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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art141 Abs1Leitsatz
Keine Stattgabe der Anfechtung einer Gemeinderatswahl; keine Auswirkung einer rechtswidrigen Wertung eines Stimmzettels für eine Wählergruppe auf die Mandatsverteilung im GemeindevorstandSpruch
Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. Am 15. März 1992 fanden die Wahlen zum Gemeinderat (und zum Bürgermeister) in allen Gemeinden Tirols außer der Stadt Innsbruck, so auch in der Gemeinde Bad Häring (politischer Bezirk Kufstein), statt, welche die Tiroler Landesregierung mit Kundmachung vom 3. Dezember 1991, LGBl. 88, ausgeschrieben hatte.
1.1.2. Dieser Gemeinderatswahl lagen die von den folgenden wahlwerbenden Parteien eingebrachten, gemäß §§43 bis 45 der Tiroler Gemeindewahlordnung 1991, LGBl. 79, (TGWO) abgeschlossenen und veröffentlichten Wahlvorschläge zugrunde:
Liste 1: Sozialdemokratische Partei Bad Häring (SPÖ)
Liste 2: ÖVP - Österreichischer Arbeiter- und Angestelltenbund (ÖVP-ÖAAB)
Liste 3: Unabhängige Häringer Liste (UHL)
Liste 4: ÖVP - Bad Häring (ÖVP)
Liste 5: Grüne Liste Bad Häring (GLH)
Liste 6: Namensliste Zehetner-Lackstätter (NZL)
Die Listen 2 und 4 waren miteinander gekoppelt.
1.1.3. Laut Kundmachung der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Bad Häring vom 18. März 1992 entfielen von den insgesamt 1.494 abgegebenen gültigen Stimmen - 54 Stimmzettel wurden als ungültig gewertet - auf
Sozialdemokratische Partei
Bad Häring (SPÖ) 620 Stimmen (7 Mandate)
ÖVP - Österreichischer Arbeiter- und
Angestelltenbund (ÖVP-ÖAAB) 171 Stimmen (2 Mandate)
Unabhängige Häringer Liste (UHL)
147 Stimmen (1 Mandat)
ÖVP - Bad Häring (ÖVP) 221 Stimmen (2 Mandate)
Grüne Liste Bad Häring (GLH) 95 Stimmen (1 Mandat)
Namensliste
Zehetner-Lackstätter (NZL) 195 Stimmen (2 Mandate).
1.2.1. Mit ihrer am 14. April 1992 zur Post gegebenen, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Wahlanfechtungsschrift begehrte die Namensliste Zehetner-Lackstätter, die Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Bad Häring, in eventu diese Wahl im Sprengel 3, wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens für nichtig zu erklären.
Begründend brachte die Anfechtungswerberin - gerafft wiedergegeben - vor, während der Auszählung der Stimmen im Sprengel 3 habe der Wahlleiter in der Wahlzelle einen - nicht abgegebenen - Stimmzettel vorgefunden und mit den auszuzählenden, abgegebenen Stimmzetteln vermengt (Punkt III a der Anfechtungsschrift). Weiters sei ein Stimmzettel zu Unrecht als gültig für die ÖVP abgegeben gewertet (Punkt III b der Anfechtungsschrift), ein weiterer dagegen rechtswidrig nicht für die anfechtende Wählergruppe, sondern als ungültig (Punkt III c der Anfechtungsschrift) gezählt worden.
Schließlich bringt die Anfechtungswerberin verfassungsrechtliche Bedenken gegen §74 Abs9 TGWO vor, der die Bedeutung von Listenkoppelungen für die Wahl des Gemeindevorstandes regelt. Sie weist auch darauf hin, daß ihr die Gemeindewahlbehörde die Einsicht in die Wahlakten verweigert habe.
1.2.2. Die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Bad Häring legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie ausführte, der Sprengelwahlleiter des Sprengels 3 (K H) habe während des Abstimmungsverfahrens in der Wahlzelle einen amtlichen Stimmzettel für die Wahl des Bürgermeisters (nicht aber für jene des Gemeinderates) gefunden, der schließlich bei der Auszählung berücksichtigt worden sei. Im übrigen verteidigte sie die Qualifizierung der beiden streitverfangenen Stimmzettel durch die Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 3.
1.2.3. Der Verfassungsgerichtshof ließ im Rechtshilfeweg Beweise zu der Behauptung erheben, es sei ein Stimmzettel (für die Wahl des Gemeinderates) in der Wahlzelle vorgefunden und bei der Stimmenauszählung mitgezählt worden.
1.2.4. Nach Abschluß des Beweisverfahrens erstattete die Anfechtungswerberin eine am 13. November 1992 zur Post gegebene Stellungnahme, in der ausgeführt wird, die Anfechtung werde "insbesondere im Sprengel 3 auch auf die aus den Wahlakten entnehmbaren Rechtswidrigkeiten in diesem Sprengel" gestützt. Die behaupteten Rechtswidrigkeiten wurden näher dargetan.
1.2.5. Die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Bad Häring äußerte sich zu dieser Stellungnahme, das neue Vorbringen habe keinen direkten Bezug zu den in der Anfechtungsschrift behaupteten Rechtswidrigkeiten und sei verfristet; im übrigen verteidigte sie die Rechtmäßigkeit der Vorgangsweise der Sprengelwahlbehörde bzw. bestritt einen Einfluß auf das Wahlergebnis.
1.2.6. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes äußerte sich die Anfechtungswerberin zu der von ihr behaupteten Verweigerung der Akteneinsicht durch die Gemeindewahlbehörde (vgl. Pkt. 1.2.1.). Danach wurden noch eine Stellungnahme dieser Behörde und je ein weiterer Schriftsatz der Anfechtungswerberin und der Gemeindewahlbehörde eingebracht.
1.3. §55 TGWO - überschrieben mit "Gültige Ausfüllung des amtlichen Stimmzettels für die Wahl des Gemeinderates" - lautet:
"(1) Der amtliche Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates ist gültig ausgefüllt, wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Wählergruppe der Wähler wählen wollte. Dies ist der Fall, wenn der Wähler in einem der links neben den Bezeichnungen der Wählergruppen vorgedruckten Kreise ein liegendes Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Kugelschreiber, Filzstift, Farbstift, Bleistift und dergleichen anbringt, aus dem eindeutig hervorgeht, daß er die in derselben Zeile angeführte Wählergruppe wählen wollte.
(2) Der amtliche Stimmzettel ist auch dann gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers auf andere Weise, zB durch Anhaken, Unterstreichen, sonstige entsprechende Kennzeichnung einer Wählergruppe oder durch Durchstreichen der übrigen Wählergruppen, eindeutig zu erkennen ist.
(3) Der amtliche Stimmzettel gilt weiters als gültig ausgefüllt, wenn ihn der Wähler hinsichtlich zweier oder mehrerer Wählergruppen nach Abs1 oder 2 behandelt hat, deren Wahlvorschläge miteinander gekoppelt sind. Die Stimme gilt für jene dieser Wählergruppen als gültig abgegeben, die auf dem amtlichen Stimmzettel zuerst gereiht ist.
(4) Ein amtlicher Stimmzettel, der nur die Eintragung eines Wahlwerbers aufweist, gilt als gültige Stimme für die Wählergruppe des vom Wähler eingetragenen Wahlwerbers, wenn der Name des Wahlwerbers in der gleichen Zeile in dem dafür vorgesehenen Raum eingetragen ist, die die Bezeichnung der Wählergruppe des Wahlwerbers enthält. Dasselbe gilt, wenn zwei Wahlwerber derselben Wählergruppe auf die angeführte Weise eingetragen wurden. Wurden zwei Wahlwerber verschiedener Wählergruppen, deren Wahlvorschläge miteinander gekoppelt sind, aber jeder von ihnen auf die im ersten Satz angeführte Weise eingetragen, so gilt die Stimme als für die auf dem amtlichen Stimmzettel zuerst angeführte Wählergruppe der miteinander gekoppelten Wahlvorschläge gültig abgegeben. §56 Abs1 zweiter, dritter und sechster Satz ist anzuwenden."
§62 TGWO - übertitelt mit "Ungültigkeit des Stimmzettels für die Wahl des Gemeinderates" - bestimmt:
"(1) Der Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates ist ungültig, wenn
a) ein anderer als der amtliche Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates zur Stimmabgabe verwendet wurde,
b) der Stimmzettel durch Abreißen eines Teiles derart beschädigt wurde, daß nicht eindeutig hervorgeht, für welche Wählergruppe der Wähler seine Stimme abgeben wollte,
c) der Stimmzettel entgegen dem §55 Abs1 und 2, etwa durch Durchstreichen aller Wählergruppen und dergleichen, behandelt wurde,
d) zwei oder mehrere Wählergruppen bezeichnet wurden, deren Wahlvorschläge nicht gekoppelt sind,
e) nur Namen von Wahlwerbern eingetragen wurden und die Eintragung nicht nach §55 Abs4 erfolgt ist,
f) aus den vom Wähler angebrachten Zeichen oder der sonstigen Kennzeichnung des Stimmzettels nicht eindeutig hervorgeht, für welche Wählergruppe er seine Stimme abgeben wollte.
(2) Wahlkuverts, die keinen Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates enthalten, gelten als ungültige Stimmen.
(3) Wörter, Bemerkungen oder Zeichen, die auf dem Stimmzettel außer zur Kennzeichnung einer Wählergruppe oder zur Bezeichnung von Wahlwerbern angebracht wurden, beeinträchtigen die Gültigkeit des Stimmzettels nicht, wenn sich hiedurch nicht einer der angeführten Ungültigkeitsgründe ergibt. Im Wahlkuvert befindliche Beilagen aller Art beeinträchtigen die Gültigkeit des Stimmzettels nicht."
2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:
2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980, 10610/1985, 12288/1990;
VfGH 5.3.1992 WI-8/91 und WI-10/91; 10.3.1992 WI-11,12/91;
11.6.1992 WI-5/91; 15.6.1992 WI-9/91). Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.
2.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheids eingebracht werden.
Nun sieht zwar §72 Abs6 und 7 TGWO administrative Einsprüche - iS eines Instanzenzugs nach §68 Abs1 VerfGG 1953 - vor, doch nur gegen ziffernmäßige Ermittlungen einer Gemeindewahlbehörde. (Diese Bestimmung ist, soweit im vorliegenden Verfahren anzuwenden, vom Erk. des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, G75/93, - mit dem ua. Teile des §72 Abs6 TGWO aufgehoben wurden - nicht betroffen.)
Zur Geltendmachung aller anderen (ds. alle nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffenden) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht - weil insoweit ein zunächst zu durchlaufender Instanzenzug iS des §68 Abs1 VerfGG 1953 nicht eingerichtet ist - die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des §68 Abs1 VerfGG 1953) offen (vgl. zB VfSlg. 10610/1985, 11732/1988, 12288/1990; VfGH 5.3.1992 WI-8/91 und WI-10/91; 10.3.1992 WI-11,12/91; 11.6.1992 WI-5/91; 15.6.1992 WI-9/91).
2.1.3. Im vorliegenden Fall strebt die Namensliste Zehetner-Lackstätter in ihrer Anfechtungsschrift nicht die - nach dem Gesagten dem Einspruchsverfahren nach §72 Abs6 und 7 TGWO vorbehaltene - Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr die Wertung zweier Stimmzettel als gültig bzw. als ungültig und behauptet, ein Stimmzettel sei zu Unrecht mitgezählt worden; dafür ist die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eingeräumt, weil es sich dabei um sonstige Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens handelt.
Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn der vierwöchigen Anfechtungsfrist ist in diesem Fall die Beendigung des Wahlverfahrens (s. VfSlg. 9085/1981, 10610/1985, 12288/1990; VfGH 5.3.1992 WI-8/91 und WI-10/91; 10.3.1992 WI-11,12/91; 11.6.1992 WI-5/91; 15.6.1992 WI-9/91), di. bei Gemeinderatswahlen nach der TGWO die der Gemeindewahlbehörde obliegende Kundmachung des Wahlergebnisses durch öffentlichen Anschlag (§72 Abs4 TGWO).
Diese Verlautbarung fand hier am 18. März 1992 statt.
Die am 30. März 1992 zur Post gegebene Wahlanfechtungsschrift (s. Punkt 1.2.1.) wurde darum rechtzeitig eingebracht.
2.1.4. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig. Daran verschlägt es nichts, daß die Anfechtungswerberin zunächst einen - in der Folge zurückgewiesenen - Einspruch an die Bezirkswahlbehörde einbrachte.
2.2. Die Beschwerdeführerin bezweifelt, daß die - hier anzuwendende (vgl. Pkt. 2.4.) - Bestimmung des §74 Abs9 TGWO der Verfassungsrechtslage entspreche, soweit sie festlege, daß bei der Ermittlung der verhältnismäßigen (Parteien-)Stärke jene Gemeinderatsparteien, die aus gekoppelten Wahlvorschlägen hervorgingen, zunächst als eine (einzige) Partei zu behandeln sind.
Der Verfassungsgerichtshof vermag sich diesen unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes ohne einläßliche Begründung - ganz allgemein - vorgetragenen Bedenken aus der Sicht der zur Entscheidung stehenden Rechtssache unter Berücksichtigung seiner bisherigen Rechtsprechung zur Listenkoppelung nicht anzuschließen (VfSlg. 1212/1929, 1976/1950, 9049/1981, 11168/1986).
2.3.1. Wertung eines nicht abgegebenen Stimmzettels (Pkt. III a der Anfechtungsschrift):
Die Aussagen der im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (im Rechtshilfeweg) einvernommenen Zeugen ergeben - unter Bedachtnahme auf den Inhalt der vorgelegten Wahlakten - folgendes Bild:
Am Vormittag des Wahltages fand der Sprengelwahlleiter K H - nach seiner Zeugenaussage - in der Wahlzelle (nur) einen für die Bürgermeisterwahl vorgesehenen gefalteten gelben Stimmzettel auf, den er anschließend zu den Wahlakten nahm (und mitzählen ließ). Diese Aussage wurde vom Zeugen A S - einem Beisitzer dieser Sprengelwahlbehörde, der ausschließt, daß während der Auszählung ein weißer Stimmzettel (für die Gemeinderatswahl) gefunden und den abgegebenen Stimmzetteln beigefügt worden sei - im wesentlichen bestätigt, desgleichen vom Stellvertreter des Leiters der Sprengelwahlbehörde, dem Zeugen S A, sowie von dem als Ersatzmitglied der Wahlbehörde fungierenden Zeugen W D. Auch die Zeugen T E und H R, Beisitzer dieser Sprengelwahlbehörde, sprechen im gegebenen Zusammenhang von einem gelben Stimmzettel. Der ebenfalls als Zeuge einvernommene Beisitzer H W vermochte die Farbe dieses Zettels nicht anzugeben. Die Aussage der Zeugin R H, der damaligen Schriftführerin, deutet jedoch in die Richtung eines gelben Zettels; das gleiche gilt für die Aussagen des Zeugen J E (Ersatzmitglied), des Wahlbeisitzers S K und der Zeugin G S, einer Beisitzerin, die einen aufgefundenen gelben Stimmzettel erwähnt. Die weiters vernommene Vertrauensperson K G kann nicht mehr genau sagen, ob der in Rede stehende Zettel gelb oder weiß gewesen sei; sie meint, es habe sich eher um einen weißen gehandelt. Demgegenüber sagte der Zeuge F Z, eine Vertrauensperson der anfechtenden Wählergruppe, zeugenschaftlich vernommen aus, daß der vom Wahlleiter aufgefundene Stimmzettel eine weiße Farbe hatte; dies bekundete auch die Vertrauensperson
N S.
In Prüfung und Würdigung dieser in entscheidenden Punkten widersprechenden Beweisergebnisse gelangte der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung, daß sich die Behauptungen in der Wahlanfechtungsschrift zur Farbe des besagten Stimmzettels (weiß) weder mit Sicherheit nachweisen noch (zumindest) entsprechend glaubhaft machen ließen (vgl. VfSlg. 1904/1950), zumal aufgrund der vorliegenden Beweismittel in ihrer Gesamtheit auch nicht gesagt werden kann, daß dem die Anfechtung stützenden Vorbringen insbesondere der Zeugen Z und S höhere innere Wahrscheinlichkeit beizumessen sei.
Damit fehlt aber der unter Pkt. III a der Anfechtungsschrift behaupteten Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens die entsprechende Tatsachengrundlage.
2.3.2. Wertung eines Stimmzettels für die Wählergruppe ÖVP (Pkt. III b der Anfechtungsschrift):
Der strittige, der ÖVP zugezählte Stimmzettel ist in den beiden links von den Wählergruppen-Bezeichnungen "SPÖ" (Vorschlag 1) und "ÖVP" (Vorschlag 4) aufgedruckten Kreisen angezeichnet, und zwar mit mehreren unregelmäßigen Strichen (Vorschlag 1) bzw. mit einem liegenden Kreuz (Vorschlag 4); außerdem wurde in die Vorzugsstimmenspalte zu Vorschlag 4 der Vor- und Zuname eines Wahlwerbers eingetragen.
Nach §62 Abs1 litd TGWO ist ein Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates aber ungültig, wenn zwei oder mehrere Wählergruppen "bezeichnet" wurden, deren Wahlvorschläge - wie die Vorschläge 1 und 4 - nicht gekoppelt sind (vgl. §55 Abs3 TGWO). Da hier tatsächlich zwei solche Wählergruppen "bezeichnet" (iSv angezeichnet) wurden, ist der erörterte Stimmzettel nach der zwingenden Vorschrift des §62 Abs1 litd TGWO als ungültig anzusehen. Er wurde darum der wahlwerbenden ÖVP zu Unrecht als gültig zugerechnet (vgl. VfGH 5.3.1992 WI-8/91 und 10.3.1992 WI-11,12/91, S 9 und 11). Raum für (notwendig spekulative) Überlegungen, welcher der beiden auf einem und demselben Stimmzettel "bezeichneten" Parteien, denen der Wähler den Vorzug gegeben haben könnte, bleibt unter solchen Voraussetzungen nicht (VfGH 5.3.1992 WI-8/91), und zwar ohne Rücksicht darauf, daß vieles für eine Deutung des Wählerwillens (auch) im Sinn der Auffassung der Wahlbehörde sprechen mag.
Im übrigen soll auf die Bestimmung des §52 Abs5 TGWO verwiesen werden, wonach ein Wähler, dem beim Ausfüllen des Stimmzettels ein Fehler unterlief, die Ausfolgung eines weiteren Stimmzettels begehren kann; in diesem Fall hat er den fehlerhaft ausgefüllten Stimmzettel vor der Wahlbehörde zu zerreißen und mit sich zu nehmen.
Die zu Punkt III b der Anfechtungsschrift behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens ist folglich gegeben.
2.3.3. Wertung eines Stimmzettels als ungültig (Pkt. III c der Anfechtungsschrift):
Aus den von der Gemeindewahlbehörde vorgelegten Wahlakten geht hervor, daß laut der Niederschrift der Sprengelwahlbehörde des Sprengels 3 insgesamt siebzehn Stimmen für ungültig befunden wurden. Der auf "Tabelle I" dieser Akten angebrachte Vermerk ergibt, daß die Wahlbehörde sechzehn Stimmzettel als ungültig ansah und daß ein Wahlkuvert keinen Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates enthielt. Unter den sechzehn von der Wahlbehörde übermittelten ungültigen Stimmzetteln des Sprengels 3 - diese Stimmzettel sind entgegen §61 Abs1 TGWO nicht mit
fortlaufenden Nummern versehen - findet sich jedoch kein einziger, welcher der unter Pkt. III c der Anfechtungsschrift gegebenen Beschreibung entspricht.
Die in diesem Punkt behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens liegt daher nicht vor.
2.4. Erhielte die Anfechtungswerberin, bezogen auf das kundgemachte Wahlergebnis, eine Stimme zusätzlich zugesprochen oder wären den gekoppelten Listen 2 und 4 wenigstens zwei Stimmen abzuziehen, so hätte dies zwar keine Auswirkung auf die Verteilung der fünfzehn Mandate im Gemeinderat, wohl aber - bei fünf Gemeindevorstandsmitgliedern - auf die Mandatsverteilung im Gemeindevorstand (so auch die Ausführungen in der Anfechtungsschrift - S 5; vgl. §74 Abs6 bis 9 TGWO). Daraus allein wäre zwar ein Einfluß auf das Wahlergebnis iSd Art141 Abs1 dritter Satz B-VG iVm §70 Abs1 VerfGG 1953 an sich abzuleiten (vgl. VfSlg. 7392/1974), doch ergibt sich nach dem bisher Ausgeführten keine weitere Stimme für die Anfechtungswerberin (vgl. Abschnitt 2.3.3.), die gekoppelten Listen 2 und 4 verlieren nach dem Ergebnis der Wahlanfechtung nicht zwei, sondern lediglich eine Stimme (Abschnitte 2.3.1. und 2.3.2.), was sich nach dem eingangs Gesagten auf die Mandatsverteilung im Gemeindevorstand nicht auszuwirken vermag.
Bei diesem Ergebnis konnte aber der Wahlanfechtung kein Erfolg beschieden sein.
2.5. Zum Vorbringen in der nachträglichen Stellungnahme der Anfechtungswerberin vom 13. November 1992 genügt der Hinweis, daß der Verfassungsgerichtshof im Verfahren nach Art141 B-VG nur zu untersuchen hat, ob die bereits in der Wahlanfechtungsschrift geltend gemachten Rechtswidrigkeiten vorliegen (VfSlg. 9093/1981, S 317 f.). Die behauptete Verweigerung der Akteneinsicht durch die Gemeindewahlbehörde liegt schon nach dem Vorbringen der Anfechtungswerberin selbst in ihren Schriftsätzen vom 26. März und vom 28. Mai 1993 nicht vor.
2.6. Der Wahlanfechtung war daher nicht stattzugeben.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Wahlen, Wahlvorschlag, Stimmzettel, WahlergebnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:WI8.1992Dokumentnummer
JFT_10069070_92W00I08_00