TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/22 95/21/0030

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Veröffentlicht am 22.11.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des I in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 4. August 1994, Zl. Fr-5824/3/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 FrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im angefochtenen Ausmaß, d.h. soweit er Feststellungen im Sinne des § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Bezug auf die Republik Rußland enthält, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte mit Schriftsatz vom 8. Juli 1994 an die Bundespolizeidirektion Salzburg den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in die russische Föderation. Im Rubrum des Schriftsatzes bezeichnete sich der Beschwerdeführer als russischer Staatsangehöriger.

Über diesen Antrag erging der Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 15. Juli 1994. Diese Behörde bezeichnete in der Einleitung des Bescheides den Beschwerdeführer als "ukrainischer Staatsangehöriger und ehemaliger russischer Staatsangehöriger". Im Spruch führte sie an, daß der Bescheid zum Antrag des Beschwerdeführers vom 8. Juli 1994 auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in die russische Föderation/konkret Republik Ukraine ergehe. Der Spruch lautete: "Es bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, daß Sie (der Beschwerdeführer) in der Republik Ukraine gemäß §§ 37 Abs. 1 oder Abs. 2 Fremdengesetz bedroht sind." In der Begründung führte die Bundespolizeidirektion Salzburg aus, daß der gegenständliche Antrag im Rahmen der Staaten der ehemaligen UdSSR geprüft werde. Im Asylverfahren habe der Beschwerdeführer als Geburtsort und Heimatadresse Samara angegeben. Ausgehend von diesen Angaben werde davon auszugehen sein, daß der Beschwerdeführer die ukrainische Staatsangehörigkeit besitze bzw. ukrainischer Staatsangehöriger sei. Aufgrund der Teilung der UdSSR beschränke sich eine Prüfung auf das Vorliegen der Gründe bzw. der Überprüfung hinsichtlich der Annahme, ob in der Republik Ukraine für den Beschwerdeführer Verfolgungsgründe bestünden.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er machte geltend, daß festzustellen gewesen sei, daß stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, daß er sowohl bei einer Abschiebung in die Republik Rußland als auch bei einer Abschiebung in die Republik Ukraine im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG bedroht sei. Da er Staatsangehöriger der ehemaligen UdSSR sei, hätte im Hinblick auf seinen Heimatort Kuybyschew auch geprüft werden müssen, ob einer Abschiebung in die russische Republik Abschiebungshindernisse entgegenstehen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und der bekämpfte Bescheid mit der Abänderung bestätigt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer im Falle "einer Abschiebung in die Republik Ukraine und/oder Republik Rußland" dort im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei. Die Abänderung wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer mit seinem Antrag vom 8. Juli 1994 den Schutz vor Abschiebung in die russische Föderation begehrt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Aus der Umschreibung des Beschwerdepunktes ergibt sich, daß der Beschwerdeführer den Bescheid nur hinsichtlich der Feststellung, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er in der Republik Rußland im Sinne des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG bedroht werde, angefochten wird. Als Beschwerdegründe werden Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Zum Beschwerdegrund der Unzuständigkeit der belangten Behörde macht der Beschwerdeführer geltend, Gegenstand der Berufung könne nur der von der Behörde erster Instanz erlassene Bescheid sein. Dieser sei jedoch auf die Prüfung und Feststellung, ob der Beschwerdeführer bei seiner Abschiebung in die Republik Ukraine im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG bedroht wäre, beschränkt gewesen.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht. Die Befugnis der Berufungsbehörde in der Sache selbst zu entscheiden, erstreckt sich nur auf die "Sache" des Berufungsverfahrens, also auf den Gegenstand des Verfahrens der Vorinstanz, soweit der darüber ergangene Bescheid mit Berufung angefochten wurde. Gegenstand des Berufungsbescheides kann daher im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG nur sein, was auch Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung gewesen ist. § 66 Abs. 4 AVG bietet keine Grundlage dafür, unter Übergehung der ersten Instanz aus Anlaß einer Berufung in der Berufungsentscheidung selbst über Anträge abzusprechen, die in erster Instanz gar nicht gestellt worden oder unerledigt geblieben sind (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 5. Auflage, Rz. 538, und Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, § 66 Abs. 4, E Nr. 86). Dadurch aber, daß die belangte Behörde in Verkennung dieses Umstandes auch über die Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in der Republik Rußland meritorisch abgesprochen hat, statt diesbezüglich die Berufung zurückzuweisen, hat sie ihre funktionelle Zuständigkeit überschritten und in diesem Umfange den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit belastet. Ob die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Republik Rußland aus den von ihm genannten Gründen unzulässig ist, wird Gegenstand eines weiteren Bescheides der Erstinstanz zu sein haben.

Da die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastete, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Anwendungsbereich des AVG §66 Abs4 Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210030.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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