TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/16 92/07/0078

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Veröffentlicht am 16.11.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §73 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Wasserwerksgenossenschaft an der F, der P, dem J-Bach und dem R-Bach in E, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 21. Februar 1992, Zl. 511.972/02-I5/92, betreffend Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht in einer Wasserrechtsangelegenheit (mitbeteiligte Partei: N-Gesellschaft m. b.H. in M, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 3. April 1967 wurde der mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (mP) gemäß § 10 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) die wasserrechtliche Bewilligung zur motorischen Grundwasserentnahme mittels eines Horizontalfilterbrunnens auf dem Grundstück 162/1, KG W., für die Versorgung einer Reihe von Gemeinden mit Trink-, Nutz- und Feuerlöschwasser sowie zur Herstellung der hiefür dienenden Anlagen erteilt. Gleichzeitig wurden gemäß § 64 Abs. 1 lit. c WRG 1959 die im Wasserbuch der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung unter den Postzahlen n1, n2, n3, n4, n5, n6, n7 und n8 sowie im Wasserbuch der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha unter Postzahl n9 eingetragenen Wasserbenutzungsrechte der Mitglieder der beschwerdeführenden Partei in dem Ausmaß eingeschränkt, als durch den konsensgemäßen Betrieb der bewilligten Wasserversorgungsanlage eine Beeinträchtigung dieser Wasserkraftnutzung an der F. bewirkt wird.

Die Entscheidung über die Entschädigungsleistung wurde gemäß § 117 Abs. 2 WRG 1959 einem Nachtragsbescheid vorbehalten.

Die bewilligte Anlage wurde innerhalb der gesetzten Frist (31. Dezember 1970) errichtet und am 6. Mai 1974 wasserrechtlich überprüft.

Ein Nachtragsbescheid über die den Mitgliedern der beschwerdeführenden Partei zu bezahlenden Entschädigungen erging nicht.

Die beschwerdeführende Partei urgierte mit Schreiben vom 16. Juni 1987 eine entsprechende Erledigung. Da eine solche nicht erfolgte, stellte sie am 12. Jänner 1989 einen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht. Dieser wurde mit Bescheid der nunmehr belangten Behörde vom 6. April 1989 mit der Begründung abgewiesen, die Verzögerung sei nicht ausschließlich von der Behörde verschuldet.

Nach einigen Anfragen und Urgenzen stellte die beschwerdeführende Partei am 3. Jänner 1992 einen neuerlichen Antrag auf Übergang der Entscheidung an die belangte Behörde. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 21. Februar 1992 als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung wird ausgeführt, mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. April 1989 sei rechtskräftig festgestellt worden, daß die Voraussetzungen nach § 73 Abs. 2 AVG nicht vorlägen. Für die Frage, ob diese Voraussetzungen nunmehr gegeben seien, sei das weitere Geschehen im gegenständlichen Verfahren seit Mitte 1989 zu betrachten. Wie dem Akteninhalt zu entnehmen sei, sei Universitätsprofessor Dipl.-Ing. Dr. J.R. als Sondersachverständiger mit der Aufgabenstellung bestellt worden, den Einfluß der Wasserentnahme aus dem Brunnen der mP auf die Durchflußmenge der F. zu ermitteln. Vom Sondersachverständigen sei darauf hingewiesen worden, daß vor Gutachtenserstellung umfangreiche Beweisaufnahmen erforderlich seien. Diese Untersuchungen seien von der mP in Auftrag gegeben und vorgelegt worden, hätten jedoch laut Aussage des Sondersachverständigen einer Ergänzung durch ein einjähriges Untersuchungsprogramm bedurft. Zu der daraufhin von der "Gruppe Wasser" erarbeiteten "grundwasserwirtschaftlichen Untersuchung W H,

3. Bearbeitungsabschnitt" (Dezember 1989) habe der Sondersachverständige die im Akt befindliche Stellungnahme, datiert mit 18. Mai 1990, abgegeben. Ohne die darin enthaltenen Einzelheiten zu wiederholen, könne festgestellt werden, daß auf Grund der Komplexität des Problemkreises (Einflüsse auf die Durchflußmenge verschiedenster Art) wesentlich umfangreichere Untersuchungen erforderlich seien, als bislang angenommen worden sei. Daher seien im Auftrag der mP Felduntersuchungen durchgeführt worden, deren Ergebnisse im Endbericht vom Februar 1991 dokumentiert seien. Hiezu habe der Sondersachverständige die Stellungnahme vom 7. August 1991 abgegeben. Da in der Folge eine Einigung zwischen den Parteien des Entschädigungsverfahrens nicht zustande gekommen sei, habe sich die mP dazu entschlossen, die zur Beantwortung der Frage 4 des Gutachtens des Sondersachverständigen vom 7. August 1991 erforderlichen Untersuchungen in Auftrag zu geben. Die Höhe einer allfälligen Entschädigung hänge nicht nur vom Einfluß der Wasserentnahme aus dem Brunnen auf die Durchflußmenge ab, sondern es müßten darüber hinaus noch weitere Fragen (z.B. Auswirkungen auf die jeweiligen Wasserkraftanlagen) vor der Entschädigungsfestsetzung beantwortet werden. Infolge der umfangreichen laufenden Untersuchungen könne das Entschädigungsverfahren innerhalb der Frist des § 73 Abs. 1 AVG nicht zum Abschluß gebracht werden. Mangels einer einvernehmlichen Lösung müsse als Voraussetzung für die Berechnung der Entschädigung die Erstellung des abschließenden Gutachtens abgewartet werden. Daß dieses Sachverständigengutachten bzw. die Untersuchungen und Ermittlungen verzögert durchgeführt worden seien, sei aus dem Akteninhalt nicht zu erkennen. Aus diesem Aktenverlauf ergebe sich aber eindeutig, daß das gemäß § 73 Abs. 2 AVG geforderte ausschließliche Verschulden der Behörde an der Verzögerung nicht vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mP hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub spätestens aber 6 Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Wird der Bescheid nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht nach § 73 Abs. 2 AVG auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Die Verzögerung der Entscheidung ist dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn diese Verzögerung weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1982, Slg. N.F. 10.758/A u.a.).

Die belangte Behörde behauptet der Sache nach das Vorliegen eines in einem langwierigen Ermittlungsverfahren gelegenen unüberwindlichen Hindernisses.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides reicht aber nicht aus, um beurteilen zu können, ob ein solches unüberwindliches Hindernis tatsächlich vorliegt. Die Begründung ist zu allgemein gehalten und enthält zum Teil nicht näher untermauerte Behauptungen. Angesichts der bisherigen überlangen Dauer des Verfahrens wäre eine eingehende Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufes in zeitlicher Abfolge und eine nachvollziehbare, über allgemeine Behauptungen hinausgehende Begründung für das Vorliegen sachlicher Gründe für die Dauer der einzelnen Verfahrensabschnitte erforderlich gewesen. In die Betrachtung wäre dabei nicht nur der Zeitraum nach der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 6. April 1989 einzubeziehen gewesen, sondern auch der vorangehende Zeitraum, da durch die Erlassung dieses Bescheides im vorangehenden Zeitraum allenfalls der Behörde zuzurechnende Verfahrensverzögerungen nicht saniert wurden. Eine Rechtfertigung für die Überschreitung der Entscheidungsfrist findet sich auch nicht in den vorgelegten Aktenteilen. Soweit diese überhaupt den Verfahrensgang erkennen lassen, enthalten sie im Gegenteil teilweise sogar Indizien für ungerechtfertigte Verfahrensverzögerungen. So hat z.B. der Sondersachverständige in einem Schreiben vom 18. Mai 1990, welches beim Landeshauptmann von Niederösterreich am 29. Mai 1990 einlangte, nach Erhalt des von der "Gruppe Wasser" vorgelegten Elaborates "grundwasserwirtschaftliche Untersuchung W H,

3. Bearbeitungsabschnitt" eine Aufarbeitung der darin enthaltenen Daten zu einem Kurzbericht durch die "Gruppe Wasser" vorgeschlagen. Der entsprechende Auftrag wurde der Gruppe Wasser vom Landeshauptmann erst im Oktober 1990 erteilt, weil zwischenzeitlich der Akt in Verstoß geraten war. Auch wurde das schon vom Dezember 1989 stammende erwähnte Elaborat der Behörde von der mP erst im März 1990 vorgelegt. Ein beim Landeshauptmann von Niederösterreich am 11. Dezember 1990 eingelangter Zwischenbericht wurde dem Sondersachverständigen erst im Mai 1991 übermittelt; zu diesem Zeitpunkt lag aber bereits der Endbericht vor.

Insbesondere ist auch die Tatsache, daß Sachverständigengutachten und Ermittlungsergebnisse erst nach längerer Zeit abgeliefert wurden, für sich allein nicht geeignet, das Vorliegen eines unüberwindbaren Hindernisses zu begründen. Es ist Aufgabe der Behörde, mit Sachverständigen und anderen in das Verfahren Involvierten sachlich begründete Termine zu vereinbaren, deren Einhaltung zu überwachen und bei Nichteinhaltung entsprechende Schritte zu setzen. Ob die Wasserrechtsbehörde erster Instanz dies im vorliegenden Fall getan hat, läßt sich der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht entnehmen.

Da die Begründung des angefochtenen Bescheides dessen Überprüfung auf seine Rechtmäßigkeit nicht ermöglicht, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1992070078.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

15.01.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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