TE Lvwg Erkenntnis 2023/2/14 LVwG-2022/27/2513-2

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Veröffentlicht am 14.02.2023
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Entscheidungsdatum

14.02.2023

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Rosenkranz über die Beschwerde des Herrn AA, vertreten durch BB, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 16.08.2022, Zl ***, wegen Übertretungen der StVO,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45Paragraph 45, Abs 1Absatz eins, Z 1Ziffer eins, VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133Artikel 133, Abs 4Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden dem Beschwerdeführer
29 Verwaltungsübertretungen der StVO und eine Verwaltungsübertretung des FSG am 14.05.2022 in der Zeit zwischen 08:55 Uhr und 09:15 Uhr an näher bezeichneten Orten in Z zur Last gelegt und wurden über ihn Geldstrafen in Höhe von insgesamt Euro 3.398,60, entsprechende Ersatzfreiheitsstrafen und ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens verhängt.

Dagegen hat der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Sohn, rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser Beschwerde wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig/schuldfähig, aufgrund einer psychischen Krankheit gewesen sei.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt sowie in den
Akt *** des Landesgerichts Z.

II.      Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hat am 14.05.2022 in der Zeit zwischen 08:55 Uhr und 09:15 Uhr ein Motorrad in Z gelenkt und dabei diverse Verwaltungsübertretungen begangen.

Am 20.09.2022 fand vor dem Landesgericht Z als Schöffengericht eine öffentlich und mündlich durchgeführte Hauptverhandlung statt, in welcher zu Recht erkannt wurde, dass der Beschwerdeführer unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, nämlich eines manisch-psychotischen Zustandes im Rahmen in einer bipolar affektiven Störung, die auf einer geistigen oder seelischen Abnormität höheren Grades beruht, am 13.05.2022 eine gefährliche Drohung begangen, die ihm jedoch aufgrund der Zurechnungsunfähigkeit zur Tatzeit nicht zugerechnet werden konnte und wurde er gemäß § 21Paragraph 21, Abs 1Absatz eins, StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Grundlage der Entscheidung des Landesgerichts Z war unter anderem ein psychiatrisches Gutachten sowie ein Ergänzungsgutachten der Sachverständigen CC vom 19.09.2022 samt Erörterung des Gutachtens in der Hauptverhandlung. Aus dem Gutachten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer auch am 02.05.2022, am 11.05.2022 und am 13.05.2022 aufgrund einer bipolar affektiven Störung, die zu diesen Tatzeitpunkten manisch entgleist gewesen war, sich in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand befunden hatte, der auf einer geistigen Abnormität höherem Grades beruht. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Unrechtseinsicht oder die Möglichkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, da der Realitätsbezug aufgehoben gewesen war. Nichts Anderes gilt für den 14.05.2022.

III.     Beweiswürdigung:

Die vorerwähnten Feststellungen konnten in unbedenklicher Weise, aufgrund des behördlichen Akts sowie, des Akts des Landesgerichts Z zu ***, insbesondere den in diesem Akt einliegenden psychiatrischen Gutachten, betroffen werden.

IV.      Rechtslage:

Die wesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl Nr. 52/1991 idFin der Fassung BGBl I Nr 58/2018, lauten:

„§ 45

(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.  die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.  der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.  Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4.  die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5.  die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6.  die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

[…]“

V.       Erwägungen:

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, nämlich eines manisch-psychotischen Zustandes im Rahmen einer bipolar affektiven Störung, die auf einer geistigen oder seelischen Abnormität höheren Grades beruht, gestandet hat.

Die vom Beschwerdeführer begangenen Verwaltungsübertretungen können ihm sohin mangels Zurechnungsfähigkeit nicht als strafbar zur Last gelegt werden.

Aufgrund der mangelnden Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers war der Beschwerde daher Folge zu geben.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133Artikel 133, Abs 4Absatz 4, B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Rosenkranz

(Richter)

Schlagworte

Unzurechnungsfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2022.27.2513.2

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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