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55 WirtschaftslenkungNorm
B-VG Art139 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Aufhebung einer Verordnung betreffend die Festlegung von Exportkontingenten für Rindfleisch für bestimmte Unternehmen; Präjudizialität einer bereits aufgehobenen, jedoch dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Verordnung; rechtswidrige Wahl der Verordnungsform für individuelle Regelungen; Unzulässigkeit der Aufteilung zukünftiger Kontingente ohne Kenntnis der EinzelanträgeSpruch
Die 43. Öffentliche Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, betreffend den Aufteilungsschlüssel für die Steiermark beim Export von Fleisch von männlichen und weiblichen Rindern, Z37.360/25-III/B/7/89, kundgemacht im Verlautbarungsblatt dieser Kommission vom 13. April 1989, 43. Stück, (aufgehoben durch die 8. Öffentliche Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, betreffend die Aufhebung der Aufteilungsschlüssel beim Export von männlichen und weiblichen Rindern, Z37.360/05-III/B/7/92, kundgemacht im Verlautbarungsblatt dieser Kommission vom 18. Februar 1992, 8. Stück), war gesetzwidrig.
Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die 43. Öffentliche Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, betreffend den Aufteilungsschlüssel für die Steiermark beim Export von Fleisch von männlichen und weiblichen Rindern, Z37.360/25-III/B/7/89, kundgemacht im Verlautbarungsblatt dieser Kommission vom 13. April 1989, 43. Stück, (43. Öffentliche Bekanntmachung 1989), lautet:
"Gemäß §6 Abs2 des Viehwirtschaftsgesetzes 1983, BGBl. Nr. 621, (VWG) in der Fassung der beiden VWG-Novellen 1984, BGBl. Nr. 264 und 1987, BGBl. Nr. 325, hat die Kommission in ihrer Sitzung am 13. April 1988 für die Aufteilung der für Viehankäufe in der Steiermark vorgesehenen Teilkontingente beim Export von Rindfleisch auf die nachstehend angeführten Exportfirmen folgenden Aufteilungsschlüssel festgelegt:
Firma %
_________________________________
Agrosserta 42,0 %
Vieh- und Fleischexport 16,1 %
Scheucher Fleisch 14,7 %
Zsifkovics 7,3 %
Hermann 5,7 %
Strobl 5,7 %
Prach 5,1 %
Schönberger 3,4 %
_________________________________
Summe 100,0 %
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Bis 10 Tage vor Ablauf des jeweiligen Verfahrens nicht beantragte Mengen sind auf Antrag den im Blatt 2 angeführten Firmen aliquot zu bewilligen.
Antragstellern, die bisher keine Exportleistungen erbracht haben, ist eine Ausfuhrbewilligung zu erteilen, wenn sie den Nachweis erbringen, daß sie innerhalb der für die gegenständliche Verordnung maßgeblichen Referenzperiode Leistungen für die Marktbelieferung und Absatzsicherung im Inland mindestens in jenem Ausmaß erbracht haben wie der Antragsteller mit dem geringsten Kontingentanspruch.
Die Öffentliche Bekanntmachung tritt mit Wirkung vom 14. April 1989 in Kraft."
Durch die 8. Öffentliche Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Z37.360/05-III/B/7/92, kundgemacht im Verlautbarungsblatt dieser Kommission vom 18. Februar 1992,
8. Stück, wurde die "Verordnung vom 13. April 1989, Zahl 37.360/25-III/B/7/89, betreffend Aufteilungsschlüssel für Steiermark ..." ausdrücklich aufgehoben.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß der zu B757/92 protokollierten Beschwerde beschlossen, die im Wortlaut wiedergegebene 43. Öffentliche Bekanntmachung 1989 gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
Die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, die den Anlaß zur Einleitung des gegenwärtigen Verordnungsprüfungsverfahrens bot, richtet sich gegen einen Bescheid der Unterkommission der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, mit dem Anträge der beschwerdeführenden Gesellschaft aus den Jahren 1990 und 1991 auf Erteilung von Ausfuhrbewilligungen für Rindfleisch abgewiesen wurden. Die Verweigerung der beantragten Ausfuhrbewilligungen wurde im angefochtenen Bescheid unter anderem damit begründet, daß durch verschiedene öffentliche Bekanntmachungen der Export von Rindfleisch für befristete Zeiträume geregelt wurde und jeweils gemäß Punkt 4 dieser öffentlichen Bekanntmachungen die Aufteilung der ausgeschriebenen Kontingente auf die Antragsteller und somit auch die Abweisung der Anträge der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß der 43. Öffentlichen Bekanntmachung 1989 erfolgte.
3. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Prüfungsbeschluß vom 19. März 1993, B757/92, davon aus, daß die 43. Öffentliche Bekanntmachung 1989 eine Verordnung nach Art139 B-VG darstellt und "daß die in Prüfung gezogene 43. Öffentliche Bekanntmachung 1989 nicht nur dem Verwaltungsverfahren zu Grunde lag, das zur Erlassung des angefochtenen Bescheides führte und daher in der Begründung dieses Bescheides auch mehrfach auf den in der 43. Öffentlichen Bekanntmachung 1989 festgelegten Aufteilungsschlüssel für Fleischexportkontingente Bezug genommen wurde, sondern daß er auch selbst für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der belangten Behörde, das zu dem vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheid führte, jene - mittlerweile außer Kraft gesetzte - Verordnung anzuwenden hat".
Der Verfassungsgerichtshof hegte gegen die in Prüfung gezogene 43. Öffentliche Bekanntmachung 1989 die gleichen Bedenken, die zur Aufhebung der 11. Öffentlichen Bekanntmachung betreffend den Aufteilungsschlüssel für Salzburg beim Export von Fleisch aus dem Jahr 1989 durch sein Erkenntnis vom 11. Dezember 1991, V75/91 ua., und zur Aufhebung der 10. Öffentlichen Bekanntmachung betreffend den Aufteilungsschlüssel für Oberösterreich beim Export von Fleisch aus dem Jahr 1989 durch sein Erkenntnis vom 11. Dezember 1991, V86/91 ua., führten.
Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gingen vorerst dahin, daß für die 43. Öffentliche Bekanntmachung 1989 rechtswidriger Weise die Form einer Verordnung gewählt wurde, obwohl dadurch individuelle Regelungen getroffen wurden, weil durch die Verordnung zukünftige Kontingente auf bestimmte Unternehmen als Normadressaten aufgeteilt wurden.
Ferner hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß es die 43. Öffentliche Bekanntmachung ausgeschlossen hat, daß "die Behörde über die jeweiligen, im Hinblick auf eine bestimmte Kontingentausschreibung gestellten Anträge eine Gesamtentscheidung anhand der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß dem Abs2 oder 3 des §6 Viehwirtschaftsgesetz 1983 trifft", weil durch die ohne Kenntnis der Einzelanträge vorweggenommene Aufteilung zukünftiger Kontingente wohl "der Verordnungsgeber den der Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von Rechts wegen zustehenden Ermessensspielraum vorweg konsumiert".
4. Die Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft beantragt in ihrer Äußerung, das Verordnungsprüfungsverfahren mangels Präjudizialität der in Prüfung gezogenen 43. Öffentlichen Bekanntmachung 1989 einzustellen.
Begründend führt die Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft aus, daß "die
43. Öffentliche Bekanntmachung 1989 ... der gegenständlichen
Entscheidung nicht mehr zugrunde gelegen (ist) und ... auch nicht
mehr zugrundeliegen (konnte), da sie bereits vor Erlassung des Bescheides aufgehoben wurde". Zwar hätte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, vor allem in der Sachverhaltsdarstellung, mehrfach auf die 43. Öffentliche Bekanntmachung 1989 Bezug genommen. Dies deshalb, weil die eingelangten Anträge anhand der jeweils bezughabenden öffentlichen Bekanntmachungen, die hinsichtlich der Aufteilung der aus dem Land Steiermark zur Ausfuhr vorgesehene Menge jeweils auf die 43. Öffentliche Bekanntmachung 1989 verwiesen hätten, zu prüfen waren. Im Rahmen des Parteiengehörs sei daher die beschwerdeführende Gesellschaft auf die gemäß der 43. Öffentlichen Bekanntmachung 1989 für eine Bewilligungserteilung notwendigen Leistungen hingewiesen worden. Die letzte Äußerung im Zuge des Parteiengehörs sei durch die beschwerdeführende Gesellschaft mit Schreiben vom 27. Dezember 1991, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die 43. Öffentliche Bekanntmachung 1989 noch in Geltung war, erfolgt. Die Aufteilung der Exportkontingente gemäß der 43. Öffentlichen Bekanntmachung 1989 sei aber für den im Beschwerdeverfahren zu B757/92 "angefochtenen Bescheid nicht mehr wesentlich (gewesen), da insbesondere der Exportzeitraum bereits abgelaufen war. Auch die zur Verfügung stehende Exportmenge war durch Zuteilung an andere Antragsteller bereits erschöpft."
Nach Ansicht der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft sei daher "zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der belangten Behörde ... die Anwendung der 43. Öffentlichen Bekanntmachung 1989 nicht erforderlich, da die Abweisung nämlich nicht wegen der Nichtberücksichtigung der beschwerdeführenden Gesellschaft in der
43. Öffentlichen Bekanntmachung 1989 erfolgt ist, sondern ... infolge Ablauf des Exportzeitraumes". Dies sei auch der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen. Das Verordnungsprüfungsverfahren sei daher einzustellen.
5. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gab bekannt, von einer Äußerung mit Rücksicht auf die Stellungnahme der Vieh- und Fleischkommission Abstand zu nehmen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat auf Grund der - zulässigen - Beschwerde bei seiner Überprüfung des angefochtenen Bescheides entgegen der Auffassung der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft auch die
43. Öffentliche Bekanntmachung 1989, eine Verordnung (vgl. VfGH 11.12.1991, V75/91 ua., S. 6/7), anzuwenden. Die in Prüfung gezogene 43. Öffentliche Bekanntmachung 1989 lag nämlich nicht nur dem Verwaltungsverfahren zugrunde, das zur Erlassung des angefochtenen Bescheides führte, wie auch der Begründung dieses Bescheides zu entnehmen ist, in der mehrfach auf den in der
43. Öffentlichen Bekanntmachung 1989 festgelegten Aufteilungsschlüssel für Fleischexportkontingente Bezug genommen wurde. Sondern der Verfassungsgerichtshof hat auch zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der belangten Behörde, das zum angefochtenen Bescheid führte, jene Verordnung anzuwenden, mag diese auch bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheides von der Behörde durch die 8. Öffentliche Bekanntmachung 1992 aufgehoben worden sein. Die mit dem angefochtenen Bescheid abschlägig erledigten Anträge der beschwerdeführenden Gesellschaft bezogen sich nämlich auf (- durch öffentliche Bekanntmachungen der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft kundgemachte -) Aufforderungen zur Antragstellung für die Erteilung von Ausfuhrbewilligungen für Zeiträume, in denen der Kontingentaufteilungsschlüssel - noch - in Kraft stand, der mit der in Prüfung gezogenen 43. Öffentlichen Bekanntmachung 1989 festgelegt wurde. Mag sohin auch der angefochtene Bescheid erst nach Aufhebung der 43. Öffentlichen Bekanntmachung 1989 erlassen worden sein, so bezog sich doch die darin ausgesprochene Abweisung von Anträgen auf Kontingentausschreibungen, für welche der Aufteilungsschlüssel der 43. Öffentlichen Bekanntmachung 1989 heranzuziehen war.
Wie die kraft Art139 Abs4 B-VG vorgesehene Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes bei Verordnungen, die im Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getreten sind, erkennen läßt, hindert die Aufhebung der Verordnung durch die Behörde selbst das Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art139 Abs1 B-VG jedenfalls dann nicht, wenn zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheides die Verordnung heranzuziehen ist und der Verfassungsgerichtshof in diesem Sinne gemäß Art139 Abs1 B-VG "eine solche Verordnung in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte". Da durch den angefochtenen Bescheid die Anträge wegen und auf Grund des in der 43. Öffentlichen Bekanntmachung 1989 festgelegten Aufteilungsschlüssels abzuweisen waren, ist diese Verordnung für den Verfassungsgerichtshof im Sinne des Art139 Abs4 B-VG präjudiziell, gleichgültig ob sie zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch in Geltung stand oder nicht.
Das Verordnungsprüfungsverfahren ist sohin gemäß Art139 Abs1 und 4 B-VG zulässig.
2. Die im Prüfungsbeschluß unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1991, V75/91 ua., und vom 11. Dezember 1991, V86/91 ua., aufgezeigten und oben unter Punkt I. 3. kurz wiedergegebenen Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der 43. Öffentlichen Bekanntmachung 1989 treffen zu.
Die 43. Öffentliche Bekanntmachung 1989 der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, betreffend den Aufteilungsschlüssel für die Steiermark beim Export von Fleisch von männlichen und weiblichen Rindern, war sohin gesetzwidrig.
Die Verpflichtung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs ergibt sich aus Art139 Abs5 B-VG.
3. Diese Entscheidung konnte vom Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, Wirtschaftslenkung, ViehwirtschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:V37.1993Dokumentnummer
JFT_10069071_93V00037_00