TE Vwgh Beschluss 2023/1/24 Ra 2022/11/0197

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Veröffentlicht am 24.01.2023
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ABGB §1332
AVG §71 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §46 Abs1
  1. AVG § 71 heute
  2. AVG § 71 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. AVG § 71 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  4. AVG § 71 gültig von 01.07.1995 bis 31.12.1998 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995
  5. AVG § 71 gültig von 01.02.1991 bis 30.06.1995
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VwGG § 28 heute
  2. VwGG § 28 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. VwGG § 28 gültig von 01.01.2017 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2017
  4. VwGG § 28 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 28 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 28 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 28 gültig von 01.01.1991 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 330/1990
  8. VwGG § 28 gültig von 05.01.1985 bis 31.12.1990
  1. VwGG § 34 heute
  2. VwGG § 34 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2021
  3. VwGG § 34 gültig von 01.01.2014 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. VwGG § 34 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 34 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 34 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 34 gültig von 01.09.1997 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 88/1997
  8. VwGG § 34 gültig von 05.01.1985 bis 31.08.1997
  1. VwGG § 46 heute
  2. VwGG § 46 gültig von 01.07.2021 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2021
  3. VwGG § 46 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 109/2021
  4. VwGG § 46 gültig von 01.01.2014 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 46 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VwGG § 46 gültig von 01.02.1986 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 564/1985
  7. VwGG § 46 gültig von 01.02.1986 bis 31.01.1986 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 197/1985
  8. VwGG § 46 gültig von 05.01.1985 bis 31.01.1986

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2022/11/0198 B 24.01.2023
Ra 2022/11/0199 B 24.01.2023
Ra 2022/11/0200 B 24.01.2023
Ra 2022/11/0201 B 24.01.2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der H GmbH in R, vertreten durch die Metzler & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2022, Zl. L518 2259441-1/7E, betreffend Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Vorstellung jeweils iA betreffend Vorschreibung der Ausgleichstaxe nach dem Behinderteneinstellungsgesetz für das Jahr 2021 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien), denBeschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Juni 2022 wurde der Revisionswerberin für das Kalenderjahr 2021 eine Ausgleichstaxe gemäß § 9 Behinderteneinstellungsgesetz vorgeschrieben.

2        Dieser Bescheid wurde am 15. Juni 2022 abgefertigt und in der Folge per Post an die Revisionswerberin versendet.

3        2. Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2022 stellte die Revisionswerberin bei der belangten Behörde einen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Vorstellung und brachte vor, sie sei an der rechtzeitigen Erhebung der Vorstellung gehindert gewesen, weil der Bescheid „das äußere Erscheinungsbild einer Rechnung“ aufgewiesen habe und nicht als behördliches Schriftstück erkennbar gewesen sei. Erst nach Rücksprache mit dem rechtlichen Vertreter am 25. Juli 2022 habe die Revisionswerberin Kenntnis von der wahren Rechtsnatur des Schreibens erlangt. Sowohl die Form des Bescheides als auch die Zustellung desselben sei unüblich gewesen, weil dieser ohne Zustellnachweis versendet worden sei.

4        Unter einem erhob die Revisionswerberin Vorstellung gegen den Mandatsbescheid und erstattete hierzu näheres Vorbringen.

5        3. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 4. August 2022 wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Unter einem wurde die Vorstellung gegen den Mandatsbescheid wegen Verspätung zurückgewiesen.

6        4. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin ab und erklärte die Revision für unzulässig.

7        In seiner Begründung traf das Verwaltungsgericht die Feststellungen, der Mandatsbescheid vom 10. Juni 2022 sei am 15. Juni 2022 auf dem Postweg an die Revisionswerberin versendet und spätestens an diesem Tag dem Zustellorgan - der Post - übergeben worden. Zu einem späteren Zeitpunkt sei er physisch einer der Revisionswerberin zuzurechnenden Person zugegangen. In welcher Form der betreffenden Person der Bescheid zugekommen sei - ob durch Übergabe durch das Zustellorgan oder Entleerung der für die Abgabestelle bestimmten Abgabeeinrichtung - sei nicht bekannt. Das Poststück sei bis zum 25. Juli 2022 keiner Bearbeitung zugeführt worden.

8        Es könne nicht als geringes Verschulden angesehen werden, wenn die Revisionswerberin ihren Briefverkehr nicht durch geeignete Maßnahmen überwache, sodass innerhalb einer kurzen Frist an sie adressierte Kuverts geöffnet würden, um sich über deren Inhalt in Kenntnis zu setzen. Gerade im Fall unklarer Umstände sei umso mehr davon auszugehen, dass sich die Revisionswerberin von der Identität und den Intentionen des Absenders sowie dem Inhalt des Schreibens zu überzeugen habe. Der Einwand, der Bescheid sei mit einer Rechnung verwechselt worden, greife nicht, da es der Revisionswerberin nicht freistehe, eine vermeintliche Rechnung über den hier zur Rede stehenden Zeitraum unbearbeitet zu lassen.

9        Der Bescheid sei als mit 20. Juni 2022 zugestellt anzusehen, weshalb die Frist zur Erhebung der Vorstellung am 4. Juli 2022 geendet habe. Die am 29. Juli 2022 erhobene Vorstellung erweise sich als verspätet, weshalb die Beschwerde auch diesbezüglich unbegründet sei.

10       5. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.

11       6.1. Die Revision bringt zur Begründung der Zulässigkeit vor, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, ob die Zustellung eines Bescheides, mit dem die Zahlung eines Geldbetrages vorgeschrieben werde, zwingend mit Zustellnachweis vorzunehmen sei.

12       Zudem sei die Frage, warum bei Versäumung einer Rechtsmittelfrist in einem Fall der Zustellung ohne Zustellnachweis eines Mandatsbescheids, der wie eine Rechnung aussehe, von einem nicht bloß geringen Verschulden auszugehen sei, wenn beim Posteingang übersehen werde, dass es sich um einen Bescheid handle, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die die Zulässigkeit der Revision begründe.

13       6.2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

14       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6.3. In Zusammenhang mit der Zurückweisung der Vorstellung ist dem Zulässigkeitsvorbringen zu entgegnen, dass der verfahrensgegenständliche Bescheid der Revisionswerberin unstrittig zugekommen ist. Diese erstattet - indem sie den Zeitpunkt der Entgegennahme des Bescheids durch die verantwortlichen Personen der Revisionswerberin gänzlich offenlässt - kein Tatsachenvorbringen, das die Erhebung der Vorstellung im vorliegenden Fall im Gegensatz zu der rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichts als rechtzeitig erscheinen ließe. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern der Erfolg der Revision von der Beantwortung der zur Zulässigkeitsbegründung vorgebrachten Rechtsfragen abhängen sollte.

Diese können daher mangels Präjudizialität die Zulässigkeit der Revision nicht begründen, weil dies neben einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG voraussetzt, dass die Revision von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage abhängt, d.h. die Beantwortung der Rechtsfrage für den Erfolg der Revision entscheidend ist (vgl. anstelle vieler VwGH 20.10.2021, Ra 2020/15/0108, mwN).

16       6.4. Betreffend die durch die angefochtene Entscheidung bestätigte Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages ist die Revision darauf zu verweisen, dass das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht ausgehend vom Vorbringen der Revisionswerberin, dass der zugestellte Bescheid aufgrund des äußeren Erscheinungsbilds der Zustellung in einem bloßen „Fensterkuvert“ für eine Rechnung gehalten worden sei, folgerte, es könne nicht als bloß geringes Verschulden im Sinne des § 71 AVG betrachtet werden, wenn die Revisionswerberin ihren geschäftlichen Briefverkehr nicht durch Setzung geeigneter Maßnahmen dahingehend überwache, dass an sie adressierte Kuverts zeitnah geöffnet würden, um sich über den jeweiligen Inhalt des zugestellten Schriftstücks in Kenntnis zu setzen. Dies gelte im Falle unklarer Umstände umso mehr. Unabhängig von der Frage der Zustellungsweise hat sohin das Verwaltungsgericht die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung bestätigt, weil mangels Vorliegens eines bloß minderen Grad des Versehens die Voraussetzungen für die Gewährung der Wiedereinsetzung nicht vorlägen.

17       6.4.1. Ein Verschulden der Partei an der Fristversäumung, das einen „minderen Grad des Versehens“ übersteigt, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (§ 71 Abs. 1 Z 1 AVG). Der Begriff des minderen Grades des Versehens nach § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, d.h. die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (ständige Rechtsprechung; VwGH 10.03.1998, 97/08/0405, 0406).

18       6.4.2. Im Zusammenhang mit der Einhaltung von Terminen und Fristen muss nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Organisation einer Kapitalhandelsgesellschaft Mindesterfordernisse einer sorgfältigen Organisation erfüllen (vgl. etwa VwGH 29.10.2015, 2013/07/0102, mit Verweis auf VwGH 24.11.1989, 89/17/0116, und VwGH 10.3.1998, 97/08/0405). Diese Organisation erfordert, wenn sich das verantwortliche Organ hierbei der Unterstützung von Hilfskräften bedient, - im Rahmen der Zumutbarkeit - ein Kontrollsystem. Die Wiedereinsetzungswerberin hat das, was sie in Erfüllung ihrer der Sachlage nach gebotenen Pflicht zur Überwachung allfälliger für sie tätig gewordener Hilfskräfte hinsichtlich der Wahrung einer Frist vorgekehrt hat, im Wiedereinsetzungsantrag substanziiert zu behaupten (vgl. wiederum VwGH 29.10.2015, 2013/07/0102, mit Verweis auf VwGH 10.3.1998, 97/08/0405 und VwGH 15.10.2009, 2008/09/0225).

19       Die somit im Zusammenhang mit der Prüfung des Verschuldens zu klärende Frage, ob eine der kaufmännischen Sorgfalt entsprechende interne Organisation eingerichtet ist bzw. ein ausreichendes Kontrollsystem besteht, ist eine Rechtsfrage, die jeweils anhand der fallbezogenen Umstände zu lösen ist, und die - ausgenommen in den Fällen einer grob unrichtigen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht, die aus Gründen der Rechtssicherheit eine Korrektur erfordert, - die Zulässigkeit der Revision nicht begründet.

20       6.4.3. Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (vgl. etwa VwGH 23.5.2013, 2013/09/0062, mwN). Im vorliegenden Fall beschränkt sich das Vorbringen der Revisionswerberin zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags darauf, dass der zugestellte Bescheid aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes nicht als solcher erkannt worden sei. Das somit - ausschließlich - zu beurteilende Vorbringen der Revisionswerberin im Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Vorstellungsfrist enthält kein Vorbringen, welche Personen mit der Sichtung und Behandlung eingelangter Poststücke im Unternehmen der Revisionswerberin befasst waren und welche Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden, die gewährleistet hätten, dass eine fristgerechte Behandlung in der Regel erfolgen würde. Das Vorbringen, das äußere Erscheinungsbild des zugestellten Bescheids habe das Vorliegen einer bloßen Rechnung vorgetäuscht, ersetzt nicht das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag darüber, inwiefern bei der Revisionswerberin eine Organisation eingerichtet gewesen wäre, die dafür Sorge trage, dass einlangende Poststücke in kaufmännischer Sorgfalt kontrolliert und der Bearbeitung zugeführt werden bzw. aus welchen Gründen diese im konkreten Fall versagt habe.

21       Das ungeöffnete Liegenlassen eines zugestellten Poststückes nach Kenntnisnahme des bloß äußeren Erscheinungsbildes kann im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft keinesfalls als eine der kaufmännischen Sorgfalt entsprechende Gebarung angesehen werden. Dass die Revision vorbringt, die Revisionswerberin treffe kein Verschulden daran, dass die die Eingangspost bearbeitenden Mitarbeiter den verfahrensgegenständlichen Bescheid als solchen nicht erkannt und diesen bloß als Rechnung behandelt hätten, vermag in Hinblick auf das oben Gesagte weder zu entkräften, dass kein bloß minderer Grad des Versehens darin liegt, dass die Verantwortlichen eines kaufmännischen Unternehmens Poststücke lediglich nach ihrem äußeren Erscheinungsbild beurteilen, ohne diese zu öffnen, noch darzutun, dass das Unternehmen der Revisionswerberin grundsätzlich eine Organisation aufweise, die geeignet ist, ein solches, der kaufmännischen Sorgfalt nicht entsprechendes Vorgehen grundsätzlich hintanzuhalten.

22       Die Revision zeigt damit nicht auf, inwiefern das Verwaltungsgericht mit seiner rechtlichen Beurteilung betreffend das Verschulden der Revisionswerberin von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen wäre oder den Sachverhalt fallbezogen grob unrichtig beurteilt hätte.

23       6.5. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. Jänner 2023

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022110197.L00

Im RIS seit

23.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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