TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/17 95/02/0222

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Veröffentlicht am 17.11.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §38;
StVO 1960 §82 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der politischen Partei "B", vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. November 1994, Zl. VerkR-180.013/4-1994/Vie, betreffend Bewilligung gemäß § 82 der Straßenverkehrsordnung 1960 (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Bad Ischl, zu Handen des Bürgermeisters), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Bad Ischl wurde das Ansuchen der Beschwerdeführerin auf Aufstellung eines Informationsständers an einem näher beschriebenen Ort unter Berufung auf die §§ 82 und 83 StVO abgewiesen. Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 28. November 1994 keine Folge.

In der Begründung wurde - soweit für die Erledigung der vorliegenden Beschwerde von Belang - im wesentlichen ausgeführt, die Berufungsbehörde (der Gemeinderat) habe entsprechend der Vorschrift des § 83 StVO ein verkehrstechnisches Gutachten eingeholt, woraus sich ergeben habe, daß gegen die Aufstellung des beantragten Informationsständers am angeführten Standort in verkehrstechnischer Hinsicht keine Bedenken bestünden. Die Berufungsbehörde habe diese Bewilligung dennoch nicht erteilt und sich dabei darauf berufen, daß auf Grund der fehlenden, vom Bürgermeister der Stadtgemeinde Bad Ischl nicht erteilten privatrechtlichen Sondergebrauchserlaubnis nach dem Oberösterreichischen Landes-Straßenverwaltungsgesetz eine weitere Voraussetzung nicht vorliege; als sonstige Rechtsvorschriften im Sinne des § 82 Abs. 1 StVO seien unter anderem Straßenverwaltungsgesetze zu verstehen; Bewilligungen nach diesem Gesetz seien danach als Vorfrage zu werten und daher vor der straßenpolizeilichen Genehmigung zu erteilen (vgl. Benes-Messiner, Straßenverkehrsordnung in der Fassung der 15. StVO-Novelle, 8. Auflage, FN 3 zu § 82). Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Bad Ischl habe die erforderliche (privatrechtliche) Bewilligung für eine Sondergebrauchserlaubnis nach dem Oberösterreichischen Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1975 nicht erteilt. Das hinsichtlich dieser Vorfrage anhängige Verfahren sei somit als abgeschlossen bzw. nicht mehr anhängig anzusehen. Die Vorstellungsbehörde vermöge sohin darin, daß die Berufungsbehörde auf Grund des Fehlens der erforderlichen Sondergebrauchserlaubnis (somit negativ entschiedener Vorfrage) trotz Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen die Berufung der Vorstellungswerberin abgewiesen habe, keine entscheidungswesentliche Verletzung von Rechtsvorschriften zu erkennen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom 27. Februar 1995, Zl. B 155/95, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. Dieser hat erwogen:

Die belangte Behörde vertritt in der Gegenschrift neuerlich die Rechtsansicht, bei der Prüfung der Frage, ob die Bewilligung nach § 82 StVO zu erteilen gewesen wäre, sei wesentlich gewesen, daß die erforderliche "Sondernutzungsbewilligung" nicht vorgelegen sei und somit eine der Voraussetzungen der angestrebten straßenpolizeilichen Bewilligung nicht vorgelegen habe. Sie verweist neuerlich auf die zitierte Ansicht von Benes-Messiner, wonach die Bewilligung nach Straßenverwaltungsgesetzen als Vorfrage zu werten und daher vor der straßenpolizeilichen Bewilligung zu erteilen gewesen wäre.

Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen: Gemäß § 82 Abs. 1 erster Satz StVO ist für die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, z.B. zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, unbeschadet sonstiger Vorschriften eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich.

In der zitierten Fußnote 3 zu der Wendung "unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften" wird von Benes-Messiner wörtlich ausgeführt: "Z.B. Gebrauchsgebührengesetze, Straßenverwaltungsgesetze, Bauordnungen, Naturschutzgesetze; Bewilligungen nach diesen G sind als Vorfrage zu werten und daher vor der straßenpolizeilichen Genehmigung zu erteilen.". Eine nähere Begründung für diese Rechtsanschauung enthält die erwähnte Fußnote nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Rechtsanschauung nicht zu teilen und pflichtet vielmehr Dittrich-Stolzlechner (Österreichisches Straßenverkehrsrecht I. Teil: Straßenverkehrsordnung 1960, 3. Auflage, RZ 13 zu § 82 StVO) bei, wonach die nach einer anderen Verwaltungsvorschrift für ein konkretes Vorhaben erforderliche Bewilligung die Bewilligungspflicht gemäß § 82 StVO nicht berühre und diesfalls - voneinander unabhängig - zwei oder mehrere Bewilligungen einzuholen seien. Es sei daher die Qualifiktion von Bewilligungen nach anderen Verwaltungsvorschriften als Vorfrage (§ 38 AVG) ebenso unzutreffend wie die Behauptung, es bestünde eine zwingende zeitliche Reihenfolge in die Richtung, daß die nach den sonstigen Verwaltungsvorschriften vorgesehenen Bewilligungen vor der straßenpolizeilichen Genehmigung zu erteilen wären, zumal eine derart zwingende, zeitliche Verfahrensabfolge nirgends verankert sei.

Ausgehend von dieser Rechtsanschauung erweist sich der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Stempelgebührenersatz war nur für die für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erforderliche dritte Ausfertigung der Beschwerde zuzuerkennen, weil im Falle der Abtretung einer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegenden Beschwerdeführer kein Ersatz von Stempelgebühren gebührt, die er im vorangegangenen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof entrichten mußte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1990, Zl. 90/19/0087).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995020222.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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