TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/22 95/21/0037

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Veröffentlicht am 22.11.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §18;
VStG §51 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 11. August 1994, Zl. III 249/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 11. August 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Republik Kroatien, gemäß § 18 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 iVm den §§ 19, 20 und 21 FrG ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer wegen Übertretung des Fremdengesetzes, des § 64 Abs. 1 KFG (dreimal), des Meldegesetzes und des § 5 Abs. 1 StVO rechtskräftig bestraft worden sei. Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG sei erfüllt; die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme sei gerechtfertigt.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes stelle einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar. Diese Maßnahme sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, des Schutzes der Rechte anderer sowie zum Schutz der öffentlichen Ordnung dringend geboten.

Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Der Beschwerdeführer halte sich seit März 1992 mit seiner Gattin und den zwei minderjährigen Kindern in Österreich auf. Die Gattin sei als Hilfsarbeiterin im Gastgewerbe tätig und komme so für den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers und seiner Kinder auf. Der Beschwerdeführer habe eine intensive familiäre Bindung zu seiner Familie, mit der er im gemeinsamen Haushalt lebe. Aufgrund der vom Beschwerdeführer ausgehenden großen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, in concreto im Straßenverkehr und für ein geordnetes Fremdenwesen, hätten die mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Beeinträchtigungen seines Privat- und Familienlebens zurückzutreten; dies in Anbetracht der relativen Kürze des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner Familie im Bundesgebiet.

Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes entspreche den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen. Die Berufungsbehörde sei im Gegensatz zur Erstbehörde aufgrund der Permanenz der schweren Verwaltungsstraftaten des Beschwerdeführers der Ansicht, daß für den Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, das Verstreichen von zehn Jahren vonnöten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor; auf die Erstellung einer Gegenschrift verzichtete sie.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid genannten rechtskräftigen Bestrafungen und stimmt auch der Auffassung der belangten Behörde zu, daß es sich bei dem Alkoholdelikt (im Straßenverkehr) um ein schwerwiegendes Vergehen handle. Er meint aber, die Bestrafungen nach den §§ 64 KFG und dem Fremden- und Meldegesetz erfüllten nicht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG.

Dem ist entgegenzuhalten, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Oktober 1995, Zl. 95/21/0747) Übertretungen nach § 64 Abs. 1 KFG als schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG zu qualifizieren sind. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, warum dies nicht auch in seinem Fall gelten sollte. Diese Verwaltungsübertretungen erfüllen für sich allein den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG. Weiters ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß die mehr als einmal erfolgte rechtskräftige Bestrafung wegen Übertretung eines der im § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG genannten Gesetze jedenfalls den Tatbestand dieser Bestimmung erfüllt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. März 1994, Zl. 94/18/0077).

Die Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG aufgrund der erfolgten rechtskräftigen Bestrafung wegen dreier Übertretungen des § 64 KFG, einer des § 5 Abs. 1 StVO sowie des Fremdengesetzes und des Meldegesetzes erfüllt sei, ist demnach nicht rechtswidrig.

Gleiches trifft für die Auffassung der belangten Behörde zu, daß die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt und die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer zum Schutz der öffentlichen Ordnung und der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig sei. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die Rechtsanschauung der belangten Behörde im Hinblick auf die von den inkriminierten Verhaltensweisen des Beschwerdeführers ausgehende große Gefahr für die Allgemeinheit unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und Sicherheit keine Bedenken. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände, daß er kein Wort Deutsch spreche und seit seiner Wohnungsnahme in Schönberg keinerlei Übertretungen begangen habe, sprechen nicht gegen diese Annahme. Daß die den rechtskräftigen Bestrafungen zugrundeliegenden Sachverhalte bzw. konkrete Sachverhaltselemente gegen diese Auffassung sprechen würden, wird in der Beschwerde gar nicht behauptet.

In bezug auf die nach § 20 Abs. 1 FrG gebotene Abwägung weist der Beschwerdeführer einerseits auf die Intensität seiner familiären Bindung hin und andererseits macht er geltend, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes und in weiterer Folge die Abschiebung zwingend dazu führe, daß er in die Kriegsgeschehnisse verwickelt werde.

Auch diese Ausführungen sind nicht zielführend. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrmals dargetan hat, wird mit einem Aufenthaltsverbot ausschließlich das Verbot, sich weiter in Österreich aufzuhalten, ausgesprochen, nicht jedoch darüber abgesprochen, in welches Land der Fremde auszureisen habe, allenfalls abgeschoben werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0552, mit weiterem Nachweis).

Die belangte Behörde hat auf die behauptete Intensität der familiären Bindung des Beschwerdeführers ohnehin Bedacht genommen und auch auf alle anderen zu berücksichtigenden privaten und familiären Gesichtspunkte, die gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechen. Wenn die belangte Behörde wegen der vom Beschwerdeführer gezeigten Mißachtung der zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und des Kraftfahrwesens dienenden Vorschriften das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes als zumindest ebenso schwerwiegend ansah wie das gegenläufige private Interesse des Beschwerdeführers, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, daß die von der Behörde erster Instanz mit fünf Jahren bemessene Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes von der belangten Behörde auf zehn Jahre erhöht wurde.

Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Auf das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sind die Bestimmungen des AVG anzuwenden. Dieses enthält keine dem § 51 VStG vergleichbare Bestimmung, sodaß die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG auch in diesem Punkte ihre Rechtsanschauung anstelle der der Behörde erster Instanz setzen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 93/18/0581).

Hingegen bekämpft der Beschwerdeführer mit Recht die Dauer des Aufenthaltsverbotes an sich. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, warum unter Bedachtnahme auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände (§ 21 Abs. 2 FrG) der Wegfall des Grundes für diese Maßnahme unter der Voraussetzung künftigen Wohlverhaltens des Beschwerdeführers erst nach Ablauf der gesetzlichen Höchstdauer von zehn Jahren angenommen werden könne. Ob die von der belangten Behörde ins Treffen geführte "Permanenz der schweren Verwaltungsstraftaten des Beschwerdeführers" tatsächlich vorliegt, entzieht sich einer Überprüfung des Verwaltungsgerichtshofes, weil weder dem angefochtenen Bescheid noch den vorgelegten Verwaltungsakten die einzelnen Zeitpunkte bzw. Zeiträume der Straftaten entnommen werden können.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Umfang der Abänderungsbefugnis Reformatio in peius

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210037.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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