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20/05 Wohn- und MietrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litdLeitsatz
Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des MRG betreffend die Vermietung von Geschäftsräumlichkeiten an juristische Personen wegen zu engen AnfechtungsumfangsSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag, Anlassverfahren und Vorverfahren
1. Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG begehrt die antragstellende Partei die Aufhebung des Wortteils "Geschäfts" im ersten Satz des §12a Abs3 MRG idF BGBl I 120/2005.
2. Dem Antrag geht ein Rechtsstreit zwischen der antragstellenden Partei als Vermieterin eines in ihrem Eigentum stehenden Bestandobjektes gegen die mitbeteiligte Partei, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, als Mieterin vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien voraus. Das Bestandobjekt wird nur teilweise für die unternehmerische Tätigkeit der mitbeteiligten Partei genutzt; zum überwiegenden Teil dient es Wohnzwecken. 2020 kam es zu einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse an der mitbeteiligten Partei, was die antragstellende Partei zum Anlass nahm, gestützt auf §12a Abs3 MRG eine Anhebung des Hauptmietzinses zu fordern.
3. Mit Beschluss vom 28. Juni 2022 stellte das Bezirksgericht Innere Stadt fest, dass das Begehren der antragstellenden Partei auf Anhebung des Hauptmietzinses unberechtigt sei, da das Bestandobjekt überwiegend zu Wohnzwecken genutzt werde und daher keine Geschäftsräumlichkeit im Sinne des §12a Abs3 MRG sei.
4. Gegen diesen Beschluss erhob die antragstellende Partei Rekurs und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels den vorliegenden Parteiantrag auf Normenkontrolle. Die antragstellende Partei bringt vor, §12a Abs3 MRG verstoße gegen den Gleichheitssatz und die Eigentumsfreiheit, da die Bestimmung die Vermietung von Geschäftsräumlichkeiten an juristische Personen ohne Grund anders behandle als die Vermietung von Wohnungen und gemischt genutzten Objekten an juristische Personen. Nur bei Geschäftsräumlichkeiten sei der Vermieter anlässlich eines Mieterwechsels durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungen zur Anhebung des Hauptmietzinses berechtigt. Zudem seien juristische Personen, die Wohnungen mieteten, auch gegenüber nahen Angehörigen begünstigt, die zwar in den Mietvertrag eintreten dürften, gegenüber denen allerdings eine Anhebung des Hauptmietzinses ebenfalls zulässig sei. Diese Rechtslage ermögliche zudem gesellschaftsrechtliche Umgehungskonstruktionen und erlaube die lukrative Verwertung von Hauptmietverträgen. Durch Aufhebung des Wortteiles "Geschäfts" im ersten Satz des §12a Abs3 MRG wäre sichergestellt, dass die Bestimmung bei allen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen unabhängig davon zur Anwendung komme, ob es sich bei dem Bestandsobjekt um eine Geschäftsräumlichkeit handle.
5. Die Bundesregierung sowie die mitbeteiligte Partei erstatten Äußerungen, in denen sie den erhobenen Bedenken entgegentreten und beantragen, den Antrag zurück-, in eventu abzuweisen.
II. Rechtslage
1. Das Mietrechtsgesetz (MRG), BGBl 520/1981 idF BGBl I 59/2021, lautet auszugsweise wie folgt (der angefochtene Wortteil ist hervorgehoben):
Geltungsbereich
§1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Miete von Wohnungen, einzelnen Wohnungsteilen oder Geschäftsräumlichkeiten aller Art(wie im besonderen von Geschäftsräumen, Magazinen, Werkstätten, Arbeitsräumen, Amts- oder Kanzleiräumen) samt den etwa mitgemieteten (§1091 ABGB) Haus- oder Grundflächen (wie im besonderen von Hausgärten, Abstell-, Lade- oder Parkflächen) und für die genossenschaftlichen Nutzungsverträge über derartige Objekte (im folgenden Mietgegenstände genannt); in diesem Bundesgesetz wird unter Mietvertrag auch der genossenschaftliche Nutzungsvertrag, unter Mietzins auch das auf Grund eines genossenschaftlichen Nutzungsvertrages zu bezahlende Nutzungsentgelt verstanden.
(2) – (5) […]
Abtretung des Mietrechts
§12. (1) Der Hauptmieter einer Wohnung, der die Wohnung verläßt, darf seine Hauptmietrechte an der Wohnung seinem Ehegatten oder Verwandten in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder oder Geschwister abtreten, falls der Ehegatte oder die Verwandten in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder mindestens die letzten zwei Jahre, die Geschwister mindestens die letzten fünf Jahre mit dem Hauptmieter im gemeinsamen Haushalt in der Wohnung gewohnt haben. Dem mehrjährigen Aufenthalt in der Wohnung ist es gleichzuhalten, wenn der Angehörige die Wohnung seinerzeit mit dem bisherigen Mieter gemeinsam bezogen hat, beim Ehegatten auch, wenn er seit der Verehelichung, und bei Kindern auch, wenn sie seit ihrer Geburt in der Wohnung gewohnt haben, mag auch ihr Aufenthalt in der Wohnung noch nicht die vorgeschriebene Zeit gedauert haben. Der Eintritt in das Hauptmietrecht nach §§87 und 88 des Ehegesetzes wird dadurch nicht berührt.
(2) – (3) […]
Veräußerung und Verpachtung eines Unternehmens
§12a. (1) Veräußert der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zur Fortführung in diesen Räumen, so tritt der Erwerber des Unternehmens anstelle des bisherigen Hauptmieters in das Hauptmietverhältnis ein. Sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber sind verpflichtet, die Unternehmensveräußerung dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Der Vermieter kann die Rechtsfolgen des durch die Unternehmensveräußerung herbeigeführten Eintritts des Erwerbers in das Hauptmietverhältnis ab dem der Unternehmensveräußerung folgenden Zinstermin geltend machen.
(2) Ist der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach §16 Abs1, so darf der Vermieter bis spätestens sechs Monate nach Anzeige der Unternehmensveräußerung die Anhebung des Hauptmietzinses bis zu dem nach §16 Abs1 zulässigen Betrag, jedoch unter Berücksichtigung der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit, verlangen. Ändert der neue Hauptmieter in der Folge die Art dieser Geschäftstätigkeit, so darf der Vermieter ab diesem Zeitpunkt den nach §16 Abs1 zulässigen Hauptmietzins ohne Berücksichtigung der Art der Geschäftstätigkeit verlangen. Eine sich aus der Anhebung ergebende Unwirksamkeit des Hauptmietzinses ist innerhalb der in §16 Abs8 genannten Fristen ab dem Anhebungsbegehren gerichtlich (bei der Gemeinde, §39) geltend zu machen.
(3) Ist eine juristische Person oder eine unternehmerisch tätige eingetragene Personengesellschaft Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit und ändern sich in ihr die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten entscheidend, wie etwa durch Veräußerung der Mehrheit der Anteile an einer Gesellschaft, so ist Abs2 anzuwenden, auch wenn die entscheidende Änderung nicht auf einmal geschieht. Die vertretungsbefugten Organe der juristischen Person oder unternehmerisch tätigen eingetragenen Personengesellschaft sind verpflichtet, solche Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Besteht bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, daß ein Rechtsgeschäft zur Umgehung des dem Vermieter zustehenden Rechtes auf Anhebung des Hauptmietzinses geschlossen wurde, so obliegt es dem Hauptmieter, das Fehlen der Umgehungsabsicht zu beweisen.
(4) […]
(5) Der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit darf das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen verpachten. Sowohl der Hauptmieter als auch der Pächter sind verpflichtet, die Verpachtung unter Angabe der dafür vorgesehenen Dauer dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Der Vermieter kann die Rechtsfolgen der Verpachtung ab dem der Verpachtung folgenden Zinstermin geltend machen. Ist der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach §16 Abs1, so darf der Vermieter für die Dauer der Verpachtung die Anhebung des Hauptmietzinses bis zu dem nach §16 Abs1 zulässigen Betrag, jedoch unter Berücksichtigung der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit, verlangen. Ändert der Pächter in der Folge die Art dieser Geschäftstätigkeit, so darf der Vermieter ab diesem Zeitpunkt den nach §16 Abs1 zulässigen Hauptmietzins ohne Berücksichtigung der Art der Geschäftstätigkeit verlangen.
(6) […]
(7) Bei Ermittlung des nach §16 Abs1 zulässigen Hauptmietzinses sind im Fall des Abs2 die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Unternehmensveräußerung, im Fall des Abs3 jene zum Zeitpunkt der entscheidenden Änderung und im Fall des Abs5 jene bei Beginn des Pachtverhältnisses zugrunde zu legen. Zuvor vom Hauptmieter getätigte Aufwendungen zur Verbesserung des Mietgegenstandes sind aber angemessen zu berücksichtigen, soweit sie über den maßgeblichen Zeitpunkt hinaus von objektivem Nutzen sind.
(8) Auf Antrag des Hauptmieters einer Geschäftsräumlichkeit, der beabsichtigt, das im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zu veräußern oder zu verpachten, hat das Gericht (die Gemeinde, §39) die Höhe des nach §16 Abs1 und §12a Abs2 und 5 zulässigen Hauptmietzinses zu bestimmen. Diese Entscheidung ist auch für den Erwerber oder den Pächter des Unternehmens bindend; sie ist gegenüber dem Vermieter aber nur dann rechtswirksam, wenn das Unternehmen innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der Entscheidung veräußert oder verpachtet wird.
Mietrecht im Todesfall
§14. (1) Durch den Tod des Vermieters oder des Mieters wird der Mietvertrag nicht aufgehoben.
(2) Nach dem Tod des Hauptmieters einer Wohnung treten in den Mietvertrag mit Ausschluß anderer zur Erbfolge berufenen Personen die im Abs3 genannten eintrittsberechtigten Personen ein, sofern sie nicht binnen 14 Tagen nach dem Tod des Hauptmieters dem Vermieter bekanntgeben, daß sie das Mietverhältnis nicht fortsetzen wollen. Mit dem Eintritt haften die eintretenden Personen für den Mietzins und die Verbindlichkeiten, die während der Mietzeit des verstorbenen Hauptmieters entstanden sind. Sind mehrere Personen eintrittsberechtigt, so treten sie gemeinsam in den Mietvertrag ein und haften zur ungeteilten Hand.
(3) Eintrittsberechtigt nach Abs2 sind der Ehegatte, der Lebensgefährte, Verwandte in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder und die Geschwister des bisherigen Mieters, sofern diese Personen ein dringendes Wohnbedürfnis haben und schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt haben. Lebensgefährte im Sinne dieser Bestimmung ist, wer mit dem bisherigen Mieter bis zu dessen Tod durch mindestens drei Jahre hindurch in der Wohnung in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft gelebt hat; einem dreijährigen Aufenthalt des Lebensgefährten in der Wohnung ist es gleichzuhalten, wenn er die Wohnung seinerzeit mit dem bisherigen Mieter gemeinsam bezogen hat. In dem in §12 Abs3 genannten Fall sind Verwandte in absteigender Linie einschließlich der Wahlkinder nicht eintrittsberechtigt.
Vereinbarungen über die Höhe des Hauptmietzinses
§16. (1) Vereinbarungen zwischen dem Vermieter und dem Mieter über die Höhe des Hauptmietzinses für einen in Hauptmiete gemieteten Mietgegenstand sind ohne die Beschränkungen der Abs2 bis 5 bis zu dem für den Mietgegenstand im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag zulässig, wenn
1. der Mietgegenstand nicht zu Wohnzwecken dient; wird ein Mietgegenstand teils als Wohnung, teils als Geschäftsräumlichkeit verwendet, so darf nur der für Wohnungen zulässige Hauptmietzins angerechnet werden, es sei denn, daß die Verwendung zu Geschäftszwecken die Verwendung zu Wohnzwecken bedeutend überwiegt; ein Unternehmer, der eine Geschäftsräumlichkeit mietet, kann sich auf die Überschreitung des zulässigen Höchstmaßes nach Abs8 erster Satz nur berufen, wenn er die Überschreitung unverzüglich, spätestens jedoch bei Übergabe des Mietgegenstandes, gerügt hat;
2. der Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, das auf Grund einer nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden ist, oder der Mietgegenstand auf Grund einer nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung durch Um-, Auf-, Ein- oder Zubau neu geschaffen worden ist;
3. der Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, an dessen Erhaltung aus Gründen des Denkmalschutzes öffentliches Interesse besteht, sofern der Vermieter unbeschadet der Gewährung öffentlicher Mittel zu dessen Erhaltung nach dem 8. Mai 1945 erhebliche Eigenmittel aufgewendet hat;
4. der Mietgegenstand eine Wohnung der Ausstattungskategorie A oder B ist und seine Nutzfläche 130 m2 übersteigt, sofern der Vermieter eine solche Wohnung innerhalb von sechs Monaten nach der Räumung durch den früheren Mieter oder Inhaber an einen nicht zum Eintritt in die Mietrechte des früheren Mieters Berechtigten vermietet; bei Durchführung von Verbesserungsarbeiten verlängert sich diese Frist um ein Jahr;
5. ein unbefristetes Mietverhältnis vorliegt, seit Übergabe des Mietgegenstandes mehr als ein Jahr verstrichen ist und die Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses in Schriftform getroffen wird.
(2) Liegen die Voraussetzungen des Abs1 nicht vor, so darf der zwischen dem Vermieter und dem Mieter für eine gemietete Wohnung der Ausstattungskategorien A, B oder C vereinbarte Hauptmietzins je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat den angemessenen Betrag nicht übersteigen, der ausgehend vom Richtwert (§1 RichtWG) unter Berücksichtigung allfälliger Zuschläge und Abstriche zu berechnen ist. Für die Berechnung des demnach höchstzulässigen Hauptmietzinses sind im Vergleich zur mietrechtlichen Normwohnung (§2 Abs1 RichtWG) entsprechende Zuschläge zum oder Abstriche vom Richtwert für werterhöhende oder wertvermindernde Abweichungen vom Standard der mietrechtlichen Normwohnung nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens vorzunehmen, wobei die folgenden, für die Bewertung einer Wohnung bedeutsamen Umstände im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages zu berücksichtigen sind: […]
(3) – (12) […]
Hauptmietzins bei Eintritt in einen bestehenden Mietvertrag über eine Wohnung
§46. (1) Treten in einen am 1. März 1994 bestehenden Hauptmietvertrag über eine Wohnung der Ehegatte, der Lebensgefährte oder minderjährige Kinder (§42 ABGB) des bisherigen Hauptmieters allein oder gemeinsam mit anderen Angehörigen ein (§12 Abs1 und 2, §14), so darf der Vermieter vom (von den) in das Hauptmietrecht Eintretenden weiterhin nur den Hauptmietzins begehren, den er ohne den Eintritt begehren dürfte. Das gleiche gilt für den Eintritt auf Grund einer gerichtlichen Anordnung nach §87 Abs2 des Ehegesetzes.
(2) Treten in einen am 1. März 1994 bestehenden Hauptmietvertrag über eine Wohnung ausschließlich Personen ein, die in Abs1 nicht genannt sind, so darf der Vermieter vom (von den) in das Hauptmietrecht Eintretenden ab dem auf den Eintritt folgenden Zinstermin eine Erhöhung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für die Wohnung nach §16 Abs2 bis 6 im Zeitpunkt des Eintritts zulässigen Betrag, höchstens aber 2,64 Euro je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat, verlangen, sofern der bisherige Hauptmietzins niedriger ist. Dieser Höchstbetrag von 2,64 Euro valorisiert sich entsprechend der Regelung des §16 Abs6. […]
Hauptmietzins bei bestehenden Mietverträgen über Geschäftsräumlichkeiten
§46a. (1) Im Fall eines am 1. März 1994 bestehenden Hauptmietvertrags über eine Geschäftsräumlichkeit ist §12a Abs3 mit der Maßgabe anzuwenden, daß solche Änderungen unberücksichtigt bleiben, die vor dem 1. Oktober 1993 eingetreten sind.
(2) Im Fall eines am 1. März 1994 bestehenden Hauptmietvertrags über eine Geschäftsräumlichkeit darf der Vermieter, sofern der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach §16 Abs1 ist, nach dem Tod des Hauptmieters von dessen Rechtsnachfolgern ab dem auf den Todesfall folgenden 1. Jänner die schrittweise Anhebung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für die Geschäftsräumlichkeit nach §16 Abs1 zulässigen Betrag innerhalb von 15 Jahren in der Weise verlangen, daß der Hauptmietzins für jedes Kalenderjahr nach dem Todestag um jeweils ein Fünfzehntel des bis zum angemessenen Hauptmietzins nach §16 Abs1 fehlenden Betrages angehoben wird, wobei eine Valorisierung dieses Betrages entsprechend der Regelung des §16 Abs6 zu erfolgen hat, ein Überschreiten der Indexschwelle aber erst ab dem jeweils folgenden Kalenderjahr zu berücksichtigen ist. Solange der Rechtsnachfolger des verstorbenen Hauptmieters das Unternehmen ohne Änderung der Art der Geschäftstätigkeit fortführt, ist bei Ermittlung des nach §16 Abs1 angemessenen Hauptmietzinses die Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit zu berücksichtigen.
(3) – (6) […]
III. Zulässigkeit
1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach §62a Abs1 erster Satz VfGG kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.
Der vorliegende Antrag wurde aus Anlass des Rekurses gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 28. Juni 2022 gestellt. Mit diesem Beschluss wurde die Rechtssache in erster Instanz durch ein ordentliches Gericht entschieden (Art140 Abs1 Z1 litd B-VG). Als Antragsgegnerin des Anlassverfahrens ist die antragstellende Partei Partei des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht und somit zur Antragstellung nach Art140 Abs1 Z1 litd B-VG berechtigt. Im Übrigen geht der Verfassungsgerichtshof auf Grund der Mitteilung des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 19. August 2022 davon aus, dass das gleichzeitig mit dem Parteiantrag eingebrachte Rechtsmittel rechtzeitig und zulässig ist.
2. Ein auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützter Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht der antragstellenden Partei wäre. Eine Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (VfSlg 20.029/2015; vgl VfSlg 20.010/2015).
Das Erstgericht hat §12a Abs3 erster Satz MRG, dessen Verfassungswidrigkeit die antragstellende Partei behauptet, angewendet, weshalb die angefochtene Bestimmung präjudiziell ist.
3. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Umfang der in Prüfung gezogenen Norm nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011). Die antragstellende Partei hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung der antragstellenden Partei teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014, 20.070/2016; VfGH 13.10.2016, G640/2015; 12.12.2016, G105/2016).
4. Die antragstellende Partei begehrt mit ihrem Antrag die Aufhebung des Wortteils "Geschäfts" im Wort "Geschäftsräumlichkeit" in §12a Abs3 erster Satz MRG. Vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Rechtsprechung erweist sich der vorliegende Antrag als zu eng gefasst und folglich als unzulässig.
4.1. Die antragstellende Partei macht vor allem gleichheitsrechtliche Bedenken dahingehend geltend, dass entscheidende Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten bei juristischen Personen, die Mieter sind, den Vermieter nur dann zu einer Anhebung des Mietzinses berechtigten, wenn das Bestandsobjekt eine Geschäftsräumlichkeit sei. In allen übrigen Fällen, also bei der Vermietung von Wohnungen und bei gemischter Nutzung überwiegend zu Wohnzwecken, sei eine solche Anpassung hingegen nicht zulässig.
4.2. Dem tritt die Bundesregierung mit dem Argument entgegen, dass die begehrte Aufhebung die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitige, da die Abs1 und 2 des §12a MRG sowie §46a leg. cit. untrennbar mit §12a Abs3 leg. cit. verbunden seien. Zudem verbliebe nach der Aufhebung mit dem Wortteil "räumlichkeit" nur ein unverständlicher Torso, hinsichtlich dessen überdies unklar bliebe, worauf er sich in Zusammenschau mit den Abs1, 5 und 8 des §12a MRG bezöge. Ferner erfasse Abs3 auf Grund des verwiesenen Abs2 leg. cit. selbst nach der Aufhebung nur auf solche Räumlichkeiten, die der unternehmerischen Tätigkeit dienten.
5. Der Einwand der Bundesregierung ist berechtigt:
5.1. Das MRG unterscheidet an mehreren Stellen zwischen der Vermietung von Wohnungen und jener von Geschäftsräumlichkeiten (vgl §1 Abs1 erster Satz MRG), insbesondere was Eintrittsrechte in den Hauptmietvertrag (§§12, 12a und 14 MRG) und die zulässige Höhe des Hauptmietzinses betrifft (§16 MRG). Gemischt genutzte Bestandsobjekte werden dabei je nach Ausmaß der Nutzung zu Wohnzwecken oder als Geschäftsräumlichkeit den Regelungen für Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten unterworfen (zum Mietzins explizit §16 Abs1 Z1 MRG).
5.2. §12a MRG enthält entsprechend seiner Überschrift Regelungen betreffend die Veräußerung und Verpachtung eines Unternehmens. Nach Abs1 leg. cit. tritt demnach anlässlich der Veräußerung des im Mietgegenstand betriebenen Unternehmens durch den Hauptmieter der Erwerber in das Hauptmietverhältnis ein, sofern es sich beim Mietobjekt um eine Geschäftsräumlichkeit handelt (vgl OGH 16.1.1990, 5 Ob 511/90). Der darauf aufbauende Abs2 berechtigt den Vermieter in diesem Fall – als Ausgleich für den aufgezwungenen Mieterwechsel (OGH 16.5.2001, 6 Ob 79/01p) – zur Anhebung des Hauptmietzinses auf den angemessenen Mietzins nach §16 Abs1 MRG. Abs3 erlaubt dem Vermieter eine solche Mietanpassung (arg. "so ist Abs2 anzuwenden") für den Fall, dass sich die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in einer juristischen oder unternehmerisch tätigen eingetragenen Personengesellschaft, die Hauptmieterin einer Geschäftsräumlichkeit ist, entscheidend verändern. Abs5 leg. cit. wiederum regelt die Verpachtung des in einer Geschäftsräumlichkeit betriebenen Unternehmens, wobei der Vermieter für den Zeitraum der Verpachtung ebenfalls eine Anpassung an den angemessenen Mietzins vornehmen darf. Zuletzt normiert §12a Abs8 MRG, dass der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit berechtigt ist, das Gericht zur Bestimmung des nach §12a Abs2 und 5 MRG zulässigen Hauptmietzinses anzurufen, sofern er eine Veräußerung oder Verpachtung beabsichtigt. §46a MRG enthält dazu korrespondierende Bestimmungen über die Anpassung des Hauptmietzinses bei Mietverträgen über Geschäftsräumlichkeiten.
5.3. Demgegenüber regeln die §§12 und 14 MRG den Eintritt in den Mietvertrag bei Wohnungen. §12 Abs1 MRG erfasst die Abtretung des Mietrechts an gewisse nahe Angehörige, §14 Abs1 MRG betrifft den Eintritt in das Mietrecht anlässlich des Todes des Hauptmieters. Eine Regelung, wonach der Vermieter in diesen Fällen eine Anpassung an den angemessenen Mietzins (§16 Abs1 MRG) vornehmen darf, fehlt, vielmehr enthält §46 MRG nähere Bestimmungen dazu, welche Änderung des Hauptmietzinses der Vermieter begehren darf.
5.4. Alleine die Aufhebung des Wortteiles "Geschäfts" in §12a Abs3 erster Satz MRG wäre nicht ausreichend, um den Bedenken der antragstellenden Partei Genüge zu tun. Zwar bezöge sich §12a Abs3 MRG danach nicht mehr explizit auf Geschäftsräumlichkeiten, sondern nur mehr auf "räumlichkeiten"; gleichwohl bliebe die Bestimmung in ihrem auf die Vermietung von Geschäftsräumlichkeiten ausgerichteten rechtlichen Umfeld verhaftet, was sich insbesondere aus dem Verweis auf Abs2 leg. cit. ergibt. Demnach knüpft die Anhebung des Mietzinses an die "Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit" an, welche bei der Vermietung von Wohnungen gerade nicht vorliegt. Darüber hinaus erlaubt die Bestimmung dem Vermieter eine Anhebung des Hauptmietzinses auf den – insbesondere für die Vermietung von Geschäftsräumlichkeiten maßgeblichen – angemessenen Hauptmietzins nach §16 Abs1 MRG, womit sie keine Rücksicht auf das für Wohnungen allenfalls geltende Richtwertsystem (§16 Abs2 bis 6 MRG) nimmt.
5.5. Vor diesem Hintergrund hat die antragstellende Partei ihren Anfechtungsumfang zu eng gefasst.
IV. Ergebnis
1. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Vermietung und Verpachtung, Person juristische, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Parteiantrag, MietenrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G225.2022Zuletzt aktualisiert am
27.02.2023