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10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
ZPO Art146Leitsatz
Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Nichterkennung einer Gerichtsentscheidung kein minderer Grad des VersehensSpruch
I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
II. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Mit am 14. Juli 2022 zur Post gegebenem Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde und stellt unter einem einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen die näher bezeichnete Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes.
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt er im Wesentlichen aus, dass ihm die näher bezeichnete Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der zur Vertretung im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bevollmächtigten Rechtsberatung am 24. Mai 2022 (samt Begleitbrief) geschickt worden sei und er diese Zusendung wenige Tage später erhalten habe. Jedoch sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass es sich dabei um eine verfahrensbeendende Erledigung gehandelt habe: Ein Dolmetscher der zur Vertretung im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bevollmächtigten Rechtsberatung habe dem Antragsteller bei einem Beratungsgespräch nämlich geraten, vorliegende Beweise erst im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen; er könne sich darauf verlassen, dass eine solche durchgeführt werde. Der Antragsteller habe daher auf eine Ladung zur mündlichen Verhandlung gewartet. Erst bei einem weiteren Beratungsgespräch bei der zur Vertretung im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bevollmächtigten Rechtsberatung am 8. Juli 2022 sei dem Antragsteller klargeworden, dass es sich bei dem ihm übermittelten Schriftstück um ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gehandelt habe.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist zulässig, aber nicht begründet:
2.1. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO sinngemäß anzuwenden.
2.1.1. Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
2.1.2. Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).
2.2. Jedoch kann von einem minderen Grad des Versehens des Antragstellers im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden, weil die dem Verfassungsgerichtshof vorliegende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung enthält, die – genauso wie der Spruch des Erkenntnisses – auch in die Erstsprache des Antragstellers übersetzt wurde (vgl VfSlg 19.398/2011). Vor dem Hintergrund der Umstände des vorliegenden Falles ist es kein minderer Grad des Versehens, wenn der Antragsteller das ihm zugestellte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes nicht zumindest als eine Entscheidung eines Gerichtes erkannte.
2.3. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen ist.
3. Da die sechswöchige Beschwerdefrist des §82 Abs1 VfGG zum Zeitpunkt der Postaufgabe des vorliegenden Verfahrenshilfeantrages schon verstrichen war, aber nur ein innerhalb dieser Frist gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe deren Unterbrechung zu bewirken vermag (§464 Abs3 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG), erwiese sich eine künftige Beschwerde als verspätet.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG) abzuweisen (vgl zB VfSlg 14.582/1996; VfGH 17.3.1999, B311/99).
4. Diese Beschlüsse konnten gemäß §149 Abs2 ZPO und §72 Abs1 ZPO iVm §35 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E1931.2022Zuletzt aktualisiert am
27.02.2023