TE Lvwg Erkenntnis 2023/1/30 LVwG-2022/15/3163-4

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Veröffentlicht am 30.01.2023
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Entscheidungsdatum

30.01.2023

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
50/01 Gewerbeordnung

Norm

AVG §17
VwGVG 2014 §8
VwGVG 2014 §28 Abs7
GewO 1994 §359b
  1. AVG § 17 heute
  2. AVG § 17 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. AVG § 17 gültig von 01.01.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  4. AVG § 17 gültig von 01.03.2004 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  5. AVG § 17 gültig von 20.04.2002 bis 29.02.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002
  6. AVG § 17 gültig von 01.02.1991 bis 19.04.2002
  1. GewO 1994 § 359b heute
  2. GewO 1994 § 359b gültig ab 18.07.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 96/2017
  3. GewO 1994 § 359b gültig von 12.07.2013 bis 17.07.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/2013
  4. GewO 1994 § 359b gültig von 14.02.2013 bis 11.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 85/2012
  5. GewO 1994 § 359b gültig von 27.02.2008 bis 13.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 42/2008
  6. GewO 1994 § 359b gültig von 01.09.2005 bis 26.02.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 85/2005
  7. GewO 1994 § 359b gültig von 02.06.2004 bis 31.08.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 53/2004
  8. GewO 1994 § 359b gültig von 01.08.2002 bis 01.06.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002
  9. GewO 1994 § 359b gültig von 01.08.2002 bis 31.07.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 124/2001
  10. GewO 1994 § 359b gültig von 01.09.2000 bis 31.07.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 88/2000
  11. GewO 1994 § 359b gültig von 11.08.2000 bis 31.08.2000 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 88/2000
  12. GewO 1994 § 359b gültig von 01.09.1998 bis 10.08.2000 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 63/1997
  13. GewO 1994 § 359b gültig von 01.04.1998 bis 31.08.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 115/1997
  14. GewO 1994 § 359b gültig von 01.07.1997 bis 31.03.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 63/1997
  15. GewO 1994 § 359b gültig von 19.03.1994 bis 30.06.1997

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dünser über die Säumnisbeschwerde von Frau Mag.a AA und Herrn Mag. BB, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. CC, Adresse 1, **** Z, betreffend Antrag auf Akteneinsicht bei der Bezirkshauptmannschaft Z vom 15.07.2021,

zu Recht:

1.       Gemäß § 28 Abs 7 VwGVG wird festgestellt, dass Frau Mag.a AA und Herr Mag. BB das Recht auf Einsicht in den Akt zum Antrag des Herrn DD, Reifen EE, betreffend „Abbruch von Lagercontainern und Zubau Lagerhalle für Reifen“ vom 25.03.2021 bei der Bezirkshauptmannschaft Z zusteht. Die Behörde hat die Säumnisbeschwerdeführer binnen 8 Wochen unter Nennung eines Termins zur Akteneinsicht aufzufordern oder ihnen nach freiem Ermessen eine Kopie des Aktes innerhalb dieser Frist zu übermitteln.

2.       Der Antrag vom 13.12.2022 auf Bekanntgabe des Projekts nach den Bestimmungen des § 359b Abs 2 GewO 1994 durch das Landesverwaltungsgericht wird gemäß § 6 AVG an die dafür zuständige Bezirkshauptmannschaft Z weitergeleitet.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Die Säumnisbeschwerdeführer haben bei der belangten Behörde durch ihren Rechtsvertreter am 15.07.2021 einen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht und Bekanntgabe, wann und wo Kopien abgeholt bzw Einsichtnahme möglich ist, in den Akt betreffend eine damals noch beabsichtigte Neuerrichtung einer Lagerhalle auf dem Gst**1 in der KG Z eingebracht. Zumal über diesen Antrag von der Bezirkshauptmannschaft Z nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden wurde, wurde von den Einschreitern am 18.08.2022 ein Devolutionsantrag zu diesem Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht eingebracht.

Mit Schriftsatz vom 13.12.2022 haben die Säumnisbeschwerdeführer neuerlich auf diese – nunmehr auch verbal berichtigte – Säumnisbeschwerde hingewiesen und vorgebracht, dass darüber von der belangten Behörde eine Entscheidung noch nicht getroffen worden sei. Mit diesem Schriftsatz vom 13.12.2022 wurde beantragt, dass das LVwG in der Sache selbst eine Entscheidung über den Antrag vom 01.06.2022 erlassen möge, und zwar a) die Akteneinsicht gewähren, wobei auch die Übermittelung einer vollständigen Aktenkopie per E-Mail an den Rechtsvertreter möglich sei, b) die Bekanntgabe des Projekts nach den Bestimmungen des § 359b Abs 2 GewO 1994 vornehmen und c) die Zustellung eines allenfalls bereits erlassenen Genehmigungsbescheides an die Antragstellerin und Nachbarn verfügen möge. In eventu wurde beantragt, der Bezirkshauptmannschaft Z eine achtwöchige Frist zur Entscheidung über den Antrag vom 01.06.2022 zu setzen.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat, nachdem die Bezirkshauptmannschaft Z auf entsprechende Anforderung durch das Landesverwaltungsgericht Tirol den bezughabenden Betriebsanlagenakt vorgelegt hat, den Parteien des Verfahrens eine Stellungnahme übermittelt.

In der Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Z vom 10.01.2023 wird zusammenfassend darauf hingewiesen, dass seitens der Behörde nie die Absicht bestanden habe, die Akteneinsicht zu verwehren. Außerdem sei die entsprechende Kundmachung des vereinfachten Verfahrens nach § 359b GewO 1994 aufgrund eines Versehens unterlassen worden. Begründend wurde dazu weiters auf die coronabedingte starke Belastung der Behörde verwiesen.

In der Stellungnahme der Säumnisbeschwerdeführer vom 24.01.2023 wird darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Zustellung des Bescheides direkt bei der Bezirkshauptmannschaft Z gestellt werde und daher dieser Antrag nicht mehr verfahrensgegenständlich sei.

II.      Sachverhalt:

Die Säumnisbeschwerdeführer sind unmittelbare Nachbarn zur Betriebsanlage des DD, „Reifen EE“.

Die Säumnisbeschwerdeführer haben am 15.07.2021 einen Schriftsatz an die Bezirkshauptmannschaft Z gerichtet. Verwiesen wird darin darauf, dass DD auf dem Gst**1 in der KG Z plane, die bestehenden Lagercontainer abzutragen und eine Lagerhalle zu errichten. Er habe um die Erteilung einer Baubewilligung bei der Marktgemeinde Z angesucht. Die Säumnisbeschwerdeführer würden mit ihrem Grundstück unmittelbar an das Baugrundstück angrenzen und seien somit Nachbarn. Weiters wurde vorgebracht, dass die Nachbarn aufgrund des Neubaus erhöhte Lärmemissionen befürchten würden. In einem weiteren Vorbringen wurde schließlich ausdrücklich beantragt, den Säumnisbeschwerdeführern Akteneinsicht in dieses Verfahren zu gewähren.

Die belangte Behörde hat daraufhin eine gewerbetechnische Stellungnahme in Bezug auf dieses Vorbringen der Säumnisbeschwerdeführer eingeholt. Nach dem vorgelegten Akt wurde daraufhin am 17.12.2021 auf Grundlage des § 359b GewO 1994 ein Bescheid in Bezug auf die Errichtung einer Lagerhalle für Reifen in **** Z, Adresse 2, bei der Firma Reifen EE E.U. erlassen.

Dem Akt der belangten Behörde kann weiters entnommen werden, dass der gewerbetechnische Amtssachverständige ein Gespräch mit dem Rechtsvertreter der Säumnisbeschwerdeführer betreffend die zu erwartenden Lärmemissionen geführt hat, dass dem Rechtsvertreter allerdings Akteneinsicht gewährt wurde, lässt sich dem Akt nicht entnehmen. Im Akt befindet sich allerdings ein auf den 01.06.2022 datierter Antrag der Säumnisbeschwerdeführer auf Projektbekanntmachung und Bescheidzustellung. Festgehalten wird, dass dieser Antrag auf Projektbekanntmachung nicht verfahrensgegenständlich ist, zumal zum Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages/der Säumnisbeschwerde am 18.08.2022 diesbezüglich die Entscheidungsfrist durch die Behörde jedenfalls noch nicht abgelaufen ist. Aus diesem Grund war auch über den Antrag auf Projektbekanntmachung im vorliegenden Säumnisbeschwerdeverfahren noch nichts zu entscheiden.

Im Akt der Behörde finden sich weitere Nachrichten der Säumnisbeschwerdeführer bzw Nachrichten der Behörde an den Rechtsvertreter der Säumnisbeschwerdeführer, eine Akteneinsicht wurde formal allerdings nicht vorgenommen.

Schließlich wurde am 18.08.2022 ein Devolutionsantrag eingebracht, in welchem ausdrücklich auf den Schriftsatz vom 15.07.2021 verwiesen wird. Dieser Antrag wurde zuerst noch beim Landesverwaltungsgericht Tirol eingebracht und von diesem am selben Tag an die Bezirkshauptmannschaft Z zuständigkeitshalber weitergeleitet. Eine Entscheidung über diesen Antrag ist allerdings auch in weiterer Folge nicht erfolgt.

Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die Säumnisbeschwerdeführer am 15.07.2021 einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt haben. Eine konkrete Reaktion auf diesen Antrag lässt sich dem vorgelegten Akt allerdings nicht entnehmen. So hat die Behörde zwar in weiterer Folge einen Schriftsatz an den Rechtsvertreter der Säumnisbeschwerdeführer gerichtet bzw im Wege über den gewerbetechnischen Amtssachverständigen telefonische Abklärungen zum Antrag vorgenommen, eine Aufforderung zur Akteneinsicht bzw eine förmliche Verweigerung der Akteneinsicht ist allerdings nicht erfolgt.

III.     Beweiswürdigung:

Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und ist nicht strittig.

Aufgrund der Stellungnahme der Behörde vom 10.01.2023 geht das Landesverwaltungsgericht Tirol davon aus, dass die Behörde zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt hat, die Akteneinsicht formell zu verweigern, aufgrund der damals bestehenden Arbeitsbelastung allerdings die förmliche Befassung der Nachbarn im Sinne des § 359b GewO 1994 übersehen hat.

IV.      Rechtslage:

Gewerbeordnung 1994

§ 359b

(1) Ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß Abs. 2 bis 4 ist durchzuführen, wenn

  1. 1.
    jene Maschinen, Geräte und Ausstattungen der Anlage, deren Verwendung die Genehmigungspflicht begründen könnte, ausschließlich solche sind, die in Verordnungen gemäß § 76 Abs. 1 oder Bescheiden gemäß § 76 Abs. 2 angeführt sind oder die nach ihrer Beschaffenheit und Wirkungsweise vornehmlich oder auch dazu bestimmt sind, in Privathaushalten verwendet zu werden, oder
  2. 2.
    das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 800 m² beträgt und die elektrische Anschlussleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 300 kW nicht übersteigt oder
  3. 3.
    die Art der Betriebsanlage in einer Verordnung nach Abs. 5 genannt ist oder
  4. 4.
    das Verfahren eine Spezialgenehmigung (§ 356e) betrifft oder
  5. 5.
    bei einer nach § 81 genehmigungspflichtigen Änderung hinsichtlich der Betriebsanlage einschließlich der geplanten Änderung einer der in Z 1 bis 4 festgelegten Tatbestände erfüllt ist.

(2) Ergibt sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen (§ 353), dass zumindest eine der Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt ist, so hat die Behörde das Projekt mit dem Hinweis bekanntzugeben, dass die Projektunterlagen innerhalb eines bestimmten, drei Wochen nicht überschreitenden Zeitraumes bei der Behörde zur Einsichtnahme aufliegen und die Nachbarn innerhalb dieses Zeitraumes von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch machen können. Für diese Bekanntgabe ist § 356 Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. Innerhalb dieser Frist können Nachbarn (§ 75 Abs. 2) einwenden, dass die Voraussetzungen für die Durchführung des vereinfachten Verfahrens nicht vorliegen. Erheben sie innerhalb der gesetzten Frist keine diesbezüglichen Einwendungen, endet die Parteistellung. Auf diese Rechtsfolge ist in der Bekanntmachung ausdrücklich hinzuweisen. § 42 Abs. 3 AVG gilt sinngemäß. Darüber hinaus gehend steht den Nachbarn keine Parteistellung zu.

…“

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991

§ 17

„Akteneinsicht

(1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.

…“

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz

§ 8

„Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde

(1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

…“

§ 16

„Nachholung des Bescheides

(1) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen.

(2) Holt die Behörde den Bescheid nicht nach, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Gleichzeitig hat die Behörde den Parteien eine Mitteilung über die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zuzustellen; diese Mitteilung hat den Hinweis zu enthalten, dass Schriftsätze ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht unmittelbar bei diesem einzubringen sind.“

§ 28

„Erkenntnisse

(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.“

V.       Erwägungen:

Durch das Einbringen eines Antrages bei einer Behörde wird die Entscheidungspflicht der Behörde ausgelöst. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, hat die belangte Behörde über den Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht vom 15.07.2021 keine Entscheidung erlassen. Weder hat sie die Akteneinsicht formal verwehrt, noch die Säumnisbeschwerdeführer antragsgemäß zur Akteneinsicht aufgefordert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 24.15.2018, Ro 2017/07/0026, zu einer vergleichbaren Rechtsfrage ausgesprochen, dass der Antrag eines Auskunftswerbers auf Erteilung einer Auskunft auf ein faktisches Verhalten der Behörde gerichtet ist und damit auf die Setzung eines Realakts, wie beispielsweise auch im Falle von Anträgen auf Ausstellung einer Urkunde (vgl. VwGH 10.9.2003, 2002/18/0152) oder auf Gewährung von Akteneinsicht (vgl. VwGH 6.9.2011, 2011/05/0072). Der Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG bietet nur einen Rechtsschutz gegen die Säumnis einer Behörde bei Bescheiderlassung, ist jedoch nicht dazu geeignet, die Ausstellung einer Urkunde zu begehren. Wird die Behörde aber mit der Ausstellung einer nicht als Bescheid zu qualifizierenden Urkunde säumig, hat die im Devolutionsweg angerufene Behörde - falls sie den Anspruch als gegeben erachtet - mit Bescheid festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Urkundenausstellung gegeben sind (vgl. VwGH 10.9.2003, 2002/18/0152).

Der Verwaltungsgerichtshof ist in der Entscheidung vom 06.09.2011, 2011/05/0072 in einer vergleichbaren Fallkonstellation davon ausgegangen, dass bei einem (mehrfachen) Antrag auf Akteneinsicht ohne förmliche Gewährung derselben von einer realen Verweigerung der Akteneinsicht auszugehen ist. Insofern ist die belangte Behörde in Bezug auf den Antrag auf Akteneinsicht säumig geworden, weil sie über diesen Antrag weder durch Bescheid entschieden, noch die Antragsteller zu Akteneinsicht aufgefordert hat. Dass diese mangelnde Aufforderung nachvollziehbar auf ein schlichtes Versehen zurückzuführen ist ändert an dieser Säumnis der belangten Behörde nichts. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht ist daher auf das Landesverwaltungsgericht übergegangen.

Die Säumnisbeschwerdeführer sind Nachbarn der Betriebsanlage „Reifen EE“. Auch in einem Genehmigungsverfahren nach § 359b GewO 1994 kommt den Nachbarn ein Mitspracherecht zur Frage zu, in wie fern die Behörde diese Verfahrensart zu Recht anwendet. Dies bedeutet, dass die Nachbarn in diesem Umfang Parteistellung im Verfahren haben und ihnen daher nach § 17 AVG auch das Recht auf Akteneinsicht zukommt. Anhaltspunkte dafür, dass dieses Recht etwa durch Präklusion erloschen wäre, lassen sich dem Akt der belangten Behörde nicht entnehmen.

Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 28 Abs 7 VwGVG in einem Säumnis-beschwerdeverfahren das Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken. Aus diesem Grund stellt das Landesverwaltungsgericht fest, dass den Säumnisbeschwerdeführern das Recht auf Akteneinsicht zusteht. Die belangte Behörde hat im nunmehr im Sinne des gemäß § 28 Abs 7 VwGVG fortzusetzenden Verfahren die Säumnisbeschwerdeführer binnen 8 Wochen unter Nennung eines Termins zur Akteneisicht aufzufordern. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang überdies, dass das Recht auf Akteneinsicht kein Recht zur Übermittelung von Aktenstücken umfasst. Die Akteneinsicht ist daher, sofern die Behörde nicht von sich aus die begehrte Aktenkopie übermittelt, bei der belangten Behörde vorzunehmen.

Zum weiteren Antrag, eine Kundmachung im Sinne des § 359b Abs 2 GewO 1994 vorzunehmen, wird festgehalten, dass dieser Antrag im ursprünglichen Antrag, auf den sich die Säumnisbeschwerde bezieht, noch nicht enthalten war. Insofern war darüber im vorliegenden Säumnisbeschwerdeverfahren noch nicht abzusprechen, sondern dieser Antrag zuständigkeitshalber an die Bezirkshauptmannschaft Z weiterzuleiten. Dies gilt gleichermaßen für den – mittlerweile im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol zurückgezogenen – Antrag auf Zustellung des Genehmigungsbescheides.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dünser

(Richter)

Schlagworte

Säumnisbeschwerde
Akteneinsicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2022.15.3163.4

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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