TE Vfgh Beschluss 2022/11/28 G242/2022

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Veröffentlicht am 28.11.2022
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Index

L2200 Landesbedienstete

Norm

B-VG Art140 Abs1 litd
Wr DienstO 1994 §15a Abs5
VertragsbedienstetenG 1948 §18 Abs2
VfGG §7 Abs2
  1. B-VG Art. 140 heute
  2. B-VG Art. 140 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  5. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  6. B-VG Art. 140 gültig von 06.06.1992 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 276/1992
  7. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.1991 bis 05.06.1992 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  8. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1988 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  9. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1976 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  10. B-VG Art. 140 gültig von 19.12.1945 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 140 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Bestimmung der Wr DienstO 1994 betreffend den Ausschluss der verjährungshemmenden Wirkung einer Klage wegen zu engen Anfechtungsumfangs

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Mit dem vorliegenden auf Art140 Abs1 litd B-VG gestützten Antrag wird die Aufhebung von §15a Abs5 vierter und fünfter Satz des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994 – DO 1994), LGBl 56/1994, idF LGBl 69/2021 begehrt. Konkret lautet das Begehren:

"[D]ie Wortfolgen 'Besoldungsrechtliche Ansprüche, die sich auf Zeiten vor dem 1. Mai 2016 beziehen, sind verjährt. Dies gilt auch für die Ansprüche in den Verfahren nach Abs7 und Abs8.' in §15a DO 1994 idF LGBl Nr 69/2021 (in eventu idF LGBl Nr 63/2019) wegen deren Verfassungswidrigkeit ersatzlos aufzuheben;in eventu, die Wortfolge 'und Abs8' in §15a Abs5 DO 1994 idF LGBl Nr 69/2021 (in eventu idF LGBl Nr 63/2019) wegen deren Verfassungswidrigkeit ersatzlos aufzuheben."

2. Die Antragstellerin steht seit 1. Februar 2011 in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien und wird als Fachärztin für Chirurgie eingesetzt. Sie hat bereits am 12. August 2014 eine – hinsichtlich der Höhe mehrfach abgeänderte – Klage gegen die Stadt Wien auf Zahlung von (zuletzt) € 108.410,98 und Feststellung ihres Besoldungsdienstalters eingebracht. Ursprünglich wurde das Begehren primär auf eine nicht hinreichende Berücksichtigung der Vordienstzeiten der Antragstellerin bei der Ermittlung ihres Vorrückungsstichtages gestützt. Bei der Neufestsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung der Antragstellerin auf Grund von gesetzlichen Änderungen wurde ein Teil dieser Vordienstzeiten auf ihr Besoldungsdienstalter angerechnet. Streitgegenständlich ist nun primär die Frage, ob Nachzahlungen erst ab Mai 2016 gebühren. Mit Urteil vom 27. April 2022 wurde die Klage vom Arbeits- und Sozialgericht Wien abgewiesen.

3. Gegen dieses Urteil erhob die Antragstellerin Berufung und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag. Darin wird Folgendes vorgebracht:

§15a Abs5 DO 1994 beinhalte eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte. Konkret spiele es für die von Amts wegen erfolgende Nachzahlung von Ansprüchen, die sich durch die Neufestsetzung der besoldungsrechtlichen Ansprüche ergäben, keine Rolle, ob es bereits zuvor zu einer gerichtlichen Geltendmachung gekommen sei. Unabhängig vom Aktivwerden der betroffenen Personen komme es allgemein zu einer Nachzahlung ab Mai 2016. Dies begünstige jene Beschäftigten, die untätig geblieben seien, gegenüber jenen, die bereits zuvor eine Klage eingebracht und damit ein Prozessrisiko auf sich genommen hätten. Es sei sachlich nicht zu rechtfertigen und diskriminiere die zuletzt genannten Beschäftigten, dass die verjährungshemmende Wirkung solcher Klagen gesetzlich ausgeschlossen sei.

4. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien hat die Gerichtsakten vorgelegt und mitgeteilt, dass eine positive Entscheidung über die Zulässigkeit nicht getroffen werde, aber die gegen das Urteil erhobene Berufung nicht zurückgewiesen wurde.

5. Die Wiener Landesregierung bestreitet in ihrer Stellungnahme zunächst die Zulässigkeit des Antrages mit der Begründung, dass sich die Anwendung der §§15a ff DO 1994 auf den Fall der Antragstellerin erst auf Grund des Verweises in §18 VBO 1995 ergebe. Die verweisende Bestimmung wäre daher unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes mitanzufechten gewesen. Zudem würden weder der Hauptantrag noch die Eventualanträge das Erfordernis der hinreichend genauen Bezeichnung der angefochtenen Gesetzesstelle erfüllen und der Antrag sei schon deswegen unzureichend begründet, weil er nicht darlege, auf welcher Grundlage überhaupt ein Anspruch auf die geforderten Nachzahlungen bestehe, deren Begleichung durch die – behaupteterweise verfassungswidrige – Verjährungsbestimmung ausgeschlossen werde. Ferner sei die Beschwerde auch inhaltlich unbegründet, da eine Berufung auf die GRC schon auf Grund des fehlenden Unionsrechtsbezuges nicht in Betracht komme. Die Länder seien außerdem kompetent, Verjährungsregelungen im Bereich des Dienstrechtes, gestützt auf Art21 B-VG, zu erlassen. Da der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Bereich des Dienst- und Besoldungsrechtes ein verhältnismäßig weiter sei und die Regelung darauf abziele, möglichst alle Beschäftigten im Hinblick auf die Stichtagsregelung gleich zu behandeln, liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor. Dies gelte insbesondere auch für die Gleichbehandlung von Personen, die bereits vor dem Stichtag eine Klage eingebracht hätten und solchen, die das nicht getan hätten, da es keine gesetzliche Grundlage gebe, auf die ein solches Begehren gestützt werden könne. Auch die behauptete Verletzung der Eigentumsfreiheit sei schon auf Grund des Fehlens eines Anspruches vor dem Stichtag auszuschließen, schließlich sei ein solcher im nationalen Recht erst mit der 4. Dienstrechts-Novelle 2019 (ab dem Stichtag) verankert worden und sofern dieser bereits zuvor im Unionsrecht bestanden habe, sei das für die Antragstellerin schon mangels grenzüberschreitenden Bezugs unerheblich.

6. Auch die Stadt Wien hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zulässigkeit des Antrages bestreitet, weil die Antragstellerin nur die Aufhebung von Teilen des §15a DO 1994, aber nicht auch des darauf verweisenden §18 Abs2 VBO 1995, beantrage. Zu den inhaltlichen Bedenken führt die Stadt Wien im Wesentlichen aus, dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers läge, einen einheitlichen Stichtag für die amtswegige Nachzahlung aus Vorperioden – ungeachtet der Geltendmachung dieser Ansprüche – festzulegen. Allfällige unionsrechtliche Beschränkungen seien für den Fall der Antragstellerin schon deswegen irrelevant, weil es an einem Auslandsbezug mangle.

II. Zulässigkeit

1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016; 1.10.2019, G198/2019). Dagegen macht eine zu weite Fassung des Antrages diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner partiellen Abweisung (vgl VfSlg 19.746/2013, 19.905/2014). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (siehe VfSlg 18.298/2007, 18.486/2008; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrages).

3. Der vorliegende Antrag ist zu eng gefasst und daher unzulässig:

3.1. Gemäß §1 Abs1 DO 1994 regelt dieses Gesetz unter anderem die sich aus dem Dienstverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten von Beamten der Bundeshauptstadt Wien. Beamte sind nach Abs2 leg cit die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien stehenden Bediensteten mit Ausnahme der in Art14 Abs2 B-VG genannten. Auch §15a Abs5 DO 1994 stellt seinem Wortlaut nach ausdrücklich auf die Neubemessung der besoldungsrechtlichen Ansprüche von (ehemaligen) Beamten ab. Die sinngemäße Anwendbarkeit des §15a DO 1994 auf Vertragsbedienstete ergibt sich durch den Verweis auf diese Bestimmung in §18 Abs2 VBO 1995. Vertragsbedienstete sind nach §1 Abs1 VBO 1995 jene Personen, die in einem durch Vertrag begründeten Dienstverhältnis zur Gemeinde Wien stehen. Für die Antragstellerin ergibt sich die Neubemessung ihrer besoldungsrechtlichen Ansprüche nach §15a Abs5 DO 1994 somit erst auf Grund der Anordnung in §18 Abs2 VBO 1995.

3.2. In Fällen wie der hier vorliegenden Art, in denen sich verfassungsrechtliche Bedenken nicht gegen die Verweisung, sondern gegen die verwiesene Norm richten, muss geprüft werden, ob den Bedenken – sofern sie zutreffen – durch Aufhebung der verweisenden oder der verwiesenen Norm Rechnung zu tragen ist. Im Allgemeinen wird dabei mit Aufhebung der verweisenden Norm vorzugehen sein, weil damit die Bedeutung der verwiesenen Norm in ihrem "eigenen" Rechtsgebiet oder in anderem Sachzusammenhang unangetastet bleibt (vgl VfSlg 18.033/2006; VfGH 13.10.2016, G640/2015 ua; 25.11.2016, G252/2016; 28.2.2020, G276/2019; 8.6.2021, G138/2021; 25.6.2021, G100/2021). Es ist aber Sache des Verfassungsgerichtshofes, im Gesetzesprüfungsverfahren zu entscheiden, wie der Aufhebungsumfang im konkreten Fall abzugrenzen ist. Die Antragsteller müssen daher all jene Bestimmungen mitanfechten, die in diese Abwägung bei der Abgrenzung des Aufhebungsumfanges miteinzubeziehen sind, und dürfen nicht durch Anfechtung nur eines Teils dieser Bestimmungen das Ergebnis der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vorwegnehmen (vgl VfGH 7.10.2015, G315/2015 ua; 10.3.2015, G201/2014; 13.10.2016, G640/2015 ua; 25.11.2016, G252/2016, 28.2.2020, G276/2019, 8.6.2021, G138/2021).

3.3. Um die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Ausschluss der verjährungshemmenden Wirkung einer Klage durch §15a Abs5 DO 1994 im Hinblick auf die Nachzahlung von besoldungsrechtlichen Ansprüchen von Vertragsbediensteten geltend zu machen, hätte die Antragstellerin auch §18 Abs2 VBO 1995 (kumulativ) anzufechten gehabt. Die Bedenken der Antragstellerin könnten im Hinblick auf den Grundsatz, dass der Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen ist, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt (vgl VfGH 7.10.2015, G315/2015 ua, mwN), möglicherweise auch dadurch beseitigt werden, dass der Verweis in §18 Abs2 VBO 1995 auf §15a DO 1994 aufgehoben wird (vgl VfSlg 15.964/2000, 15.967/2000; VfGH 25.11.2016, G252/2016; 28.2.2020, G276/2019; 25.6.2021, G100/2021; zum Aufhebungsumfang bei einer Verweisung vgl auch VfSlg 12.869/1991, 17.503/2005).

Die Antragstellerin unterlässt es aber, auch §18 Abs2 VBO 1995 anzufechten, und nimmt damit dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit, den Bedenken, sollte er sie teilen, durch Aufhebung nur dieser Bestimmung als verfassungswidrig Rechnung zu tragen, wenn der Verfassungsgerichtshof dies für den geringeren Eingriff in die bestehende Rechtslage halten sollte. Das Aufhebungsbegehren ist damit zu eng gefasst. Der Antrag ist schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

III. Ergebnis

1. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, VfGH / Prüfungsumfang, Vertragsbedienstete, Ärzte, VfGH / Parteiantrag, Verjährung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:G242.2022

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2023
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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