Index
L85007 Straßen Tirol;Norm
AVG §41;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der Gemeinde Terfens, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16. Jänner 1995, Zl. II b1-L-2143/1-1995, betreffend Feststellung nach § 3 Abs. 2 des Tiroler Straßengesetzes 1988 (mitbeteiligte Partei: Land Tirol, Landesstraßenverwaltung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem an die belangte Behörde gerichteten Schriftsatz vom 10. November 1994, der bei der zuständigen Abteilung am 11. November einlangte, brachte die mitbeteiligte Partei vor, daß mit einem näher bezeichneten Bescheid vom 25. April 1977 "unter Plan Nr. 3 aus dem Eigentum der Miteigentümer J eine Fläche von 5500 m2 aus Gst n/1 KG Terfens ... abgelöst, wobei teilweise Naturalersatz aus der alten Straße (Gst n/2) .. vereinbart" worden sei. Ein näher bezeichnetes Schlußvermessungsoperat habe schließlich auch die Zuschreibung des Gst n/2 im Ausmaß von 1850 m2 in das Eigentum der näher bezeichneten Rechtsnachfolgerin der "Miteigentumsgemeinschaft J" vorgesehen. Die grundbücherliche Durchführung im Rahmen der Verbücherung der Schlußvermessung sowie ein später vorgenommener Antrag auf Übertragung dieses Grundstückes sei "bisher aus formalrechtlichen Gründen" gescheitert. Die Landesstraße 222 Vomper Straße sei im Grundbuch der KG Terfens zwar als öffentliches Gut (Gemeindewege und -plätze) eingetragen gewesen, doch sei dieser Straßenzug nach dem Verzeichnis zum Tiroler Straßengesetz eine Landesstraße, "wobei die Grundeinlöse sowie die bezughabenden Zahlungen und der anschließende Ausbau durch das Land Tirol erfolgt" sei. Die beschwerdeführende Gemeinde sei "offenbar der Meinung, daß aus der Formulierung im Grundbuch ihr dieser Naturalersatz zustünde, zumal die Gemeinde gegen den oben zitierten Grundbuchsantrag einen Rekurs eingebracht hat. Um über dieses Grundstück nunmehr verfügen zu können, erscheint eine bescheidmäßige Feststellung durch die Straßenbehörde notwendig zu sein, daß das Land Tirol, Landesstraßenverwaltung, Rechtsträger dieses Straßenzuges, insbesondere des Gst n/2 KG Terfens, ist. Um Entsprechung wird gebeten".
In diesem Antrag werden als Anlagen ein Bescheid in Kopie, eine "V 408 Flächengegenüberstellung" und ein Auszug aus dem Grundstücksverzeichnis genannt; in den Verwaltungsakten befinden sich der genannte Bescheid vom 25. April 1977, ein diesem Bescheid vorangegangener Straßenbaubewilligungs- und Enteignungsbescheid vom 23. Februar 1977, ein Auszug aus dem Grundstücksverzeichnis hinsichtlich des Grundstückes n/2 und eine "Gegenüberstellung" zweier Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen für die Verbücherung gemäß §§ 15 ff Liegenschaftsteilungsgesetz, aber keine Pläne.
Über diesen Antrag wurde mit Kundmachung der belangten Behörde vom 2. Jänner 1995 eine mündliche Verhandlung beim Gemeindeamt Terfens anberaumt, wovon unter anderem die beschwerdeführende Gemeinde verständigt wurde. Als Betreff in der Kundmachung ist angeführt "L 222 Vomper-Straße; Aufstieg Vomperbach"; in der Kundmachung heißt es, "die Landesstraßenverwaltung hat mit Eingabe vom 11.11.1994 die Durchführung eines Feststellungsverfahrens hinsichtlich der Zugehörigkeit der Gp. 1056/2, Katastralgemeinde Terfens beantragt".
Nach dem Kopf des Protokolles über diese Verhandlung nahmen daran - unter anderem - nebst ADir. P. (das ist nach der Aktenlage der Sachbearbeiter bei der mitbeteiligten Partei), auch der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde teil.
Dieses Protokoll lautet:
"ADir. P. legt die Sachlage dar und die betreffenden Urkunden vor.
Die betreffenden Grundstücke sind als Landesstraße gewidmet, im Grundbuch als öff. Gut, Gem. Terfens vermerkt.
Nach eingehender Erörterung wird die behördliche Entscheidung beantragt.
Dauer d. Verh. 2/2 St."
(Es folgen verschiedene Unterschriften).
Hierauf hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid wie folgt entschieden (Fertigungsklausel: "Für den Landeshauptmann"):
"Die Tiroler Landesregierung entscheidet gemäß § 3 Abs. 2 TStG wie folgt:
Die Teilflächen aus GSt.Nr. n/1 und GST.Nr. n/2 (5500 m2 und etwa 1850 m2) sind Bestandteil der L 222 Vomper Straße."
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß die nunmehrige Vomper Landesstraße ursprünglich eine Gemeindestraße gewesen sei. Durch Landesgesetz sei diese Gemeindestraße als Landesstraße gewidmet worden. Mit dem Gesetzgebungsakt "geht die Straßenverwaltung und der Besitz der Straßenfläche auf das Land Tirol über. Da es versäumt wurde, auch die Grundbuchsordnung herzustellen, scheint diese Straße bzw. Teile dieser Straße im Grundbuch noch immer als öffentliches Gut Gemeinde Terfens auf". Nach dieser Widmung sei die Landesstraße begradigt und es seien die entbehrlichen Straßenflächen an enteignete Grundeigentümer überlassen worden. Auch bei diesen Rechtsakten sei es versäumt worden, die Grundbuchsordnung herzustellen, "sodaß seit 1977 noch immer das öffentliche Gut Gemeinde Terfens aufscheint". Da mit der Widmung zur Landesstraße das Land außerbücherlicher Grundeigentümer geworden, und bis heute eine Änderung der Sach- und Rechtslage nicht eingetreten sei, seien die entbehrlichen Straßenstücke, welche noch immer als öffentliches Gut Gemeinde Terfens aufschienen, Bestandteile der L 222 Vomper Straße. Ob zur Bereinigung des Grundbuchsstandes auch ein Einlöseverfahren benötigt werde, sei noch zu klären.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 3 des Tiroler Straßengesetztes, LGBl. Nr. 13/1989, (im folgenden kurz: TStG) lautet:
"§ 3
Bestandteile der Straße
(1) Bestandteile der Straße sind:
a) die unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen, wie Fahrbahnen, Radwege, Reitwege, Gehsteige, Gehwege, Geh- und Radwege, Schutzinseln, Haltestellenbuchten, Parkflächen sowie der Grenzabfertigung und der Einhebung von Benützungsentgelten dienende Flächen und dergleichen;
b) die unmittelbar dem Bestand der in der lit. a genannten Verkehrsflächen dienenden Anlagen, wie Dämme, Böschungen, Brücken, Tunnels, Durchlässe, Über- und Unterführungen, Stützmauern, Gräben, Straßenentwässerungsanlagen bis zum Sammelkanal und dergleichen;
c) die im Zuge der Straße gelegenen, den Schutzinteressen der Straße nach § 2 Abs. 9 lit. a und b dienenden Anlagen sowie die Zufahrtsstraßen zu diesen Anlagen, sofern sie nicht öffentliche Straßen sind;
d) die im Zuge der Straße gelegenen, ihrer Erhaltung dienenden Anlagen, wie Straßenmeistereien, Bauhöfe, Gerätehöfe, Lagergebäude, Silos, Lagerplätze und dergleichen, sowie die Zufahrtsstraßen zu diesen Anlagen, sofern sie nicht öffentliche Straßen sind;
e) die im Zuge der Straße gelegenen, dem Schutz der Nachbarn vor Gefahren oder Beeinträchtigungen durch den Verkehr auf der Straße oder durch Erhaltungsarbeiten an der Straße dienenden Anlagen;
f) der Luftraum über den in den lit. a und b genannten Verkehrsflächen und Anlagen.
(2) Die Behörde hat auf Antrag
a)
des Straßenverwalters,
b)
des Eigentümers der betreffenden Grundfläche oder Anlage oder
c) desjenigen, dem ein im Privatrecht begründetes dingliches Recht an der betreffenden Grundfläche oder Anlage zusteht, das zu deren Gebrauch oder Nutzung berechtigt, mit schriftlichem Bescheid festzustellen, ob eine Grundfläche oder eine Anlage Bestandteil einer öffentlichen Straße ist oder nicht. In einem solchen Verfahren haben die in den lit. a bis c genannten Personen Parteistellung."
Gemäß § 75 Abs. 1 lit. b leg. cit. ist die Landesregierung Behörde in allen Verfahren nach § 3 Abs. 2 leg. cit. Die beschwerdeführende Gemeinde erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid insofern verletzt, als dem Bescheid, der ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt sei, kein oder zumindest kein gültiger Antrag zugrundeliege; daß der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht ein mängelfreies Ermittlungsverfahren vorausgegangen, insbesondere das Parteiengehör nicht gewahrt worden sei; daß der Spruch des angefochtenen Bescheides unbestimmt sei und schließlich eine nicht näher bestimmte Teilfläche aus Gst n/2 zu Unrecht als Bestandteil der L 222 Vomper Straße festgestellt worden sei.
Die beschwerdeführende Gemeinde macht geltend, daß nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides zwar die Tiroler Landesregierung entschieden habe, der Bescheid jedoch für den Landeshauptmann gefertigt sei. Dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, daß der bekämpften Feststellung ein Antrag zugrundeliege; der Beschwerdeführerin sei auch ein solcher Antrag nie zur Kenntnis gebracht worden, weshalb davon auszugehen sei, daß ohne Antrag entschieden worden sei. Sollte hingegen dem angefochtenen Bescheid ein Antrag zugrundeliegen, fehle dem Land Tirol die Antragslegitimation, weil die Landesstraße keines der im Spruch angeführten Grundstücke berühre, sollten diese überhaupt in der Katastralgemeinde Terfens liegen (was dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen sei), denn die Trasse der Straße sei in diesem Bereich vor einigen Jahren umgelegt worden. Dem Land Tirol fehle in Beziehung zu diesen Grundstücken die Eigenschaft als Straßenverwalter. Der Erlassung des angefochtenen Bescheides sei kein den Vorschriften des AVG entsprechendes Ermittlungsverfahren vorausgegangen; insbesondere sei das Parteiengehör nicht gewahrt worden. Abgesehen von der "Besprechung am 12.1.1994, die jedoch nicht als mündliche Verhandlung im Sinne des AVG angesehen werden kann, hat ein Ermittlungsverfahren überhaupt nicht stattgefunden". Die Beschwerdeführerin habe keine Möglichkeit gehabt, ihre Interessen als Partei in einem der Bescheiderlassung vorausgehenden Ermittlungsverfahren wahrzunehmen. Auch habe kein Ortsaugenschein stattgefunden. Dabei hätte sich die belangte Behörde überzeugen können, daß diese Landesstraße das Grundstück n/2 nicht berühre und dieses Grundstück oder eine Teilfäche derselben nicht Bestandteil dieser Landesstraße sei. Der Spruch des angefochtenen Bescheides sei unbestimmt, weil daraus nicht ersichtlich sei, in welcher Katastralgemeinde diese Grundstücke lägen; des weiteren seien die im Spruch genannte Teilflächen nicht näher bezeichnet worden. Eine planliche Darstellung liege nicht vor. Auch sei die Annahme der belangten Behörde unrichtig, daß im Grundbuch seit 1977 "noch immer das öffentliche Gut Gemeinde Terfens aufscheint"; vielmehr sei das Grundstück n/2 erst 1993 der Grundbuchseinlage über das öffentliche Gut der beschwerdeführenden Gemeinde zugeschrieben worden. Einer "Bereinigung des Grundbuchsstandes" (im Original unter Anführungszeigen), auf die der angefochtene Bescheid offenbar abziele, fehle jegliche gesetzliche Grundlage.
Dem ist folgendes entgegenzuhalten:
Da dem Einleitungssatz des angefochtenen Bescheides klar zu entnehmen ist, daß die Landesregierung entschieden hat und ist diese Behörde aufgrund des zur Anwendung kommenden Gesetzes auch zur Entscheidung berufen (hier: die Landesregierung), so ist der Bescheid als von der zuständigen Behörde erlassen anzusehen, mag auch in der Fertigungsklausel eine damit nicht im Einklang stehende Bezeichnung einer anderen Behörde (hier: Landeshauptmann) aufscheinen (vgl. hiezu die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, in E 11 und 12 zu § 18 AVG wiedergegebene Judikatur). Auch ist die Annahme der Beschwerdeführerin unrichtig, daß der angefochtene Bescheid etwa ohne zugrundeliegenden Antrag erlassen worden wäre (siehe dazu die Sachverhaltsdarstellung). Auch ist nicht ersichtlich, weshalb die Verhandlung vom 12. Jänner 1994 keine Verhandlung im Sinne des AVG gewesen sein soll, wie die Beschwerdeführerin vorbringt, ohne diesen Einwand aber näher zu begründen (dem steht auch nicht entgegen, daß in der Kundmachung die Datierung des Antrages unrichtig angeführt ist - 11. November statt 10. November -, daß der Betreff nicht ganz klar ist, weil nicht ausgeführt ist, welche Feststellung begehrt wurde, und daß schließlich auch die Parzellennummer unrichtig angeführt wurde). Ebensowenig vermag die beschwerdeführende Gemeinde aufzuzeigen, daß ihr bei der Verhandlung oder sonst im Zuge des Verwaltungsverfahrens die Möglichkeit genommen worden wäre, zur Sache Stellung zu nehmen.
Die Beschwerdeführerin ist aber im Recht, wenn sie der Sache nach vorbringt, der angefochtene Bescheid sei mangelhaft begründet. Die belangte Behörde hat eine Feststellung gemäß § 3 Abs. 2 TStG getroffen, der Begründung des angefochtenen Bescheides ist aber nicht zu entnehmen, weshalb es sich bei den zwei im Spruch genannten Grundstücksteilen um Straßenbestandteile im Sinne des § 3 Abs. 1 leg. cit. handelt, weil diesbezüglich jedwede nähere Beschreibung sowohl der Lage als auch der Verwendung dieser Grundflächen (im Sinne der im § 3 Abs. 1 genannten Kategorien) fehlt; auch planliche Darstellungen liegen nicht vor. Was insbesondere das Grundstück n/2 anlangt, so gibt das Vorbringen im Antrag Grund zur Annahme, daß es sich dabei möglicherweise um einen Teil der "alten Straße", also der Trasse der Landesstraße vor ihrer "Umlegung", gehandelt haben könnte. Davon abgesehen, daß dies, wie dargelegt, von der belangten Behörde nicht festgestellt wurde, mangelt es auch im angefochtenen Bescheid an Feststellungen hinsichtlich des rechtlichen Schicksals dieser "alten Straße", insbesondere ist unklar, ob diese Straßenteile weiterhin eine "Straße" im rechtlichen Sinne sind, oder ob etwa der betreffende Straßenteil aufgelassen wurde (siehe § 12 Abs. 2 TStG oder auch § 4 Abs. 5 iVm § 5 Abs. 1 TStG 1950, LGBl. Nr. 1/1951). Schon begrifflich setzt nämlich eine Feststellung nach § 3 Abs. 2 TStG die Existenz einer öffentlichen Straße voraus (Arg.: .. festzustellen, ob eine Grundfläche oder eine Anlage Bestandteil einer öffentlichen Straße ist oder nicht").
Da die aufgezeigten Begründungsmängel die Nachprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Gesetzmäßigkeit hindern, ist er mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, sodaß er schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995060045.X00Im RIS seit
20.11.2000