Entscheidungsdatum
08.02.2023Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §68 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Visinteiner über die Beschwerde der Frau AA und des Herrn BB, beide vertreten durch Rechtsanwalt CC, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y als Grundverkehrsbehörde vom 01.12.2022, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach dem Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (TGVG 1996),
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang, Sachverhalt:
Mit Anzeige vom 02.03.2021 haben Frau AA und Herr BB, beide vertreten durch Notar DD, den am 01.03.2021 zwischen ihnen und Frau EE abgeschlossenen Kaufvertrag betreffend den Erwerb des Grundstückes **1 in EZ ***, KG X, je zur Hälfte samt Beilagen der Bezirkshauptmannschaft Y als Grundverkehrsbehörde zur grundverkehrsrechtlichen Genehmigung angezeigt.
Mit Schreiben vom 29.06.2021 teilte die Grundverkehrsbehörde Frau AA und Herrn BB mit, dass sie aufgrund eines Gutachtens der Abteilung FF des Amtes der Tiroler Landesregierung beabsichtige, dem Kaufvertrag die Genehmigung nicht zu erteilen, da der Kaufpreis mehr als 30 % über dem ortsüblichen Verkehrswert liege.
Mit Eingabe vom 05.07.2021 haben Frau AA und Herr BB durch den oben angeführten Notar den am 01.07.2021 zwischen ihnen und Frau EEr abgeschlossenen Nachtrag zum Kaufvertrag vom 01.03.2021 der Grundverkehrsbehörde übermittelt.
Nach Durchführung der Interessentensuche durch öffentliche Kundmachung gemäß § 7a TGVG hat die Grundverkehrsbehörde mit Bescheid vom 07.10.2021, Zl ***, dem Kaufvertrag vom 01.03.2021 samt Nachtrag gemäß § 4 Abs 1 iVm § 6 Abs 1 und § 7 Abs 1 lit d Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996, LGBl Nr 161/2020 (TGVG) die grundverkehrsrechtliche Genehmigung versagt. Dieser Bescheid ist am 09.11.2021 mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft erwachsen.
Mit Anzeige vom 16.11.2022 haben Frau AA und Herr BB, beide vertreten durch Rechtsanwalt CC, den am 10.10.2022 zwischen ihnen und Frau EE abgeschlossenen Schenkungsvertrag auf den Todesfall betreffend den Erwerb des obgenannten Grundstückes je zur Hälfte samt Beilagen der Bezirkshauptmannschaft Y als Grundverkehrsbehörde zur grundverkehrsrechtlichen Erledigung angezeigt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 01.12.2022, Zl ***, hat die Grundverkehrsbehörde diese Anzeige wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sich die am 16.11.2022 bei ihr eingelangte Anzeige auf einen neuerlichen grundverkehrsrechtlichen Abspruch über den Erwerb des Eigentums an dem Grundstück Nr **1 in EZ ***, GB ***** X, durch Frau AA und Herrn BB – je zur Hälfte - richte. Darüber sei allerdings bereits mit Bescheid vom 07.10.2021, Zl ***, rechtskräftig entschieden worden. Die Art des zum Eigentumserwerb führenden Verpflichtungsgeschäftes sei dabei unerheblich.
Dagegen haben Frau AA und Herr BB durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Rechtsansicht der belangten Behörde unzutreffend sei. Die grundverkehrsbehördliche Anzeige im Jahre 2021 habe sich auf einen Kaufvertrag betreffend das gegenständliche Grundstück bezogen, wohingegen nunmehr über einen Schenkungsvertrag auf den Todesfall abzusprechen sei. Demnach sei eine Sachverhaltsänderung eingetreten, weshalb die belangte Behörde über dieses neuerliche Begehren inhaltlich zu entscheiden habe. Gerade aufgrund des Umstandes, dass weder das Datum des Rechtsaktes noch das Verpflichtungsgeschäft im gegenständlichen Fall mit jenem aus dem Jahr 2021 übereinstimme, stehe einer inhaltlichen Entscheidung durch die belangte Behörde nichts entgegen. Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass die §§ 5 und 6 TGVG betreffend die Ausnahmen der Genehmigungspflicht sowie die Genehmigungsvoraussetzungen in Bezug auf den Eigentumserwerb je nach Verpflichtungsgeschäft differenzieren würden. Zudem sei die Übereinstimmung mit den Grundsätzen nach § 1 TGVG für jeden Erwerbsvorgang gesondert zu prüfen. Weiters seien nach § 6 Abs 6 TGVG Rechtserwerbe an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken durch Erben oder Vermächtnisnehmer – welchen Schenkungsnehmer im Todesfall gleichzusetzen seien –, die nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören, zu genehmigen, insofern dadurch keine Umgehung beabsichtigt werde. Nach § 2 Abs 6 TGVG sei das „Interessentenmodell“ nur bei Rechtsgeschäften unter Lebenden anzuwenden. Demzufolge sei der Erwerbsvorgang im Jahre 2021 nicht mit der nunmehrigen Schenkung auf den Todesfall gleichzusetzen. Ferner sei das behördliche Verfahren mit Mangelhaftigkeit behaftet, da die belangte Behörde aufgrund einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung keine inhaltliche Entscheidung getroffen habe. Es werde daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend beantragt, dass der Erwerb des jeweiligen Hälfteeigentums an der Liegenschaft in EZ *** GB ***** X zu ihren Gunsten aufgrund des abgeschlossenen Schenkungsvertrages auf den Todesfall vom 18.10.2022 genehmigt werde. In eventu werde die Behebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur neuerlichen Entscheidung beantragt.
II. Rechtsgrundlagen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996, LGBl Nr 61/1996, idF LGBl Nr 204/2021, lauten wie folgt:
„§ 4
Genehmigungspflicht
(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:
a) den Erwerb des Eigentums;
(…)
§ 6
Genehmigungsvoraussetzungen
(1) Die Genehmigung nach § 4 ist, soweit in den Abs. 2 bis 10 nichts anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn der Rechtserwerb den Grundsätzen nach § 1 Abs. 1 lit. a nicht widerspricht.
(…)“
Zudem ist gegenständlich folgende Bestimmung des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 58/2018, von Relevanz:
„Abänderung und Behebung von Amts wegen
§ 68.
(1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
(…)“
III. Erwägungen:
Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die – außer in den Fällen der §§ 69 bis 71 AVG – die Abänderung eines rechtskräftigen Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß Abs 2 bis 4 leg cit findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist § 68 AVG jedoch nicht unmittelbar anwendbar, da § 17 VwGVG den IV. Teil des AVG von der sinngemäßen Anwendung durch die Verwaltungsgerichte ausnimmt.
Allerdings judiziert der VwGH in ständiger Rechtsprechung, dass aus § 68 AVG abzuleiten ist, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann. Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Zudem folgt aus der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Erledigung. „Sache“ einer rechtskräftigen Entscheidung ist dabei stets der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgeblichen Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat. Identität der „Sache“ liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 8.4.2022, Ra 2021/03/0125).
Der Bescheid der belangten Behörde vom 07.10.2021, Zl ***, mit welchem dem am 01.03.2021 zwischen den Beschwerdeführern und Frau EEr abgeschlossenen Kaufvertrag samt Nachtrag betreffend den Erwerb des Grundstückes ***** in EZ ***, KG X, gemäß § 4 Abs 1 iVm § 6 Abs 1 und § 7 Abs 1 lit d Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996, LGBl Nr 161/2020 (TGVG) die grundverkehrsrechtliche Genehmigung versagt wurde, ist am 09.11.2021 mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft erwachsen.
Mit Anzeige vom 16.11.2022 haben die rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer den am 10.10.2022 zwischen ihnen und Frau EE abgeschlossenen Schenkungsvertrag auf den Todesfall betreffend den Erwerb desselben Grundstückes je zur Hälfte samt Beilagen der belangten Behörde zur grundverkehrsrechtlichen Erledigung angezeigt. Daraufhin hat die belangte Behörde diese Anzeige mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 01.12.2022, Zl ***, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Im Gegenstandsfall hat sich gegenüber dem rechtskräftigen Bescheid vom 07.10.2021 die Rechtslage nicht geändert. Zudem deckt sich das neue Begehren der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit dem früheren Begehren, da erneut die grundverkehrsrechtliche Genehmigung eines Rechtsgeschäftes, welches den Erwerb desselben landwirtschaftlichen Grundstückes zum Gegenstand hat, begehrt wird.
Hinsichtlich der Änderung des wesentlichen Sachverhaltes ist allerdings den Beschwerdeführern beizupflichten, da es sich gegenständlich um einen anderen Erwerbsvorgang - und zwar um eine Schenkung auf den Todesfall - handelt. Demnach hat sich der wesentliche Sachverhalt, den die belangte Behörde dem rechtskräftigen Bescheid vom 07.10.2021 zugrunde gelegt hat, wesentlich geändert. Folglich ist die belangte Behörde zu Unrecht von einer res iudicata ausgegangen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
In Anbetracht des Antrages der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Schenkung auf den Todesfall vom 18.10.2022 die grundverkehrsrechtliche Genehmigung erteilt werde, ist an dieser Stelle zu präzisieren, dass das erkennende Gericht nur über die verfahrensrechtliche Frage der Zurückweisung absprechen und nicht darüber hinaus eine Sachentscheidung fällen darf [Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 46 (Stand 1.3.2018, rdb.at)].
IV. Entfall der öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Ungeachtet eines Antrages des Beschwerdeführers auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung kann das Landesverwaltungsgericht jedoch gemäß § 24 Abs 4 VwGVG von der Durchführung der selbigen absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und ein Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) entgegenstehen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war im gegenständlichen Fall trotz entsprechendem Antrag nicht erforderlich, da lediglich das etwaige Vorliegen einer res iudicata zu prüfen war und es sich hierbei um eine reine Rechtsfrage handelt.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Visinteiner
(Richter)
Schlagworte
res iudicataEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2023.33.0198.1Zuletzt aktualisiert am
24.02.2023