TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/23 95/18/1174

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Veröffentlicht am 23.11.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §22;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Mai 1995, Zl. SD 677/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. Mai 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Zaire, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer lebe seit 1982 im Bundesgebiet. Im Oktober 1986 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet, doch sei es, nachdem ihn seine Gattin verdächtigt habe, Medikamente in den Kaffee gemischt zu haben, schon nach etwas mehr als zwei Jahren zur Scheidung gekommen. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des zuletzt erteilten Sichtvermerkes am 4. Februar 1994 sei der Berufungswerber in Wien "untergetaucht". Deshalb habe ein Strafverfahren wegen Verdachtes des Suchtgiftmißbrauchs und der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten gemäß § 412 StPO abgebrochen werden müssen. Der Beschwerdeführer sei an verschiedenen Adressen unangemeldet wohnhaft gewesen und keiner Beschäftigung nachgegangen. Er sei mittellos und könne der Sorgepflicht gegenüber einer Tochter, die bei seiner geschiedenen Gattin lebe, nicht nachkommen.

Der seit über einem Jahr bestehende unrechtmäßige Aufenthalt im Inland und die Tatsache, daß der Beschwerdeführer als "U-Boot" im Bundesgebiet lebe, gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße. Dazu komme, daß dem Beschwerdeführer mangels Erfüllung der im § 6 Abs. 2 erster Satz Aufenthaltsgesetz normierten Voraussetzung keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden dürfe. Eine Abstandnahme von der Ausweisung würde dem Beschwerdeführer den tatsächlichen, jedoch nicht rechtmäßigen Aufenthalt auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens zuwiderlaufen würde. Das Aufenthaltsverbot sei daher im Grunde des § 19 FrG zulässig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleiben die maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen, insbesondere daß die Gültigkeitsdauer des dem Beschwerdeführer zuletzt erteilten Sichtvermerkes mit 4. Februar 1994 befristet gewesen sei, und die darauf gegründete - zutreffende - Ansicht der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer seit diesem Zeitpunkt nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte, unbekämpft. Vorbehaltlich der Zulässigkeit gemäß § 19 FrG liegt demnach die gesetzliche Voraussetzung für die Erlassung einer Ausweisung vor (§ 17 Abs. 1 FrG).

2. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG. Er habe sehr guten Kontakt zu seiner Tochter, die bei seiner geschiedenen Gattin - zu der er auch ein sehr gutes Verhältnis habe - lebe. Durch die Ausweisung würde er nicht nur "diese Beziehungen unwiederbringlich verlieren", sondern auch daran gehindert werden, seiner Sorgepflicht gegenüber dem Kind nachzukommen. Die Ausweisung habe auch deshalb "weitreichendste Auswirkungen" auf sein zukünftiges Leben, weil er in Österreich seit über 12 Jahren beheimatet und "voll sozial integriert" sei.

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland und die Beziehung zu dessen Tochter ohnehin festgestellt hat und davon ausgegangen ist, daß die Ausweisung einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben darstelle.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Ausweisung verhindere seine Unterhaltszahlungen, ist - abgesehen davon, daß er auch derzeit aufgrund der von ihm nicht bestrittenen Beschäftigungslosigkeit und Mittellosigkeit keine Leistungen erbringen kann - zu erwidern, daß er die Unterhaltszahlungen nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch aus dem Ausland leisten kann (vgl. etwa das zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ergangene, aber auch hier maßgebliche Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0887).

Hinsichtlich der Beziehung zu seiner geschiedenen Gattin führt der Beschwerdeführer selbst - zurecht - aus, daß es sich hiebei mangels gemeinsamen Haushaltes nicht um ein im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG relevantes Familienleben handle.

Von einer "vollen sozialen Integration" kann beim Beschwerdeführer schon aufgrund dessen Beschäftigungslosigkeit und Mittellosigkeit und der Tatsache, daß er zuletzt nicht polizeilich gemeldet war, nicht gesprochen werden. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer - wie er im Rahmen der geltend gemachten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ausführt - "nahezu perfekt" deutsch spricht und seinen Bekannten- und Freundeskreis in Österreich hat.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf seine Unbescholtenheit beruft, ist ihm entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde ihm ohnehin keine Verurteilung oder Bestrafung zum Vorwurf gemacht hat.

Auf das Vorbringen, daß der Beschwerdeführer in Zaire keine Möglichkeit habe, einen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung zu stellen, es seiner Tochter unzumutbar wäre, dorthin nachzureisen und er sich dort erst eine neue Lebensgrundlage schaffen müsse, war nicht einzugehen, weil mit der Erlassung der Ausweisung lediglich die Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verbunden ist (§ 22 FrG), nicht hingegen darüber abgesprochen wird, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/1099).

Der im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides bereits mehr als 15 Monate dauernde unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stellt eine gewichtige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dar (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. März 1995, Zl. 95/18/0340). Eine weitere Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Beschwerdeführer ergibt sich durch den Umstand, daß er nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des zuletzt erteilten Sichtvermerkes "untertauchte" und in der Folge unangemeldet im Inland als "U-Boot" lebte. Die vom Beschwerdeführer ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung hat daher insgesamt ein solches Gewicht, daß die Ausweisung, ungeachtet des von der belangten Behörde - in Übereinstimmung mit der Beschwerde - angenommenen, damit verbundenen Eingriffes in sein Privat- und Familienleben, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, somit zur Erreichung eines in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zieles, dringend geboten ist. Der belangten Behörde ist daher im Ergebnis zuzustimmen, daß die Ausweisung im Grunde des § 19 FrG zulässig ist.

Daran vermag auch der Hinweis in der Beschwerde auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 21. Juni 1988, A/138 (Fall Berrehab gegen Niederlande), nichts zu ändern, weil der dort zu lösende Fall mit dem vorliegenden vom Sachverhalt her nicht vergleichbar ist.

Es braucht daher nicht näher erörtert zu werden, ob eine weitere Beeinträchtigung öffentlicher Interessen dadurch gegeben ist, daß dem Beschwerdeführer bei Abstandnahme von der Ausweisung der tatsächliche, jedoch nicht rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet würde, obwohl im Hinblick auf das Erfordernis, daß ein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vom Ausland aus zu stellen ist (§ 6 Abs. 2 erster Satz Aufenthaltsgesetz), eine solche Bewilligung mangels Erfüllung der genannten Voraussetzung nicht erteilt werden darf.

3. Als Verfahrensmangel rügt die Beschwerde, daß aus dem angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich sei, aufgrund welcher Sachverhaltsannahmen die Behörde zu ihrer Entscheidung gelangt sei. Eine Abwägung einzelner Gesichtspunkte (Beziehung zu Tochter und Gattin, Mittellosigkeit, "direkte persönliche Auswirkungen der Ausweisung", Unbescholtenheit) sei nicht vorgenommen worden. Der Bescheid entspreche daher in wesentlichen Punkten nicht den verfahrensrechtlichen Mindestanforderungen.

Wie sich aus den Ausführungen zu 2. ergibt, hat die belangte Behörde bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG die maßgeblichen Umstände ausreichend berücksichtigt und ist auch zu einem richtigen Ergebnis gelangt. Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt daher nicht vor.

Auf die Bekämpfung der Beweiswürdigung braucht nicht weiter eingegangen zu werden, weil der Beschwerdeführer den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt gar nicht bestreitet.

4. Da nach den vorstehenden Ausführungen die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995181174.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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