TE Vwgh Erkenntnis 2023/1/24 Ra 2022/10/0012

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Veröffentlicht am 24.01.2023
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Index

L92005 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Salzburg
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Melderecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht
41/02 Staatsbürgerschaft
67 Versorgungsrecht

Norm

IntG 2017 §12
IntG 2017 §12 Abs2
IntG 2017 §16a
IntG 2017 §16c Abs1
IntG 2017 §16d
IntG 2017 §4
IntG 2017 §5
IntG 2017 §6 Abs1
Sozialhilfe-GrundsatzG 2019 §9
SUG Slbg 2010 §8b Abs1
SUG Slbg 2010 §8b Abs1 Z2 litc
SUG Slbg 2010 §8b Abs2
SUG Slbg 2010 §8b Abs3
VwGG §42 Abs1
VwRallg
  1. VwGG § 42 heute
  2. VwGG § 42 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. VwGG § 42 gültig von 01.07.2012 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. VwGG § 42 gültig von 01.07.2008 bis 30.06.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  5. VwGG § 42 gültig von 01.01.1991 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 330/1990
  6. VwGG § 42 gültig von 05.01.1985 bis 31.12.1990

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision der Salzburger Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 19. November 2021, Zl. 405-9/1013/1/8-2021, betreffend Leistungen nach dem Salzburger Sozialunterstützungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg; mitbeteiligte Partei: Y H in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 19. November 2021 wurden - im Beschwerdeverfahren - der Mitbeteiligten für diese und deren fünf minderjährige Kinder Leistungen nach dem Salzburger Sozialunterstützungsgesetz (SUG) für Juni 2021 in der Höhe von insgesamt € 1.346,42 und für Juli 2021 in der Höhe von € 598,63 (anstelle der von der belangten Behörde monatlich gewährten Leistungen in der Höhe von € 1.727,14) zuerkannt. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2        Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung im Wesentlichen zugrunde, die Mitbeteiligte lebe als Asylberechtigte mit ihren fünf Kindern in Salzburg. Ihr Ehemann sei bis 9. Juni 2021 in Wien wohnhaft gewesen, um dort Arbeit zu finden, sei jedoch seit 10. Juni 2021 wieder an der Adresse der Bedarfsgemeinschaft gemeldet und stehe seit 14. Juni 2021 in einem Beschäftigungsverhältnis im Land Salzburg. Die Mitbeteiligte habe an verschiedenen Integrationsmaßnahmen teilgenommen, so zuletzt an einem „Deutschkurs Zielniveau A2“, diesen jedoch nur unregelmäßig besucht (mit mehreren entschuldigten sowie nicht entschuldigten Fehlstunden). Sie habe diesen Kurs schließlich per 8. Juli 2021 abgebrochen.

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht im Weiteren aus, zu der von der belangten Behörde vorgenommenen Kürzung des Lebensunterhalts bei der Mitbeteiligten auf 75 % sei festzuhalten, dass diese im Bezugszeitraum nur sehr lückenhaft am „Deutschkurs A2“ teilgenommen und diesen am 8. Juli 2021 abgebrochen habe. Die Ausführungen der Mitbeteiligten, dass sie immer in der Schule gewesen sei, träfen daher nicht zu.

4        Die belangte Behörde habe diesen Umstand § 8b Abs. 3 SUG unterstellt und sei von einer Verletzung der Pflichten gemäß § 16c Abs. 1 Integrationsgesetz (IntG) ausgegangen. Es treffe zu, dass die Mitbeteiligte den Deutschkurs aufgrund der abgeschlossenen Integrationsvereinbarung belegt habe. Allerdings umfassten die Pflichten nach § 16c Abs. 1 IntG die (entsprechende) Teilnahme und Mitwirkung an einem solchen Deutschkurs nicht, sondern beinhalteten die Pflichten a) zur Einhaltung der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung gemäß der Integrationserklärung, b) zur Absolvierung einer B1-Integrationsprüfung des Österreichischen Integrationsfonds und c) zur vollständigen Teilnahme, zur gehörigen Mitwirkung und zum Abschluss eines Werte- und Orientierungskurses gemäß § 5 bzw. § 16a IntG. Daher könne eine solche Leistungskürzung nicht auf § 8b Abs. 3 SUG gestützt werden. Eine Leistungskürzung sei gemäß § 8b Abs. 1 Z 2 lit. c SUG aber auch dann vorzunehmen, wenn Hilfesuchende ihre Teilnahme an einer sonstigen Maßnahme zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit, Integrationsfähigkeit in den Arbeitsmarkt oder sozialen Stabilisierung verweigerten. Ein im Rahmen von Integrationsmaßnahmen für die Mitbeteiligte als Asylberechtigte vorgeschriebener Deutschkurs stelle zweifelsfrei eine Maßnahme zur (Verbesserung der) Integrationsfähigkeit in den Arbeitsmarkt dar. Die Leistungskürzung hinsichtlich der Mitbeteiligten sei daher für den Leistungszeitraum Juni und Juli 2021 zurecht erfolgt, allerdings nicht gemäß § 8b Abs. 3 SUG, sondern gemäß § 8b Abs. 1 Z 2 lit. c iVm Abs. 2 SUG; die Leistung sei daher nicht auf 75 %, sondern auf 70 % zu kürzen gewesen.

5        Der Mitbeteiligten und deren Kindern seien daher - unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Ehemann ab 10. Juni 2021 wieder an der Adresse der Bedarfsgemeinschaft wohnhaft gewesen und im Juli 2021 ein Einkommen lukriert habe - aufgrund einer im Einzelnen dargelegten Berechnungsmethode für Juni und Juli 2021 die oben genannten Beträge zuzusprechen gewesen.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der Salzburger Landesregierung.

7        Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.

8        Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9        In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die unentschuldigte Abwesenheit von Asylberechtigten von Deutschkursen bzw. ein Abbruch eines derartigen Kurses ohne wichtigen Grund „eine Verletzung von Integrationspflichten gemäß § 16c Abs. 1 IntG“ oder - wie vom Verwaltungsgericht vertreten - einen Verstoß gegen die Verpflichtung zum Einsatz der Arbeitskraft iSd § 8b Abs. 1 SUG darstelle.

10       Die Revision erweist sich mit Blick darauf als zulässig.

11       Das Salzburger Sozialunterstützungsgesetz (SUG), LGBl. Nr. 63/2010 idF LGBl. Nr. 21/2020, lautet auszugsweise:

Arbeits- und integrationsbezogene Sanktionen

§ 8b

(1) Die Hilfe für den Lebensunterhalt ist stufenweise zu kürzen, wenn trotz schriftlicher Belehrung:

...

2.   Hilfesuchende ihre Arbeitskraft nicht in zumutbarer Weise einsetzen oder ihre Teilnahme verweigern:

...

c)   an einer sonstigen Maßnahme zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit, Integrationsfähigkeit in den Arbeitsmarkt oder sozialen Stabilisierung.

(2) Die stufenweise Kürzung gemäß Abs 1 ist wie folgt vorzunehmen:

Pflichtverletzung

Kürzung auf Prozent des jeweiligen

Lebensunterhalt-Anteils

erste

70 %

zweite

50 %

dritte

25 %

vierte

0 %

(3) Asylberechtigte oder drittstaatsangehörige Personen, die während des Bezugs von Leistungen der Sozialunterstützung schuldhaft gegen Pflichten gemäß § 16c Abs 1 IntG verstoßen, ist die Hilfe für den Lebensunterhalt um 25 % zu kürzen. Die Kürzung erfolgt für die Dauer der Pflichtverletzung, mindestens jedoch für drei Monate. Liegt darüber hinaus ein Verstoß gemäß Abs 1 vor, gelten die Kürzungsstufen des Abs 2 für die Dauer der gleichzeitigen Pflichtverstöße.

...“

12       Die Materialien (109 Blg. Salzburger Landtag, 3. Session, 16. GP, S. 38) zu § 8b SUG lauten auszugsweise:

Zu § 8b:

Gemäß § 9 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz sind für verschiedene Pflichtverletzungen Sanktionen, insbesondere eine Reduktion bis hin zur gänzlichen Leistungseinstellung vorzusehen. Ebenso gebietet gerade der subsidiäre Charakter der Sozialunterstützung beim Einsatz der Arbeitskraft, dass eine unzureichende Mitwirkung der die jeweiligen Leistungen geltend machenden Personen sanktioniert werden muss. Die Kürzungsmöglichkeit wird von einer vorherigen schriftlichen Belehrung abhängig gemacht.

Gemäß Abs 1 ist Personen, die ihre Arbeitskraft nicht in zumutbarer Weise einsetzen oder die Teilnahmen an einer Maßnahme bzw der Begutachtung der Arbeitsfähigkeit verweigern, die Leistung entsprechend zu kürzen. Mit Ausnahme einer grundsätzlichen Weigerung ist lediglich die Hilfe für den Lebensunterhalt von der Kürzung betroffen, da die Hilfe für den Wohnbedarf als Sachleistung zu gewähren ist und daher unmittelbar an Dritte angewiesen wird. Eine Kürzung von Sachleistungen ist nicht zu bewerkstelligen. Mit Ausnahme eines völligen Leistungsentfalls ist daher die Hilfe zur Befriedigung des Wohnbedarfs jedenfalls zu gewähren.

Personen, die zwar dem Ausbildungspflichtgesetz unterliegen, ihre Schul- oder Erwerbsausbildung aber nicht zielstrebig verfolgen, ist die Hilfe für den Lebensunterhalt ebenfalls stufenweise zu kürzen. Auch für diesen Personenkreis gilt der Grundsatz, dass es sich bei den Leistungen der Sozialunterstützung um kein bedingungsloses Grundeinkommen handelt.

Abs 2 legt die einzelnen Kürzungsstufen fest. In Fällen der Kürzung darf es jedoch zu keiner Beeinträchtigung des Richtsatzes der unterhaltsberechtigten Angehörigen der arbeitsunwilligen Person kommen.

Abs 3 dient der Umsetzung des § 9 Abs 3 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, wonach die Leistungen der Sozialunterstützung bei schuldhafter Verletzung der Pflichten nach § 16c Abs 1 IntG um zumindest 25 % für mindestens drei Monate zu kürzen sind. Begleitend bemerkt wird im Zusammenhang, dass in § 16c Abs 1 IntG zwar lediglich von der Integrationserklärung (§ 6 Abs 1 IntG) die Rede ist, doch sind als Normadressat auch Drittstaatangehörige gemäß § 3 Z 3 IntG genannt. Somit sind nunmehr auch Drittstaatangehörige, welche die Integrationserklärung nicht unterzeichnen oder gegen diese verstoßen, im Rahmen der Sozialunterstützung zu sanktionieren. Ebenfalls neu ist, dass durch das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz nun explizit Prozentsatz und Dauer betreffend die Kürzung festgelegt sind.

Da es sich bei der im Grundsatzgesetz verankerten Dauer von drei Monaten um eine Mindestdauer handelt, ist es möglich, eine darüber hinausgehende Kürzung vorzusehen. Die Kürzung soll daher jedenfalls für eine Dauer von drei Monaten bzw, wenn darüber hinausgehend, für die Dauer der Pflichtverletzung vorgenommen werden. Gemäß § 9 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist die Kürzung bei einem Pflichtverstoß (§ 16c IntG) nur mehr bei einer schuldhaften Verletzung der Pflichten vorzunehmen. Als schuldhafte Verletzung ist beispielsweise die unentschuldigte Nichterfüllung der Anwesenheitspflicht, eine bewusste Störung der (Kurs-)Maßnahme oder die Weigerung der Unterzeichnung der Integrationserklärung bzw -vereinbarung zu werten.

Abs 3 letzter Satz legt fest, dass bei einem gleichzeitigen Verstoß sowohl gegen den Einsatz der Arbeitskraft als auch gegen das Integrationsgesetz der in Abs 2 verankerte höhere Sanktionsrahmen zur Anwendung gelangen soll - dies jedoch nur für die Dauer des Verstoßes gegen die Verpflichtung zum Einsatz der Arbeitskraft. Im Gegensatz zum Verstoß gegen das Integrationsgesetz führt hier nämlich ein Wohlverhalten der hilfesuchenden Person zur Aufhebung der Sanktion.

...“

13       Das Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 in der - gemäß § 43 Abs. 1 Z 13 SUG relevanten - Fassung BGBl. Nr. 41/2019 lautet auszugsweise:

Deutschkurse

§ 4. (1) Die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres hat für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte (§ 3 Z 1 und 2) ab dem vollendeten 15. Lebensjahr Deutschkurse, die - wenn erforderlich - die Alphabetisierung in lateinischer Schrift und das Erreichen eines Sprachniveaus zumindest von B1 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen ermöglichen, zur Verfügung zu stellen.

(2) In den Deutschkursen gemäß Abs. 1 sind Werte und Orientierungswissen verpflichtend zu behandeln (§ 5 Abs. 4). Die Abwicklung dieser Maßnahmen erfolgt durch den Österreichischen Integrationsfonds, der sich dabei Kursträgern bedienen kann.

...

Werte- und Orientierungskurse

§ 5. (1) Die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres hat für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte (§ 3 Z 1 und 2) ab dem vollendeten 15. Lebensjahr Werte- und Orientierungskurse zur Verfügung zu stellen. Die Abwicklung der Kurse erfolgt durch den Österreichischen Integrationsfonds.

...

(3) Im Rahmen der Werte- und Orientierungskurse sind den Teilnehmern die demokratische Ordnung und die sich daraus ableitbaren Grundprinzipien (grundlegende Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung) sowie die Regeln eines friedlichen Zusammenlebens zu vermitteln. Die Würde des Menschen, die Gleichberechtigung aller Menschen und das Recht jedes Einzelnen auf ein selbstbestimmtes und selbstverantwortliches Leben sind als solche grundlegenden Werte jedenfalls zu behandeln.

...

Mitwirkungspflichten

§ 6. (1) Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte (§ 3 Z 1 und 2) haben sich im Rahmen einer verpflichtenden Integrationserklärung zur Einhaltung der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung zu verpflichten und unterliegen der Pflicht zur vollständigen Teilnahme, Mitwirkung und zum Abschluss der angebotenen und zumutbaren Kursmaßnahmen gemäß den §§ 4 und 5. Die verpflichtende Integrationserklärung ist bei dem für das jeweilige Bundesland zuständigen Integrationszentrum des Österreichischen Integrationsfonds, insbesondere im Rahmen der Erfüllungspflicht gemäß § 67 AsylG, zu unterzeichnen. In jenen Bundesländern, in denen eine gleichwertige Integrationserklärung auf Grundlage landesgesetzlicher Bestimmungen besteht, kann die Unterzeichnung der Integrationserklärung beim Österreichischen Integrationsfonds nach Vorlage der unterzeichneten landesgesetzlich geregelten Erklärung durch den Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten entfallen. Als gleichwertige Integrationserklärung gilt insbesondere jede Erklärung, die die Pflichten gemäß Satz 1 beinhaltet.

...

Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 2

§ 12. (1) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 2 wird bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab vom Österreichischen Integrationsfonds durchgeführt.

(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte Kenntnisse der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung auf dem Sprachniveau B1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über vertiefte Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit „Bestanden“ oder „Nicht bestanden“ zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

(3) Der Prüfungsinhalt, die Modalitäten der Durchführung, die Qualifikationen der Prüfer sowie die Prüfungsordnung zur Erfüllung des Moduls 2 werden durch Verordnung der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres festgelegt.

...

Werte- und Orientierungskurse für Drittstaatsangehörige

§ 16a. (1) Die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres hat für Drittstaatsangehörige (§ 3 Z 3), die Leistungen im Rahmen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes beziehen, die an die Bereitschaft der eigenen Arbeitskraft geknüpft sind, Werte- und Orientierungskurse zur Verfügung zu stellen. Die Abwicklung der Kurse erfolgt durch den Österreichischen Integrationsfonds.

...

Sprachnachweise und Integrationspflichten für Bezugsberechtigte gemäß dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz

Mitwirkungspflichten

§ 16c. (1) Asylberechtigte (§ 3 Z 1), subsidiär Schutzberechtigte (§ 3 Z 2) und Drittstaatsangehörige (§ 3 Z 3), die Leistungen der Sozialhilfe zur   Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs in Anspruch nehmen (§ 2 Abs. 1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz), haben sich im Rahmen einer verpflichtenden Integrationserklärung (§ 6 Abs. 1) zur Einhaltung der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung zu verpflichten und unterliegen während des aufrechten Bezugs von Leistungen der Sozialhilfe, die an die Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft geknüpft sind, der Pflicht zur Absolvierung einer B1-Integrationsprüfung des Österreichischen Integrationsfonds sowie zur vollständigen Teilnahme, zur gehörigen Mitwirkung und zum Abschluss eines Werte- und Orientierungskurses gemäß § 5 bzw. § 16a.

...

Bereitstellung der Maßnahmen zur Erfüllung der Mitwirkungspflichten

§ 16d. Die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres hat B1-Prüfungen zur Erfüllung der Pflichten gemäß § 16c Abs. 1 bzw. zum Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse im Sinne des § 5 Abs. 7 Z 1 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes anzubieten. Die Abwicklung erfolgt durch den Österreichischen Integrationsfonds bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab. § 12 gilt sinngemäß.“

14       Die Materialien zu den - gleichzeitig mit dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz erlassenen - §§ 16c und 16d IntG (514 BlgNR 26 GP, S. 12) lauten auszugsweise:

Zu Z 31 (§ 16c Mitwirkungspflichten):

Abs. 1 legt fest, dass Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte und Drittstaatsangehörige, die Leistungen im Rahmen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes beziehen, Integrationspflichten zu erfüllen haben. Bei einem schuldhaften Verstoß gegen die Erfüllungspflichten laut § 16c greifen die in § 9 Abs. 3 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes normierten Sanktionsbestimmungen. Mit § 16c Abs. 1 wird somit eine Harmonisierung der Bestimmungen des Integrationsgesetzes und § 9 Abs. 3 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes herbeigeführt.

...

Zu Z 31 (§ 16d Bereitstellung von Maßnahmen zur Erfüllung der Mitwirkungspflichten):

Zur Erfüllung der Pflicht gemäß § 16c (Absolvierung einer B1-Prüfung) bzw. zum Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse im Sinne des § 5 Abs. 7 Z 1 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes hat die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres eine B1-Prüfung anzubieten (Abs. 1). Die Zielgruppe gemäß Abs. 1 ist hierbei weiter als jene der Asylberechtigten, subsidiär Schutzberechtigten und Drittstaatsangehörigen im Sinne des § 3. Es handelt sich bei der genannten B1-Prüfung um eine bundesweit einheitliche Prüfung des Österreichischen Integrationsfonds, weshalb die näheren Voraussetzungen, etwa im Hinblick auf den Prüfungsinhalt und die Modalitäten der Durchführung, im Sinne des § 12 Anwendung finden - dies gilt auch für die Verordnung gemäß § 12 Abs. 3.“

15       Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, BGBl. I Nr. 41/2019, lautet auszugsweise:

Wirksames Kontrollsystem und Sanktionen

§ 9. (1) ...

(3) Für eine schuldhafte Verletzung der Pflichten gemäß § 16c Abs. 1 IntG sind Leistungskürzungen im Ausmaß von zumindest 25 % über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten vorzusehen.“

16       Die Materialien zu § 9 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (514 BlgNR 26 GP, S. 10) lauten:

Zu § 9:

Bei unrechtmäßigem Bezug, zweckwidriger Verwendung von Leistungen, Arbeits- und Integrationsverweigerung (insbesondere bei nicht gehöriger Teilnahme an Deutsch- oder Wertekursen) sowie nachgewiesener Schwarzarbeit sind wirksame Sanktionen, Reduktionen bzw. die völlige Einstellung und Rückforderung der Leistung vorzusehen. Wesentliches Element dabei ist etwa eine unbedingte Meldepflicht von allen entgeltlichen Erwerbstätigkeiten sowie die Pflicht, sich um die Abwendung, Milderung oder Überwindung der eigenen Notlage zu bemühen. Hinzuweisen ist auf das - zusätzlich zum allgemeinen strafgerichtlichen Sanktionensystem des StGB - konstruierte Kontroll- und Sanktionenmodell des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (vgl. etwa §§ 10, 24, 25 und 49 AlVG). Als Sanktion für den erstmaligen Pflichtverstoß kommt etwa eine Befristung des Bescheids für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum (z. B. drei Monate) in Betracht. Mehrere Abmahnungen ohne gleichzeitige Leistungskürzung erfüllen jedenfalls nicht den Zweck der Norm. Die Effizienz der tatsächlichen Vollziehung des Gesetzes ist durch Kontrollen der Verwaltung sicherzustellen.“

17       Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass „die (entsprechende) Teilnahme und Mitwirkung an einem ... Deutschkurs“ nicht zu jenen Pflichten gemäß § 16c Abs. 1 IntG zählt, deren schuldhafte Verletzung nach § 8b Abs. 3 SUG zu sanktionieren ist. Gleichzeitig verweist das Verwaltungsgericht darauf, dass die Pflichten nach § 16c Abs. 1 IntG auch jene „zur Absolvierung einer B1-Integrationsprüfung des Österreichischen Integrationsfonds“ umfasst. Eine Auseinandersetzung mit dem zuletzt genannten Tatbestand mit Blick auf das hier in Rede stehende Verhalten der Mitbeteiligten ist dem angefochtenen Erkenntnis allerdings nicht zu entnehmen.

18       Es trifft nun zwar zu, dass § 16c Abs. 1 IntG hinsichtlich der dort genannten Personengruppen während des aufrechten Bezugs von Leistungen der Sozialhilfe, die an die Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft geknüpft sind, eine Pflicht „zur vollständigen Teilnahme, zur gehörigen Mitwirkung und zum Abschluss eines Werte- und Orientierungskurses gemäß § 5 bzw. § 16a“ IntG anführt, ohne - wie etwa § 6 Abs. 1 IntG - auf eine gleichlautende Verpflichtung in Ansehung der in § 4 IntG geregelten Deutschkurse Bezug zu nehmen. Gleichzeitig wird in § 16c Abs. 1 IntG allerdings - wie bereits ausgeführt - normiert, dass die Betreffenden „der Pflicht zur Absolvierung einer B1-Integrationsprüfung des Österreichischen Integrationsfonds“ unterliegen.

19       Bereits aus dem Wortlaut des § 16c Abs. IntG ergibt sich somit unmissverständlich, dass die dort genannten Personen während des aufrechten Bezugs von Leistungen der Sozialhilfe, die an die Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft geknüpft sind, der Pflicht zur Absolvierung der genannten Prüfung unterliegen. Eine Frist zur Absolvierung dieser Prüfung sieht diese Bestimmung nicht vor. Wurde diese Prüfung nicht absolviert, liegt demnach ein Verstoß gegen die genannte Pflicht nach §16c Abs. 1 IntG vor.

20       Die B1-Integrationsprüfung, hinsichtlich der § 16d letzter Satz IntG eine sinngemäße Anwendung des § 12 IntG normiert, umfasst nach § 12 Abs. 2 leg. cit. Sprach- und Werteinhalte, wobei mit der Prüfung auch festzustellen ist, ob der Betreffende „über vertiefte Kenntnisse der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung auf dem Sprachniveau B1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen“ verfügt.

21       Bei der Beurteilung der Frage, ob dem Bezieher von Leistungen der Sozialhilfe ein schuldhafter Verstoß gegen die Verpflichtung zur Absolvierung der genannten Prüfung im Sinne des § 8b Abs. 3 SUG anzulasten ist, kann das Verhalten des Betreffenden in Ansehung von (vorgelagerten) Deutschkursen, die erst dem Erwerb jener Sprachkenntnisse dienen sollen, der eine Absolvierung der genannten Prüfung ermöglicht, aber - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes - nicht von vornherein ausgeblendet werden. Dieses Verhalten ist vielmehr im Rahmen der - einzelfallbezogenen - Beurteilung, ob ein schuldhafter Verstoß gegen die Pflicht gemäß § 16c Abs. 1 IntG zur Absolvierung einer B1-Integrationsprüfung im Sinne des § 8b Abs. 3 SUG vorliegt, zu berücksichtigen. Werden angebotene Deutschkurse vom Hilfeempfänger ohne ausreichende Begründung nicht besucht oder abgebrochen, kann jedenfalls nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass eine schuldhafte Verletzung der Pflicht gemäß § 16c Abs. 1 IntG zur Absolvierung einer B1-Integrationsprüfung nicht vorliegt.

22       Ein derartiges Verständnis wird im Ergebnis auch durch die Materialien zu § 9 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz bestätigt, wenn dort ausdrücklich im Zusammenhang mit einer (zu sanktionierenden) „Integrationsverweigerung“ auf die „nicht gehörige Teilnahme an Deutsch- oder Wertekursen“ Bezug genommen wird. Auch die Materialien zu § 8b Abs. 3 SUG deuten in diese Richtung, wenn als Beispiele einer schuldhaften Verletzung der Pflichten nach § 16c Abs. 1 IntG auf „die unentschuldigte Nichterfüllung der Anwesenheitspflicht“ bzw. „eine bewusste Störung der (Kurs-)Maßnahme“ verwiesen wird. Der Ansicht des Verwaltungsgerichtes, dass „die (entsprechende) Teilnahme und Mitwirkung an einem ... Deutschkurs“ im Rahmen der Beurteilung einer schuldhaften Verletzung nach § 8b Abs. 3 SUG nicht von Relevanz sei, ist daher im Ergebnis nicht zu folgen.

23       Dieser Umstand führt im Revisionsfall allerdings nicht zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses:

24       Die Revision enthält - abgesehen vom Vorbringen, dass das in Rede stehende Verhalten der Mitbeteiligten dem § 8b Abs. 3 SUG zu unterstellen gewesen wäre - kein näheres Vorbringen dazu, warum der Tatbestand des § 8b Abs. 1 Z 2 lit. c SUG nicht verwirklicht wurde. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, dass der bloß unregelmäßige Besuch und Abbruch des hier in Rede stehenden Deutschkurses sich fallbezogen nicht als Verweigerung der Teilnahme an einer Maßnahme zur Verbesserung der Integrationsfähigkeit in den Arbeitsmarkt im Sinne des § 8b Abs. 1 Z 2 lit. c SUG darstellt. Ein sachverhaltsbezogenes Vorbringen, das diese Beurteilung in Frage stellen könnte, wurde im Revisionsverfahren weder von der Amtsrevisionswerberin noch von der Mitbeteiligten erstattet.

25       Davon ausgehend erweist sich die Revision im Ergebnis aber als unbegründet, sieht § 8b Abs. 3 letzter Satz SUG doch vor, dass - liegt neben einem Verstoß gegen § 16c Abs. 1 IntG auch ein solcher gemäß § 8b Abs. 1 SUG vor - die Kürzungsstufen des § 8b Abs. 2 SUG für die Dauer der gleichzeitigen Pflichtverstöße gelten. Eine Kürzung nach der zuletzt genannten Bestimmung wurde vom Verwaltungsgericht im Revisionsfall aber vorgenommen.

26       Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. Jänner 2023

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022100012.L00

Im RIS seit

23.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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