TE Vwgh Beschluss 2023/1/12 Ra 2022/22/0135

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Veröffentlicht am 12.01.2023
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache der J O, vertreten durch Mag. Aida Slijepcevic, Rechtsanwältin in 1140 Wien, Guldengasse 11a/1, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 22. Juni 2022, VGW-151/019/17789/2021-21 und VGW-151/019/7595/2022-1, betreffend Wiederaufnahme von Verfahren nach dem NAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach der unbestritten gebliebenen Darstellung im angefochtenen Erkenntnis und den Verwaltungsakten liegt der gegenständlichen Revisionssache folgender Verfahrensgang zugrunde: Die Revisionswerberin, eine serbische Staatsangehörige, stellte am 10. Mai 2011 unter Berufung auf ihre am 20. April 2011 mit dem österreichischen Staatsbürger V.M. geschlossene Ehe einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Mit Berufungsbescheid der Bundesministerin für Inneres vom 17. Jänner 2013 wurde der Revisionswerberin dieser Aufenthaltstitel erstmalig mit einer Gültigkeit vom 30. Jänner 2013 bis 30. Jänner 2014 erteilt.

2        Aufgrund der Verlängerungsanträge vom 13. Dezember 2013 und vom 19. Jänner 2015 wurden der Revisionswerberin vom Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) weitere Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeit vom 31. Jänner 2014 bis 31. Jänner 2015 bzw. vom 1. Februar 2015 bis 1. Februar 2018 erteilt.

3        Am 24. August 2017 wurde die Ehe der Revisionswerberin mit V.M. geschieden. Daraufhin stellte die Revisionswerberin am 3. Oktober 2017 gestützt auf § 27 Abs. 1 NAG einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“, welcher ihr mit Gültigkeit vom 2. Februar 2018 bis 2. Februar 2021 erteilt und - aufgrund des Antrages vom 5. November 2020 - mit Gültigkeit vom 3. Februar 2021 bis 3. Februar 2024 verlängert wurde. Am 20. November 2020 hat der nunmehrige Ehegatte der Revisionswerberin gestützt auf diese Ehe einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG gestellt, über den (zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes) noch nicht entschieden war.

4        Mit Bescheid vom 23. November 2021 nahm die belangte Behörde die Verfahren betreffend den Erstantrag vom 10. Mai 2011 sowie die vier dargestellten Verlängerungs- bzw. Zweckänderungsanträge gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 3 AVG von Amts wegen wieder auf [Spruchpunkte 1)a) bis 1)e)]. Unter einem wies die belangte Behörde den Antrag vom 10. Mai 2011 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ [Spruchpunkt 2)a)] sowie die Verlängerungs- bzw. Zweckänderungsanträge [Spruchpunkt 2)b)] aufgrund des Vorliegens einer Aufenthaltsehe bzw. mangels Vorliegens eines gültigen Aufenthaltstitels für Österreich ab.

5        Über die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin entschied das Verwaltungsgericht Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 22. Juni 2022 wie folgt: Die Spruchpunkte 1)a) und 2)a) des bekämpften Bescheides wurden infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos behoben (Spruchpunkt A.), das aufgrund des Antrags der Revisionswerberin vom 10. Mai 2011 mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 17. Jänner 2013 rechtskräftig abgeschlossene Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ wurde (mittels Beschluss) von Amts wegen wiederaufgenommen (Spruchpunkt B.), und schließlich wurden (mittels Erkenntnis) die Berufung (nunmehr Beschwerde) der Revisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 16. April 2012 (mit dem der Antrag der Revisionswerberin vom 10. Mai 2011 erstinstanzlich abgewiesen worden war) sowie die Beschwerde gegen die verbleibenden Spruchpunkte des Bescheides der belangten Behörde vom 23. November 2021 - in Bezug auf Spruchpunkt 2)b) des Bescheides der belangten Behörde wegen des Fehlens einer besonderen Erteilungsvoraussetzung gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 in Verbindung mit § 47 Abs. 2 NAG bzw. gemäß § 27 NAG - abgewiesen (Spruchpunkt C.). Die ordentliche Revision wurde jeweils für unzulässig erklärt.

6        Nach Darstellung des Verfahrensganges stellte das Verwaltungsgericht fest, die Ehe der Revisionswerberin mit V.M. sei allein zu dem Zweck geschlossen worden, der Revisionswerberin einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen. Ein gemeinsames Familienleben im Sinn einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft sei zu keinem Zeitpunkt gegeben gewesen. Die Revisionswerberin und V.M. hätten nicht zur gemeinsamen Bestreitung des Lebensunterhalts beigetragen und kein Intimleben geführt; eine Hausgemeinschaft habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.

7        In seiner Beweiswürdigung verwies das Verwaltungsgericht zunächst darauf, dass keine Nachweise (etwa Lichtbilder) vorgelegt worden seien, die ein gemeinsames Familienleben zwischen der Revisionswerberin und V.M. hätten belegen können. Es sei nicht nachvollziehbar, dass es keinen einzigen Beleg über das gemeinsame Zusammenleben gebe, zumal die Ehe einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren umfasst habe. Es sei daher davon auszugehen, dass entsprechende Nachweise nicht hätten vorgelegt werden können, weil ein tatsächliches Ehe- und Familienleben zwischen der Revisionswerberin und V.M. zu keinem Zeitpunkt geführt worden sei.

Weiters verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass die Revisionswerberin und V.M. in der mündlichen Verhandlung (nach dem Eindruck des erkennenden Richters) bemüht gewesen seien, möglichst vage und oberflächliche Antworten zu geben, um Widersprüche zu vermeiden. Ungeachtet dessen seien - so das Verwaltungsgericht weiter - etliche (eingehend dargestellte) Widersprüche zu Tage getreten (etwa hinsichtlich des Zeitpunkts und der Umstände des Kennenlernens, des Beginns und der weiteren Entwicklung der Beziehung, des Tages der Eheschließung, des Zusammenlebens, der Freizeitgestaltung, des behaupteten Intimlebens, der beruflichen Tätigkeit der Revisionswerberin sowie der Beendigung des Ehelebens). Das Verwaltungsgericht setzte sich beweiswürdigend auch mit den übereinstimmenden Angaben der Revisionswerberin und des V.M. (etwa, dass V.M. Nichtraucher sei und keinen Sport betrieben habe) auseinander. Insgesamt - so das Verwaltungsgericht - sei jedoch angesichts der zu Tage getretenen Widersprüche und Unplausibilitäten, die in Anzahl und auch inhaltlich die übereinstimmenden Angaben deutlich überwiegen würden, des vom erkennenden Richter in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks und des Fehlens jeglicher Nachweise für das gemeinsame Zusammenleben davon auszugehen, dass die Revisionswerberin und V.M. zu keinem Zeitpunkt eine Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft geführt hätten, sondern diesen Eindruck lediglich nach außen hätten vermitteln wollen.

Auch die Aussagen der weiteren Zeugen (ua. diejenige des nunmehrigen Ehemannes der Revisionswerberin) hätten keinen Beleg dafür geliefert, dass zwischen der Revisionswerberin und V.M. tatsächlich zu irgendeinem Zeitpunkt ein Ehe- und Familienleben geführt worden sei. Dabei bezog das Verwaltungsgericht in seine Beweiswürdigung mit ein, dass laut Aussage des nunmehrigen Ehemannes der Revisionswerberin deren Beziehung bereits im Jahr 2015 und somit zu einem Zeitpunkt begonnen habe, zu dem die Revisionswerberin nach der Aussage von V.M. noch in der gemeinsamen (Ehe)Wohnung gelebt habe.

8        In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das Verwaltungsgericht zu Spruchpunkt A. fest, die belangte Behörde sei zur amtswegigen Wiederaufnahme des mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 17. Jänner 2013 abgeschlossenen Verfahrens sowie zur Entscheidung über das dadurch neuerlich zu erledigende Rechtsmittel nicht zuständig. Diese Kompetenz komme gemäß der Übergangsbestimmung (insbesondere) des § 3 Abs. 6 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz dem Verwaltungsgericht Wien zu, weshalb die Spruchpunkte 1)a) und 2)a) des bekämpften Bescheides infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde zu beheben gewesen seien.

Zu Spruchpunkt B. führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe sich sowohl vor der belangten Behörde als auch vor der Bundesministerin für Inneres auf das Eingehen der Ehe mit V.M. gestützt, obwohl ein Eheleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt und die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen worden sei, ihr einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu verschaffen. Zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels seien noch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass es sich bei der Ehe der Revisionswerberin mit V.M. um eine Aufenthaltsehe handeln könne. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme hinsichtlich der erstmaligen Erteilung eines Aufenthaltstitels seien damit gegeben. Das mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 17. Jänner 2013 abgeschlossene Verfahren sei daher vom Verwaltungsgericht von Amts wegen wiederaufzunehmen.

Zu Spruchpunkt C. hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, dass die Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 16. April 2012 schon aufgrund des Fehlens der besonderen Erteilungsvoraussetzung der § 2 Abs. 1 Z 9 in Verbindung mit § 47 Abs. 2 NAG abzuweisen sei, weil die Ehe der Revisionswerberin mit V.M. seit dem 24. August 2017 geschieden und dieser somit kein Familienangehöriger sei.

Die Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren betreffend die Anträge der Revisionswerberin auf Erteilung von Aufenthaltstiteln vom 13. Dezember 2013, 19. Jänner 2015, 3. Oktober 2017 und 5. November 2020 sei zulässig, weil sich die Revisionswerberin auf die Ehe mit V.M. gestützt habe, obwohl ein Eheleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt worden sei. Auch insoweit seien zum Zeitpunkt der Erteilung der Aufenthaltstitel noch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass es sich um eine Aufenthaltsehe handeln könne. Das bloße Vorliegen von Verdachtsmomenten führe nicht dazu, dass ein die Wiederaufnahme ausschließender Ermittlungsmangel gegeben sei. Der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG sei auch hinsichtlich der Anträge vom 3. Oktober 2017 und vom 20. November 2020 gegeben, weil das Berufen auf die Aufenthaltsehe in den Anträgen vom 13. Dezember 2013 und 19. Jänner 2015 und die dadurch herbeigeführte positive Erledigung dieser Anträge die weiteren Titelerteilungen mittelbar bewirkt habe.

Da die Revisionswerberin - so das Verwaltungsgericht weiter - keine Familienangehörige eines österreichischen Staatsbürgers sei, mangle es ihr hinsichtlich der Verlängerungsanträge vom 13. Dezember 2013 und 19. Jänner 2015 an einer besonderen Erteilungsvoraussetzung. Hinsichtlich der beiden weiteren Anträge komme ihr mangels eines vorliegenden bzw. zuvor erteilten Aufenthaltstitels kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 27 NAG zu. Die Beschwerde sei daher (mit den im Spruch ersichtlichen Maßgaben) abzuweisen gewesen.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe es verabsäumt, von den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung Gebrauch zu machen. In Zusammenschau mit den herkömmlichen Meldungen der Standesämter an die Fremdenpolizei beim Abschluss einer Ehe eines Österreichers mit einem Drittstaatsangehörigen hätte eine fremdenpolizeiliche Überprüfung der gegenständlichen Ehe erfolgen müssen. Dies sei jedoch unterlassen worden. Es habe damals, als noch eine realistische Einschätzung möglich gewesen wäre, keine Ermittlungen zu einer möglicherweise vorliegenden Aufenthaltsehe gegeben. Überdies hätte es fast zehn Jahre lang keinen in diese Richtung geäußerten Verdacht gegeben. Diesbezüglich liege ein Verfahrensmangel vor, der, wäre er vermieden worden, zu keinem Erschleichen von Aufenthaltstiteln geführt hätte.

Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten:

12       Gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG ist ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren wiederaufzunehmen, wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, durch falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist.

13       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liegt ein „Erschleichen“ im soeben aufgezeigten Sinn dann vor, wenn die betreffende Entscheidung in einer Art zu Stande gekommen ist, dass die Partei gegenüber der Behörde objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht hat oder maßgebliche Angaben unterlassen hat und der so festgestellte Sachverhalt dann der Entscheidung zu Grunde gelegt worden ist, sofern die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen ist und ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere Erhebungen durchzuführen. Von einem „Erschleichen“ kann daher nicht gesprochen werden, wenn die Behörde es verabsäumt hat, von den ihr ohne besondere Schwierigkeiten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung Gebrauch zu machen (vgl. VwGH 4.8.2022, Ra 2022/22/0053, Rn. 13, mwN).

14       Nach dem Vorgesagten wäre die Wiederaufnahme wegen „Erschleichen“ dann ausgeschlossen, wenn die Behörde die ihr mögliche Sachverhaltsermittlung hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe unterlassen hätte. Die diesbezügliche Beurteilung setzt jedoch voraus, dass die Partei konkret aufzeigt, inwiefern dem betreffenden Verfahren ein Ermittlungsmangel hinsichtlich des Verdachts des Vorliegens einer Aufenthaltsehe anhafte (vgl. VwGH 4.11.2022, Ra 2022/22/0146, Rn. 11, mwN).

15       Mit dem bloßen Hinweis auf „Meldungen der Standesämter an die Fremdenpolizei“ beim Abschluss einer Ehe zwischen einem österreichischen Staatsbürger und einem Drittstaatsangehörigen zeigt die Revisionswerberin aber nicht auf, dass die belangte Behörde (bzw. die Bundesministerin für Inneres) bei Erteilung der jeweiligen Aufenthaltstitel Zweifel hinsichtlich der Ehe zwischen der Revisionswerberin und V.M. hätte haben müssen und ihr somit ein (das Erschleichen ausschließender) Verfahrensmangel anzulasten wäre. Es wird auch nicht dargelegt, welche (entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes bereits zum Zeitpunkt der jeweiligen Titelerteilung vorliegenden) Anhaltspunkte Ermittlungen betreffend das Vorliegen einer Aufenthaltsehe hätten nach sich ziehen müssen.

16       Sofern die Revisionswerberin mit ihrem Vorbringen zum Ausdruck bringen sollte, dass eine Überprüfung der gegenständlichen Ehe und dem folgend eine Wiederaufnahme zu einem früheren Zeitpunkt hätte erfolgen müssen, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 69 Abs. 3 AVG unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme von Amts wegen verfügt werden kann, wobei nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheids die amtswegige Wiederaufnahme nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden kann. Daraus ergibt sich nicht, dass die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, die abgeschlossenen Verfahren zum ehestmöglichen Zeitpunkt wiederaufzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Behörde die Wiederaufnahme nicht binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem sie vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, einleiten. § 69 Abs. 3 AVG bindet nämlich die Behörde ausdrücklich nur an die Bedingungen des Abs. 1, sodass klar ist, dass die in § 69 Abs. 2 AVG gesetzte Fallfrist nur für die Parteien gilt, welche einen Wiederaufnahmeabspruch geltend machen wollen (vgl. erneut VwGH Ra 2022/22/0146, Rn. 15, mwN).

17       Soweit die Revisionswerberin an einer Stelle darauf verweist, dass das Vorliegen einer Aufenthaltsehe von den Eheleuten vehement bestritten werde, und sie sich damit der Sache nach gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes wendet, vermag sie mit diesem nicht weiter substantiierten Vorbringen eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit der - auf eine Vielzahl von Aspekten und den in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck gestützten - Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes nicht aufzuzeigen (vgl. VwGH 22.9.2022, Ra 2022/22/0136, Rn. 11 f, mwN).

18       In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 12. Jänner 2023

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022220135.L00

Im RIS seit

24.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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