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90/01 Straßenverkehrsordnung 1960Norm
B-VG Art139 Abs1 Z3Leitsatz
Unzulässigkeit eines Individualantrags auf Aufhebung einer FußgängerzonenV mangels Legitimation; Möglichkeit der Beantragung einer Ausnahmebewilligung, um zu dem angemieteten Stellplatz zu gelangenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge "die Verordnung der Landeshauptstadt Bregenz vom 01.07.2022, Zl 2022/001-76a", als gesetzwidrig aufheben.
1.1. Die Antragstellerin führt zunächst aus, dass sie am Standort Kirchstraße 7 in 6900 Bregenz die "Stadtapotheke" betreibe und gemäß §5 der Stellplatzverordnung (LGBl 24/2013) dazu verpflichtet sei, in unmittelbarer Nähe ihres Betriebes über einen Stellplatz zu verfügen. Sie habe daher einen Stellplatz am Standort Kirchstraße 9a angemietet, welcher Fahrzeugen mit bestimmten Kennzeichen zugewiesen sei. Dieser Stellplatz sei über die Montfortstraße und über die Römerstraße, welche in die Kirchstraße münde, erreichbar.
Mit der angefochtenen Verordnung habe die Landeshauptstadt Bregenz den Bereich ab der Abzweigung von der Montfortstraße in die Römerstraße und in weiterer Folge die gesamte Kirchstraße zur Fußgängerzone erklärt. Der Antragstellerin sei das Zufahren auf den angemieteten Stellplatz auf Grund der angefochtenen Verordnung nicht mehr möglich. Über ihren Antrag auf Ausnahmegenehmigung nach §45 Abs2 StVO 1960 vom 20. Mai 2022 sei bis zum Zeitpunkt der Einbringung des vorliegenden Antrages nicht entschieden worden.
1.2. Die Antragstellerin bringt im Zusammenhang mit ihrer Antragslegitimation vor, dass die angefochtene Verordnung unmittelbar für sie gelte, weil die Antragstellerin auf eine Zufahrt zu dem angemieteten Stellplatz ("ihrem Parkplatz") angewiesen sei. Es sei kein Weg über ein Verwaltungsverfahren möglich. Selbst für den Fall, dass ihrem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung stattgegeben würde, wäre sie durch die angefochtene Verordnung in ihrer Rechtsposition schlechter gestellt als vor deren Geltung, weil eine Ausnahmegenehmigung jeweils nur auf zwei Jahre befristet erteilt werden könne und der Antrag darüber hinaus gebührenpflichtig sei. Nachdem die angefochtene Verordnung nach wie vor in Geltung stehe, sei der durch sie bewirkte Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin auch aktuell.
1.3. Die Antragstellerin hegt gegen die angefochtene Verordnung das Bedenken, dass vor deren Erlassung kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und insbesondere kein entsprechendes Gutachten eingeholt worden sei. Die Verordnung der Fußgängerzone verursache eine "massive Mehrbelastung" der übrigen Straßen innerhalb von Bregenz und schneide ganze Stadtteile weitgehend von der Innenstadt ab. Darüber hinaus verursache die angefochtene Verordnung für eine Reihe von Unternehmen, die in ihrer Kundenfrequenz auf eine Erreichbarkeit mittels Kraftfahrzeugen angewiesen seien, erhebliche Umsatzeinbußen. Dies gelte insbesondere für den Betrieb der Antragstellerin, weil dieser vielfach von kranken und eingeschränkt mobilen Personen besucht werde. Schließlich habe die angefochtene Verordnung eine Schlechterstellung der Antragstellerin in Bezug auf die Nutzung des von ihr angemieteten Stellplatzes zur Folge.
2. Der Antrag ist unzulässig.
2.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg 8009/1877 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 Z3 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).
2.2. Gemäß §76a StVO 1960 ist in einer Fußgängerzone jeglicher Fahrzeugverkehr verboten, sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt; das Schieben eines Fahrrades ist erlaubt. Die Bestimmungen des §45 StVO 1960 über Ausnahmen in Einzelfällen bleiben unberührt.
2.3. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes stellt die Möglichkeit der Erwirkung einer Ausnahmebewilligung iSd §45 StVO 1960 einen zumutbaren Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeiten dar (vgl VfSlg 9277/1981, 12.829/1991).
2.4. Auch im vorliegenden Fall stellt die – von der Antragstellerin im Übrigen bereits ergriffene – Möglichkeit der Antragstellung auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung (§45 Abs2 StVO 1960) von dem auf Grund der angefochtenen Verordnung bestehenden Fahrverbot einen zumutbaren Weg dar. Damit steht der Antragstellerin ein Mittel zur Verfügung, die Wirkungen der Verordnung von sich abzuwenden oder aber – wenn dieser Weg erfolglos bleiben sollte – in einer Beschwerde gegen die die Ausnahme versagende (letztinstanzliche) Entscheidung die Frage der Gesetzmäßigkeit der Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl zB VfGH 21.9.2020, V525-526/2020 mwN).
3. Der Antrag ist daher mangels Legitimation der Antragstellerin gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
Fußgängerzone, Fahrverbot, VfGH / Weg zumutbarer, VfGH / Legitimation, VfGH / Individualantrag, AusnahmebewilligungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V239.2022Zuletzt aktualisiert am
27.02.2023