TE Vwgh Beschluss 2023/1/19 Ra 2022/06/0310

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Veröffentlicht am 19.01.2023
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der M S in W, vertreten durch Mag. Jürgen M. Krauskopf, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 60, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 27. September 2022, 405-3/949/1/11-2022, betreffend Übertretungen des Salzburger Baupolizeigesetzes 1997 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt S. vom 23. März 2022, mit welchem ihr als Eigentümerin einer näher genannten Bauliegenschaft die Nichterfüllung bzw. die nicht vollständige Erfüllung verschiedener baupolizeilicher Aufträge gemäß einem näher bezeichneten Bescheid zur Last gelegt und über sie wegen zehn Verwaltungsübertretungen eine Geldstrafe in der Höhe von jeweils € 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils einem Tag) verhängt sowie der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens mit € 30,-- je Verwaltungsübertretung bemessen worden war, hinsichtlich sechs der bekämpften Verwaltungsübertretungen mit einer Maßgabe im Spruch des bekämpften Bescheides als unbegründet abgewiesen und ihr ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt (Spruchpunkt I.). Hinsichtlich vier der bekämpften Verwaltungsübertretungen wurde der Beschwerde Folge gegeben, die betreffenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides wurden aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren wurde insoweit eingestellt (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).

5        In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision bringt die Revisionswerberin vor, sie habe im Verfahren geltend gemacht, dass hinsichtlich einiger Anschuldigungspunkte die Voraussetzungen für eine Ermahnung im Sinn des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG vorlägen, was vom Verwaltungsgericht mit knapper Begründung verneint worden sei. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage sei trotz der Entscheidung VwGH 20.1.2017, Ra 2016/09/0109 - nach welcher auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 1 VStG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 zurückgegriffen werden könne - keineswegs einheitlich. Obwohl nach der „Leitentscheidung“ VwSlg 13014 A/1989 § 21 VStG die Behörde trotz Verwendung des Wortes „kann“ nicht zur Ermessensausübung ermächtige, sondern der Beschuldigte bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen Anspruch darauf habe, dass von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht werde, werde in der Entscheidung VwGH 9.3.2018, Ra 2017/02/0263, ausgeführt, dass der Beschuldigte kein subjektives Recht darauf habe, dass über seinen Antrag gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ausdrücklich abgesprochen werde.

6        Weiters stelle sich die Rechtsfrage, ob es gerechtfertigt sei, die Nichterfüllung behördlicher Bauaufträge mit der verzögerten bzw. verspäteten Erfüllung derartiger Bauaufträge sowohl hinsichtlich der Schuld als auch hinsichtlich der Strafe vollkommen gleich zu behandeln, zumal die Revisionswerberin einige Bauaufträge, die zum Stichtag der baupolizeilichen Kontrolle (noch) nicht erfüllt gewesen seien, zum Zeitpunkt der nächsten Kontrolle am 28. April 2022 erfüllt habe. Es finde sich keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob bzw. dass hier eine entsprechend differenzierte Behandlung der beiden Sachverhaltskomplexe geboten sei.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

7        Die Revisionswerberin übersieht, dass der von ihr zitierten Entscheidung VwSlg 13014 A/1989 § 21 Abs. 1 erster Satz VStG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 zugrunde lag, welcher normierte, dass die Behörde bei Vorliegen der in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen von der Verhängung einer Strafe absehen kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dieser Entscheidung, ebenso wie in VwGH 19.1.1983, 82/03/0043, ausgesprochen, dass § 21 Abs. 1 VStG trotz der Verwendung des Wortes „kann“ nicht zur Ermessensübung ermächtigt. Gleichzeitig hat der Verwaltungsgerichtshof im zuletzt zitierten Erkenntnis, ebenso wie im von der Revisionswerberin genannten Erkenntnis 9.3.2018, Ra 2017/02/0263, klargestellt, dass der Beschuldigte kein subjektives Recht darauf hat, dass über seinen Antrag auf Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG ausdrücklich abgesprochen wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist somit in ständiger Judikatur zu § 21 Abs. 1 erster Satz VStG davon ausgegangen, dass der Beschuldigte einen Anspruch darauf hat, dass von dieser Bestimmung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Gebrauch gemacht wird, nicht aber darauf, dass ausdrücklich über einen entsprechenden Antrag abgesprochen wird. Ein solcher Abspruch ist entgegen der Ansicht der Revisionswerberin zur Verfolgung ihrer Rechte auch nicht erforderlich, weil das Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG im Wege der Bekämpfung des Straferkenntnisses geltend gemacht werden kann. Die von der Revisionswerberin behauptete Uneinheitlichkeit der hg. Rechtsprechung zu § 45 Abs. 1 Z 4 VStG liegt daher nicht vor. Bemerkt wird, dass in § 45 Abs. 1 VStG das Wort „hat“ verwendet wird, sodass sich nunmehr bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung explizit die Verpflichtung der Behörde zur Einstellung des Strafverfahrens bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen ergibt.

8        Zum weiteren Zulässigkeitsvorbringen ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei der Nichtbefolgung von baupolizeilichen Anordnungen um ein Dauerdelikt handelt, bei welchem das Unrecht der Tat mit der Vornahme der Handlung beginnt und erst mit deren Aufhören endet. Die Festlegung der Tatzeit kann dabei mit jenem Zeitpunkt, zu dem die Tat entdeckt worden ist, erfolgen, wobei dieses Delikt dann bis zu diesem (Entdeckungs-)Zeitpunkt als verfolgt und bestraft gilt (vgl. Giese, Salzburger Baurecht2, Rz 62 f. zu § 23 BauPolG, VwGH 31.1.2012, 2009/05/0123, und VwGH 16.9.2010, 2010/09/0149). Bereits daraus lässt sich für den Revisionsfall klar ableiten, dass eine zeitlich nach dem angelasteten Tatzeitraum erfolgende Beendigung des strafbaren Verhaltens nicht zu berücksichtigen war. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt somit insoweit nicht vor (vgl. etwa VwGH 20.10.2022, Ra 2022/06/0226, mwN).

9        Die Revision war daher schon wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zur Behandlung geeignet nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

10       Ist die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung unzulässig, erübrigt sich die Prüfung, ob sie rechtzeitig erhoben wurde (vgl. VwGH 15.5.2014, https://www.ris.bka.gv.at/MarkierteDokumente.wxe?Abfrage=Vwgh&Entscheidungsart=Undefined&Sammlungsnummer=&Index=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=True&GZ=&VonDatum=&BisDatum=11.01.2023&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=Ro 2014/05/0043&WxeFunctionToken=bfc133f6-5275-417b-931c-bace67fb30cb - hit10Ro 2014/05/0043).

Wien, am 19. Jänner 2023

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022060310.L00

Im RIS seit

24.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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