztlichen Gutachtens hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung samt verkehrspsychologischer Stellungnahme war aufgrund der Bestimmung des § 24 Abs 3 Z 3 FSG in der gegenständlichen Fallkonstellation obligatorisch.
Wenn die Beschwerdeführerin schließlich vorbringt, dass die von ihr mittlerweile eingeholte verkehrspsychologische Stellungnahme negativ sei, so ist darauf hinzuweisen, dass diesfalls eine allfällige Entziehung der Lenkberechtigung wegen gesundheitlicher Nichteignung seitens der belangten Behörde auszusprechen ist.
Dabei könnte zur Eruierung einer allenfalls als vermindert attestierten kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit auch die Durchführung einer Beobachtungsfahrt iSd § 9 FSG für die Beschwerdeführerin in Betracht zu ziehen sein.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist hinsichtlich beider Beschwerden unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Hengl
(Richter)
Schlagworte
Verweigerungshandlung bei Nichterzielung eines verwertbaren MessergebnissesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2022.31.2383.12Zuletzt aktualisiert am
06.03.2023