TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/16 94/09/0030

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Veröffentlicht am 16.11.1995
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Fuchs und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der X-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 20. Dezember 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei beantragte am 13. April 1993 für ihren Betrieb "wirtschaftliches Werbewesen" die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den kroatischen Staatsangehörigen N.K. als "Kontrollor".

Diesen Antrag wies das zuständige Arbeitsamt mit Bescheid vom 30. April 1993 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Nach § 4 Abs. 6 AuslBG dürften Beschäftigungsbewilligungen nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen nur erteilt werden, wenn die dort genannten Voraussetzungen (es erfolgt eine Zitierung dieser Gesetzesstelle) erfüllt seien. Im gegenständlichen Verfahren habe der Vermittlungsausschuß eine Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe das Ermittlungsverfahren ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In der Berufung vom 12. Mai 1993 wurde geltend gemacht, daß N.K. bereits eine erste Beschäftigungsbewilligung am 13. November 1991 erhalten habe und die Verlängerung noch bis 30. Juni 1993 gültig wäre, nur habe N.K. seinen Arbeitsplatz gewechselt. Der jugoslawische Staatsangehörige N.R., der bei der beschwerdeführenden Partei mit einer Arbeitsgenehmigung gearbeitet habe, habe einen tödlichen Verkehrsunfall erlitten und N.K. könnte diesen Arbeitsplatz einnehmen. Betont werde auch, daß die Ehegattin von N.K. auch "eine Genehmigung" habe und das Kind hier in die Schule gehe.

Mit Schriftsatz vom 24. Mai 1993 ersuchte das Arbeitsamt die beschwerdeführende Partei um Mitteilung, ob eine Ersatzkraft für den beantragten Ausländer gewünscht werde, wozu ein Vermittlungsauftrag erteilt werden möge.

Den entsprechenden Vordruck beantwortete die beschwerdeführende Partei dahingehend, daß sie um Zuweisung von Arbeitskräften, die anstelle des beantragten Ausländers beschäftigt werden sollten, ersuche (einen entsprechenden Vermittlungsauftrag brachte die beschwerdeführende Partei unter einem bei).

Im Verwaltungsakt finden sich sodann Unterlagen über das offensichtlich durchgeführte Vermittlungsverfahren und ein handschriftlicher, mit einer Paraphe gefertigter Vermerk vom 19. Oktober 1993, in dem festgehalten wird, daß der "Fa" 59 Personen zugewiesen worden seien - 47 seien wegen mangelnder Qualifikation nicht eingestellt worden (zu 11 hätten keine Angaben gemacht werden können und 1 Person sei zum Arbeitsbeginn nicht erschienen). Laut Telefongespräch mit "Hr. B" habe sich eine weitere Person beworben. "Es soll diese eingestellt werden. Von weiteren Vermittlungen soll Abstand genommen werden".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. Dezember 1993 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 4 Abs. 6 i.V.m. § 4 Abs. 1 und § 13a AuslBG keine Folge. Die belangte Behörde gab dazu die einschlägige Rechtslage wieder und führte zur im § 4 Abs. 6 AuslBG relevanten Überschreitung der Landeshöchstzahl aus, daß die Landeshöchstzahl für das Kalenderjahr 1993 mit Verordnung vom 30. November 1992, BGBl. Nr. 738/1992, mit 97.000 festgesetzt worden sei. Diese Landeshöchstzahl sei laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit Beginn des Kalenderjahres 1993 weit überschritten. Somit seien bei Anträgen auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung in jedem Fall sowohl die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 als auch des § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen. N.K. werde für die Beschäftigung als "Kontrollor" beantragt. Eine Überprüfung der Lage auf dem verfahrensgegenständlichen Arbeitsmarkt habe ergeben, daß derzeit für die konkret beantragte Beschäftigung geeignete Arbeitskräfte, die zur Vermittlung vorgemerkt seien und gleichzeitig dem begünstigten Personenkreis des § 4b AuslBG angehörten, zur Deckung des Arbeitskräftebedarfes zur Verfügung stünden. Die beantragte ausländische Arbeitskraft erfülle hingegen nicht die Voraussetzungen, durch die sie den vorrangig zu vermittelnden Personenkreis des § 4b AuslBG zugeordnet werden könne. Angesichts der dargestellten Situation auf dem verfahrensrelevanten Teilarbeitsmarkt sei der beschwerdeführenden Partei die Möglichkeit einer Ersatzkraftstellung angeboten worden. Es sei zu zahlreichen Zuweisungen gekommen, zuletzt sei die Auskunft erteilt worden, daß von weiteren Zuweisungen Abstand genommen werden möge. Die Berufungsausführungen seien daher gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht geeignet, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den beantragten Ausländer zu begründen. Außerdem seien weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der angefochtene Bescheid verletze die beschwerdeführende Partei in ihrem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für N.K., sowie im Recht auf Durchführung eines mängelfreien, dem Gesetz entsprechenden Ermittlungsverfahrens.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Schon die Berechtigung eines dieser Versagungsgründe würde die Abweisung der Beschwerde rechtfertigen.

Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, die Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 Abs. 1 AuslBG muß aufgrund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, das von Amts wegen unter Beteiligung des Antragstellers durchzuführen ist, vorerst festgestellt werden, für welche Beschäftigung diese Bewilligung konkret beantragt wird, ob das geltend gemachte Anforderungsprofil in den Notwendigkeiten des Betriebes objektiv gerechtfertigt ist und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes - unter Beachtung der Regelung des § 4b AuslBG - diese konkrete Beschäftigung (des für sie in Aussicht genommenen Ausländers) zuläßt. Das wird immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens eine der bevorzugt zu vermittelnden Personen entsprechend der im § 4b AuslBG enthaltenen Reihenfolge zur Verfügung steht, die bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen konkret auszuüben (vgl. dazu beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1994, 93/09/0278, m.w.N.).

Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Erstellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1994,

93/09/0379, m.w.N.).

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß seitens der beschwerdeführenden Partei die Stellung von Ersatzkräften nicht abgelehnt wurde, diese vielmehr einen entsprechenden Vermittlungsauftrag erteilt hat. Die belangte Behörde gelangte zu ihrer abweisenden Entscheidung nach § 4 Abs. 1 AuslBG offenbar deshalb, weil sie entsprechend dem Vermerk vom 19. Oktober 1993 vom Ergebnis eines Telefongespräches ausging, nach dem von weiteren Vermittlungen Abstand genommen werden möge. Dieser Vermerk ist aber weder betreffend den Ersteller (unleserliche Paraphe) noch der Beziehung eines "Hr. B" zur beschwerdeführenden Partei zuordenbar (in der Gegenschrift geht die belangte Behörde zur Ablehnung nach § 4 Abs. 1 AuslBG im übrigen mit keinem Wort ein).

Damit ist aber auch dem Verwaltungsgerichtshof eine nachprüfende Kontrolle dahingehend verwehrt, ob der Vermerk vom 19. Oktober 1993 in einem ordnungsmäßigen Verfahren (unter Beteiligung der beschwerdeführenden Partei) zustandegekommen ist. Die beschwerdeführende Partei ist daher im Ergebnis mit ihrer vorgetragenen Verfahrensrüge (die im wesentlichen darauf hinausläuft, daß ihr zur angeblich stattgefundenen Überprüfung der Lage des Arbeitsmarktes und dem angeblichen Vorhandensein von Ersatzkräften kein Parteiengehör gewährt worden wäre) im Recht.

Der angefochtene Bescheid konnte aber auch nicht mängelfrei auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt werden:

§ 4 Abs. 6 AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung (Z. 1 i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer,

b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Die im angefochtenen Bescheid zu § 4 Abs. 6 AuslBG enthaltenen Ausführungen, wonach weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung vorgebracht worden seien, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG erfüllt werde, sind insofern aktenwidrig, als in der Berufung (und nunmehr in der Beschwerde) ausdrücklich auf das Ausscheiden eines anderen ausländischen Arbeitnehmers infolge eines tödlichen Verkehrsunfalles hingewiesen wurde. Durch das Vorbringen, wonach N.K. auf dessen Arbeitsplatz eingesetzt werden sollte, waren eindeutig die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG angesprochen und es wäre Aufgabe der belangten Behörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht gewesen, das tatsächliche Vorliegen dieser Voraussetzungen zu prüfen. Aus den Ausführungen in der Gegenschrift, wonach kein "substantielles" Vorbringen zum Vorliegen einer Erteilungsvoraussetzung gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG erstattet worden wäre, läßt sich somit für die belangte Behörde nichts gewinnen läßt.

Die belangte Behörde hat daher auch im Rahmen des § 4 Abs. 6 AuslBG Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung es nicht auszuschließen ist, daß sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Bei diesem Verfahrensergebnis konnte das weitere Beschwerdevorbringen zu § 4 Abs. 6 AuslBG, in dem auch ein Fehlen des Parteiengehörs zur Frage der Überschreitung der Landeshöchstzahl geltend gemacht wird, dahingestellt bleiben (siehe im übrigen dazu beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1994, 93/09/0428).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994090030.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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