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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
HGG 2001 §31 Abs1 Z2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätinnen Dr. Pollak, Mag. Hainz-Sator und MMag. Ginthör sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des L S in B, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Andreas Germann in 6900 Bregenz, Scheffelstraße 7a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. September 2020, Zl. W221 2234469-1/3E, betreffend Wohnkostenbeihilfe nach dem Heeresgebührengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Heerespersonalamt), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 31. Juli 2020 wurde der Antrag des Revisionswerbers vom 10. Juni 2020 auf Zuerkennung der Wohnkostenbeihilfe nach dem Heeresgebührengesetz 2001 (HGG 2001) gemäß § 56 AVG iVm. § 31 Abs. 1 und 2 HGG 2001 abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Einberufungsbefehl sei dem Revisionswerber am 27. Mai 2020 zugestellt worden. Seit 3. Juli 2020 (Mietbeginn 1. Juli 2020) sei er an der verfahrensgegenständlichen Wohnadresse gemeldet. Damit seien der Mietbeginn und die behördliche Meldung nach Erhalt des Einberufungsbefehls erfolgt. Da der Revisionswerber die Anmietung seiner Wohnung nicht vor der Zustellung des Einberufungsbefehls eingeleitet habe, sei der Antrag abzuweisen gewesen.
2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde und führte hierzu aus, dass die zeitlichen Angaben der Behörde hinsichtlich Einberufungsbefehl, Mietbeginn und Meldung zwar richtig seien, jedoch habe er den Erwerb der gegenständlichen Wohnung nicht erst nach Zustellung des Einberufungsbefehls eingeleitet. Bereits Ende April 2020 habe der Revisionswerber entsprechende Schritte zum Erwerb der Wohnung gesetzt, indem er mit den Vermietern, den Eltern seiner Lebensgefährtin, eine Vereinbarung betreffend die Anmietung der Wohnung getroffen habe. Zum Beweis dafür beantragte der Revisionswerber seine Einvernahme und die Zeugeneinvernahme der Mutter seiner Lebensgefährtin. Der Beschwerde war ein von den Vermietern am 24. April 2020 und von der Wohnungsverkäuferin am 27. April 2020 unterzeichnetes Kaufanbot für die verfahrensgegenständliche Wohnung angeschlossen.
3 Diese Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, die verfahrensgegenständliche Wohnung sei von den Eltern der Lebensgefährtin des Revisionswerbers mit dem Plan gekauft worden, diese an ihre Tochter und den Revisionswerber zu vermieten. Das Kaufanbot sei mit 24. April 2020 (Kaufinteressenten) und 27. April 2020 (Verkäufer) datiert. Der Kaufvertrag sei am 10. Juni 2020 abgeschlossen worden. In weiterer Folge sei der Mietvertrag beginnend mit 1. Juli 2020 am 7. Juli 2020 abgeschlossen worden. Auch wenn es glaubhaft sei, dass die Eltern der Lebensgefährtin des Revisionswerbers die Wohnung mit dem Plan gekauft hätten, diese an den Revisionswerber und seine Lebensgefährtin weiter zu vermieten, handle es sich dabei „um keine verbindliche Vereinbarung“, die vor der Zustellung des Einberufungsbefehls getroffen worden sei, weil zum Zeitpunkt der behaupteten mündlichen Vereinbarung im April 2020 die Wohnung von den Vermietern nicht angekauft, sondern erst das Kaufanbot abgegeben worden sei. Sie hätten die Wohnung erst am 10. Juni 2020 und somit erst nach Zustellung des Einberufungsbefehls gekauft, und der verbindliche, schriftliche Mietvertrag sei erst am 7. Juli 2020 abgeschlossen worden. Der Revisionswerber habe vor Ankauf der Wohnung durch seine Vermieter diesen gegenüber gar nicht verbindlich erklären können, die Wohnung mieten zu wollen, sodass auch kein mündlicher Mietvertrag vor der Zustellung des Einberufungsbefehls zustande gekommen sei. Überdies sei es nicht wahrscheinlich, dass die Eltern der Lebensgefährtin des Revisionswerbers das Mietverhältnis auflösen würden, sollten der Revisionswerber oder seine Lebensgefährtin die Miete während des Präsenzdienstes nicht zur Gänze zahlen können. Eine mündliche Verhandlung habe entfallen können, da sich der Sachverhalt aus der Aktenlage ergebe.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, zu der die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
7 Das HGG 2001, BGBl. I Nr. 31/2001, in der vorliegend maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 102/2019 lautet (auszugsweise):
„Ansprüche
§ 23. (1) Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe kann Anspruchsberechtigten gebühren, die den Grundwehrdienst oder den Wehrdienst als Zeitsoldat oder den Ausbildungsdienst leisten, auf deren Antrag und für die Dauer eines solchen Wehrdienstes, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.
...
(3) Als Wirksamkeit der Einberufung nach diesem Hauptstück gilt
1. die erstmalige Erlassung des Einberufungsbefehles oder
2. die Kundmachung einer allgemeinen Bekanntmachung der Einberufung zum jeweiligen Wehrdienst nach Abs. 1.
...
Wohnkostenbeihilfe
§ 31 Anspruch
(1) Mit der Wohnkostenbeihilfe sind Anspruchsberechtigten jene Kosten abzugelten, die ihnen nachweislich während des Wehrdienstes für die erforderliche Beibehaltung jener eigenen Wohnung entstehen, in der sie nach den Bestimmungen des Meldegesetzes 1991 (MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992, gemeldet sind. Dabei gilt Folgendes:
1. Ein Anspruch besteht nur für jene Wohnung, in der der Anspruchsberechtigte bereits zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Einberufung gegen Entgelt gewohnt hat.
2. Wurde der Erwerb einer Wohnung nachweislich bereits vor dem Zeitpunkt nach Z 1 eingeleitet, so besteht ein Anspruch auch dann, wenn die Wohnung erst nach diesem Zeitpunkt bezogen wird.
...“
8 Die Revision ist zulässig, weil zu der in ihr aufgeworfenen Rechtsfrage, ob eine verbindliche Zusage der Anmietung einer Wohnung bereits vor dem Ankauf der Wohnung durch die späteren Vermieter ein Einleiten des Erwerbs einer Wohnung gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 HGG 2001 darstellt, keine hg. Rechtsprechung vorliegt.
Die Revision ist auch begründet.
9 Die Wohnkostenbeihilfe wurde (als Folge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 12. Oktober 1978, VfSlg. 8417) mit der Novelle BGBl. 105/1979 ins damalige Heeresgebührengesetz aufgenommen. Die diesbezügliche Bestimmung lautete (auszugsweise) wie folgt:
„Wohnkostenbeihilfe
§ 21. (1) Wehrpflichtigen, die Anspruch auf Familienunterhalt für Personen haben, mit denen sie im gemeinsamen Haushalt leben (§ 20 Abs. 1 lit. a und b sowie Abs. 2), gebührt die Wohnkostenbeihilfe
...
(4) Mit der Wohnkostenbeihilfe nach Abs. 1 Z. 2 und nach Abs. 3 sind den Wehrpflichtigen die ihnen nachweislich während des Präsenzdienstes für die erforderliche Beibehaltung der notwendigen Wohnung entstehenden Kosten soweit abzugelten, als ein allenfalls während des Präsenzdienstes verbleibendes Einkommen diese Kosten nicht deckt, mindestens aber im Ausmaß der Wohnungsbeihilfe (Abs. 1 Z. 1). Dies gilt auch für jene Fälle, in denen der Erwerb der Wohnung zwar erst nach dem Antritt des Präsenzdienstes vollzogen, aber bereits vor der Zustellung des Einberufungsbefehles hinsichtlich einer bestimmten Wohnung nachweislich eingeleitet worden ist.
...“
In den Gesetzesmaterialien (Ausschussbericht) dazu (1177 BlgNR, XIV. GP, 2) heißt es:
„Mit der Wohnkostenbeihilfe ... sind ... die dem Wehrpflichtigen nachweislich während des Präsenzdienstes für die erforderliche Beibehaltung der notwendigen Wohnung entstehenden Kosten insoweit abzugelten, als ein allenfalls während des Präsenzdienstes verbleibendes Einkommen diese Kosten nicht deckt. Eine Erweiterung gegenüber der bisherigen Rechtslage ist hinsichtlich jener Fälle vorgesehen, in denen der Wohnungserwerb erst nach dem Antritt des Präsenzdienstes realisiert wird, obwohl er schon vor der Einberufung eingeleitet wurde. Durch die ausdrückliche Einbeziehung dieser Fälle in den Beihilfenanspruch sollen Härten, die in der Vergangenheit diesbezüglich aufgetreten sind, vermieden werden.“
10 Der Zweck des § 31 Abs. 1 Z 2 HGG 2001 (bzw. des § 21 Abs. 4 zweiter Satz HGG aF) liegt somit darin, den Präsenz- bzw. Zivildienstleistenden davor zu bewahren, dass er die Kosten für die Wohnung, zu deren Erwerb er sich bereits vor Zustellung des Einberufungsbefehls verpflichtet hat, welche er aber erst nach diesem Zeitpunkt bezogen hat, mangels eines Einkommens während der Leistung des betreffenden Dienstes nicht aufbringen kann. Voraussetzung für einen Anspruch auf Wohnkostenbeihilfe nach § 31 HGG 2001 ist, dass für die Beibehaltung dieser Wohnung während des Dienstes Kosten entstehen. Im Fall des Abschlusses eines Mietvertrags ist es der Mieter, der zur Zahlung von Mietzins verpflichtet ist und dem daher Kosten im Sinne des § 31 Abs. 1 HGG 2001 entstehen. Auch ein mündlich vereinbarter Mietvertrag kann Grundlage für einen Anspruch auf Wohnkostenbeihilfe bilden (vgl. VwGH 9.2.2015, 2013/11/0096, mwN).
11 In seinem Erkenntnis vom 25. Mai 2004, 2003/11/0053, mwN, hat der Verwaltungsgerichtshof (iZm. einer bereits im Eigentum des Vermieters stehenden Wohnung) ausgeführt, für die nachweisliche Einleitung des Erwerbs einer Mietwohnung im Sinne des § 31 Abs. 1 Z 2 HGG 2001 reiche es aus, dass sich der spätere Mieter ernsthaft für die Wohnung interessiere und gegenüber dem Vermieter die bindende Erklärung zum Abschluss des - in der Folge auch zustande gekommenen - Mietvertrages abgebe.
12 Im Hinblick darauf, dass die Auszahlung der Wohnkostenbeihilfe ohnehin erst dann erfolgt, wenn der Wohnungsinteressent jene Wohnung, deren Erwerb er vor Zustellung des Einberufungsbefehls eingeleitet hat (vgl. VwGH 27.5.1999, 99/11/0153), nachweislich kostenpflichtig bewohnt, kommt es im Revisionsfall entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht darauf an, dass die späteren Vermieter den verwaltungsgerichtlichen Feststellungen zufolge Ende April 2020 bloß das Kaufanbot gelegt, die Wohnung aber erst im Juni - nach Zustellung des Einberufungsbefehls am 27. Mai 2020 - tatsächlich gekauft hatten und dass der verbindliche, schriftliche Mietvertrag erst am 7. Juli 2020 abgeschlossen wurde.
13 Im Revisionsfall ist vielmehr allein entscheidend, ob und wann der Revisionswerber erstmals den späteren Vermietern gegenüber nachweislich verbindlich erklärt hat, die verfahrensgegenständliche Wohnung mieten zu wollen. Erst wenn feststeht, wann der Revisionswerber eine entsprechende, seinen Bindungswillen zum Ausdruck bringende Offerte abgegeben hat, kann beurteilt werden, ob der Erwerb dieser Mietwohnung vor der Erlassung des Einberufungsbefehls eingeleitet wurde. Dazu traf das Verwaltungsgericht keine Feststellungen.
14 In seiner Beschwerde hatte der Revisionswerber zum Beweis dafür, dass er Ende April 2020 - vor Zustellung des Einberufungsbefehls - ein verbindliches Mietanbot für die verfahrensgegenständliche Wohnung abgegeben hatte, seine Einvernahme und die Zeugeneinvernahme seiner Vermieterin angeboten. Das Verwaltungsgericht hat jedoch, ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsansicht, der Revisionswerber hätte vor Abschluss des Kaufvertrags über die gegenständliche Wohnung keine verbindliche Erklärung abgeben können, diesbezügliche Ermittlungen, insbesondere in Form einer mündlichen Verhandlung, unterlassen.
15 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff. VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Da die in der Revision zusätzlich verzeichnete Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen nach der genannten Verordnung bereits enthalten ist, war das Mehrbegehren abzuweisen.
Wien, am 24. Jänner 2023
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020110191.L00Im RIS seit
23.02.2023Zuletzt aktualisiert am
23.02.2023