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34 MonopoleNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litdLeitsatz
Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des GlücksspielG betreffend die Aufgaben der Spielbankleitung bei Gefährdung des Existenzminimums wegen zu engen AnfechtungsumfangsSpruch
I. Der Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Der Antragsteller begehrt, der Verfassungsgerichtshof möge "die Wortfolge 'mit der Gültigkeit des Spielvertrages oder' im letzten Satz des §25 Abs3 GlücksspielG idF BGBl I Nr 5/2005 in eventu §25 Abs3 GlücksspielG letzter Satz als verfassungswidrig aufheben". Darüber hinaus beantragt der Antragsteller, ihm Verfahrenshilfe im Umfang der Eingabengebühr zu gewähren.
II. Rechtslage
1. §5 und §25 des Bundesgesetzes vom 28. November 1989 zur Regelung des Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz – GSpG), BGBl 620/1989, idF BGBl I 104/2019 lauten auszugsweise (die im Hauptantrag angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):
"Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten
§5. (1) Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten sind Ausspielungen nach §2 Abs3 an ortsfesten, öffentlich zugänglichen Betriebsstätten unter Einhaltung ordnungspolitischer Mindestanforderungen an Bewilligungswerber (Abs2) sowie besonderer Begleitmaßnahmen der Spielsuchtvorbeugung (Abs3 bis 5), der Geldwäschevorbeugung (Abs6) und der Aufsicht (Abs7)
1. in Automatensalons mit mindestens 10 und höchstens 50 Glücksspielautomaten oder
2. in Einzelaufstellung mit höchstens drei Glücksspielautomaten.
Dabei darf ein höchstzulässiges Verhältnis von einem Glücksspielautomat pro 1 200 Einwohner insgesamt im Bundesland nicht überschritten werden und die Anzahl der aufrechten Bewilligungen zum Betrieb von Glücksspielautomaten ist mit höchstens drei pro Bundesland beschränkt. Im Bundesland Wien beträgt das höchstzulässige Verhältnis ein Glücksspielautomat pro 600 Einwohner. Die Einwohnerzahl eines Bundeslandes bestimmt sich nach dem für den jeweiligen Finanzausgleich von der Bundesanstalt Statistik Österreich zuletzt festgestellten und kundgemachten Ergebnis der Statistik des Bevölkerungsstandes oder der Volkszählung zum Stichtag 31. Oktober, wobei das zuletzt kundgemachte Ergebnis im Zeitpunkt der Erteilung von Bewilligungen maßgeblich ist.
(2) […]
Spielbankbesucher
§25. (1) Der Besuch der Spielbank ist nur Personen gestattet, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben.
(2) Die Spielbankleitung kann Personen ohne Angabe von Gründen vom Besuch der Spielbank ausschließen. Die Spielbankleitung hat ihre Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit zumindest einer Spielerschutzeinrichtung im Umgang mit Spielsucht zu schulen.
(3) Entsteht bei einem Staatsbürger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes die begründete Annahme, dass Häufigkeit und Intensität seiner Teilnahme am Spiel für den Zeitraum, in welchem er mit dieser Intensität und Häufigkeit spielt, das Existenzminimum gefährden, hat die Spielbankleitung wie folgt vorzugehen:
1. Es sind Auskünfte bei einer unabhängigen Einrichtung einzuholen, die Bonitätsauskünfte erteilt (unabhängige Bonitätsauskünfte).
a) Wird durch diese Auskünfte die begründete Annahme, dass die fortgesetzte und unveränderte Teilnahme am Spiel das konkrete Existenzminimum dieses Spielers gefährdet, bestätigt, hat die Spielbank durch besonders geschulte Mitarbeiter mit dem Spielteilnehmer ein Beratungsgespräch zu führen, in welchem der Spielteilnehmer auf die Gefahren der Spielteilnahme und der möglichen Gefährdung des Existenzminimums hingewiesen wird und sind dem Spielteilnehmer Informationen über Beratungseinrichtungen anzubieten.
b) Nimmt der Spielteilnehmer trotz dieses Beratungsgespräches unverändert häufig und intensiv am Spiel teil oder verweigert er dieses Beratungsgespräch, ist die Spielbankleitung verpflichtet, ihm den Besuch der Spielbank dauernd oder auf eine bestimmte Zeit zu untersagen oder die Anzahl der Besuche einzuschränken.
2. Ist die Einholung unabhängiger Bonitätsauskünfte nicht möglich oder sind diese nicht aussagekräftig, so hat die Spielbank
a) durch besonders geschulte Mitarbeiter mit dem Spielteilnehmer ein Beratungsgespräch zu führen, in welchem der Spielteilnehmer auf die Gefahren der Spielteilnahme und der möglichen Gefährdung des Existenzminimums hingewiesen wird und sind dem Spielteilnehmer Informationen über Beratungseinrichtungen anzubieten.
b) Im Anschluss daran ist der Spielteilnehmer zu befragen, ob seine Einkommens- und Vermögenssituation derart ist, dass durch seine Teilnahme am Spiel sein konkretes Existenzminimum gefährdet ist.
c) Wird durch das Beratungsgespräch und die Befragung des Spielteilnehmers über eine allfällige Gefährdung seines Existenzminimums die begründete Annahme bestätigt, dass die fortgesetzte und nach Häufigkeit und Intensität unveränderte Teilnahme am Spiel sein konkretes Existenzminimum gefährden würde, oder verweigert der Spielteilnehmer das Beratungsgespräch oder die Auskunft, ob eine Gefährdung seines Existenzminimums vorliegt, ist die Spielbankleitung verpflichtet, ihm den Besuch der Spielbank dauernd oder auf eine bestimmte Zeit zu untersagen oder die Anzahl der Besuche einzuschränken.
Eine über die Einholung der unabhängigen Bonitätsauskünfte, das Beratungsgespräch oder die Befragung des Spielteilnehmers hinausgehende Überprüfungs- und Nachforschungspflicht der Spielbankleitung besteht nicht.
Verletzt die Spielbankleitung die nach Z1 und 2 vorgeschriebenen Pflichten und beeinträchtigt der Spielteilnehmer durch die deshalb unveränderte Teilnahme am Spiel sein konkretes Existenzminimum, haftet die Spielbankleitung für die dadurch während der unveränderten Teilnahme am Spiel eintretenden Verluste. Das Existenzminimum ist nach der Exekutionsordnung in der jeweils geltenden Fassung (allgemeiner monatlicher Grundbetrag) zu ermitteln.
Die Haftung ist innerhalb von drei Jahren nach dem jeweiligen Verlust gerichtlich geltend zu machen. Die Spielbankleitung haftet nicht, sofern der Spielteilnehmer bei seiner Befragung nicht offensichtlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder wenn ihr bei der Erfüllung ihrer Pflichten nur leichte Fahrlässigkeit vorwerfbar ist.
Dieser Absatz regelt abschließend alle Ansprüche des Spielteilnehmers gegen die Spielbankleitung im Zusammenhang mit der Gültigkeit des Spielvertrages oder mit Verlusten aus dem Spiel.
(4) Den Spielbankbesuchern ist das Mitführen technischer Hilfsmittel, die geeignet sind, sich oder anderen einen Spielvorteil zu verschaffen, nicht gestattet.
(5) Ergeben sich begründete Anhaltspunkte dafür, daß eine Person technische Hilfsmittel im Sinne des Abs4 mit sich führt, so hat die Spielbankleitung diese vom Besuch der Spielbank auszuschließen."
2. §4 des Niederösterreichischen Spielautomatengesetzes 2011, LGBl 7071-0, idF LGBl 73/2019 lautet (auszugsweise):
"§4
Anforderungen für den Betrieb von Glücksspielautomaten
(1) Wer Glücksspielautomaten betreibt, hat den in Abs2 bis 6 angeführten Anforderungen zu entsprechen.
(2) Ordnungspolitische Anforderungen:
1. […]
(3) Begleitende Rahmenbedingungen:
1. […]
8. §25 Abs3 GSpG ist sinngemäß anzuwenden.
(4) […]"
III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Der Antragsteller im verfassungsgerichtlichen Verfahren ist Kläger in einem zivilgerichtlichen Verfahren vor dem Landesgericht Wiener Neustadt. In diesem Verfahren fordert er von der beklagten Partei, einem Glücksspielanbieter für Landesausspielungen in Niederösterreich, erlittene Spielverluste zurück, weil er zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse pathologisch spielsüchtig und damit geschäftsunfähig gewesen sei. Die Glücksspielverträge seien daher nichtig und rückabzuwickeln.
2. Mit Urteil vom 25. Juli 2022, 20 Cg 2/22y-14, wies das Landesgericht Wiener Neustadt das Klagebegehren ab. Begründend führt das Landesgericht Wiener Neustadt zusammengefasst aus, es stehe außer Streit, dass die beklagte Partei auf Grund verwaltungsbehördlicher Konzessionen Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten gemäß §5 GSpG in Niederösterreich betreibe. Das Klagebegehren sei gemäß §25 Abs3 GSpG bereits verjährt. Diese Bestimmung verdränge als spezielle Vorschrift die allgemeinen Verjährungsregeln.
3. Gegen diese Entscheidung erhob der Antragsteller rechtzeitig Berufung und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof.
Begründend führt der Antragsteller darin auf das Wesentliche zusammengefasst aus, die angefochtene Bestimmung verkürze die Verjährungsfrist für bereicherungsrechtliche Ansprüche zu Lasten des geschäftsunfähigen Spielteilnehmers von 30 Jahren auf drei Jahre. Diese Differenzierung widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 B-VG. Es sei nicht erkennbar, warum Glücksspielunternehmen gegenüber anderen Bereicherungsschuldnern bevorzugt werden sollten. Zu bedenken sei auch, dass Spielsucht aus einer psychischen Erkrankung resultiere, weswegen die angefochtene Bestimmung auch gegen das Verbot der Benachteiligung von Personen mit Behinderung verstoße.
4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit des Antrages mit näherer Begründung bestreitet.
5. Die beklagte Partei des zivilgerichtlichen Verfahrens – und damit beteiligte Partei im verfassungsgerichtlichen Verfahren – erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und den verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers in der Sache entgegentritt.
IV. Zur Zulässigkeit
Der Antrag ist nicht zulässig.
1. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt erhält und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Der Antragsteller hat daher all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
In Fällen, in denen sich die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht gegen eine Verweisung, sondern gegen die verwiesene Norm richten, muss geprüft werden, ob den Bedenken – sofern sie zutreffen – durch Aufhebung der verweisenden oder der verwiesenen Norm Rechnung zu tragen ist. Im Allgemeinen wird dabei mit der Aufhebung der verweisenden Norm vorzugehen sein, weil damit die Bedeutung der verwiesenen Norm in ihrem "eigenen" Rechtsgebiet oder in anderem Sachzusammenhang unangetastet bleibt (vgl VfSlg 18.033/2006; VfGH 13.10.2016, G640/2015 ua; 13.12.2017, G111/2017).
2. Zwischen den Parteien des zivilgerichtlichen Ausgangsverfahrens steht es laut dem Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 25. Juli 2022 außer Streit, dass die beklagte Partei des zivilgerichtlichen Verfahrens – und beteiligte Partei des verfassungsgerichtlichen Verfahrens – Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten auf Grund verwaltungsbehördlicher Konzessionen gemäß §5 GSpG iVm dem Niederösterreichischen Spielautomatengesetz 2011 in Niederösterreich betreibt. Die Bestimmung des §25 Abs3 GSpG kommt im vorliegenden Fall nur auf Grund der Verweisung in §4 Abs3 Z8 Niederösterreichisches Spielautomatengesetz 2011 zur Anwendung. Der Antragsteller hätte daher gemäß der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes jedenfalls (auch) die verweisende Bestimmung des §4 Abs3 Z8 Niederösterreichisches Spielautomatengesetz 2011 anfechten müssen. Da der Antragsteller dies nicht getan hat, ist der Antrag unzulässig.
3. Da somit die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof als offenbar aussichtslos erscheint, ist sein unter einem mit dem Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der einstweiligen Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr abzuweisen (§63 Abs1 ZPO iVm §35 VfGG).
V. Ergebnis
1. Der Parteiantrag ist zurückzuweisen.
2. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist abzuweisen.
3. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs4 VfGG bzw §72 Abs1 ZPO ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Glücksspiel, VfGH / Parteiantrag, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G243.2022Zuletzt aktualisiert am
27.02.2023