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L85007 Straßen Tirol;Norm
ABGB §295;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf, den Vizepräsidenten
Dr. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der R in J, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. April 1991, Zl. II b1-L-1397/7-1991, betreffend Enteignung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde J, vertreten durch den Brügermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Die Marktgemeinde J beantragte mit Schreiben vom 20. Februar 1991 "für die Errichtung einer Straße, die mit Bescheid vom 15.05.1986 ... bewilligt wurde," bei der belangten Behörde als Straßenbehörde "die Enteignung einer Teilfläche von 141 m2 aus der Gp 369/1 der KG J". Aufgrund dieses Antrages erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid vom 29. April 1991 und stellte im Spruch I. fest, es werde entschieden,
"daß für die Ausführung des bewilligten
Straßenbauvorhabens die Notwendigkeit der Enteignung der im Enteignungsplan dargestellten unter II dieses Bescheides angeführten Grundfläche gegeben ist.
Die Fläche von 141 m2 (im Einlöseplan genau dargestellt) wird zugunsten der Marktgemeinde J, öffentliches Gut, enteignet."
Unter II. des Spruches wurde entsprechend dem Antrag das Enteignungsobjekt bezeichnet und die Entschädigung festgesetzt.
Der angefochtene Bescheid wurde damit begründet, daß aufgrund der rechtskräftigen Baubewilligung des Bürgermeisters von J vom 15. Mai 1986 die Voraussetzung zur Beantragung der Enteignung der im Einlöseplan dargestellten Fläche gegeben sei. Der Gegenstand der Enteignung sei für die Verwirklichung der Straßenverbreiterung zweckmäßig und könne nur durch Enteignung beschafft werden. Auch das Vorbringen, daß die Verbreiterung und Verlängerung der "K-Straße" nicht notwendig sei, habe nicht zur Abweisung des Enteignungsantrages führen können, da gemäß § 62 Abs. 2 Tiroler Straßengesetz der Bedarf für das Bauvorhaben, für welches eine Baubewilligung vorliege, als nachgewiesen gelte. Gemäß § 66 Abs. 3 des Tiroler Straßengesetzes seien Flächen im Bereich des Baulandes für die bauliche Änderung von Gemeindestraßen als nicht bebaubar zu bewerten.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluß vom 25. Februar 1992, B 660/91-8, ablehnte und die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten hat, ob die Beschwerdeführerin in einem sonstigen Recht verletzt worden ist. In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten, bereits in der Verfassungsgerichtshof-Beschwerde enthaltenen Beschwerde beantragt sie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Beschwerdefall maßgeblich ist § 62 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 13/1989; er hat folgenden Wortlaut:
"§ 62
Notwendigkeit der Enteignung
(1) Eine Enteignung ist nur zulässig, wenn
a) für das Vorhaben, dessen Verwirklichung die Enteignung dienen soll, ein Bedarf besteht, dessen Deckung im öffentlichen Verkehrsinteresse gelegen ist,
b) der Gegenstand der Enteignung geeignet ist, der
zweckmäßigen und wirtschaftlichen Verwirklichung des Vorhabens zu dienen,
c) der Gegenstand der Enteignung nicht anders als
durch Enteignung beschafft werden kann und
d) durch die Enteignung der Zweck unmittelbar
verwirklicht werden kann.
(2) Bei Bauvorhaben, die einer Straßenbaubewilligung
bedürfen, gilt der Bedarf hiefür im Sinne des Abs. 1 lit. a mit dem Eintritt der Rechtskraft der Straßenbaubewilligung als nachgewiesen."
Von Bedeutung ist weiters § 44 Abs. 4 leg. cit.:
"(4) Soweit die Trasse einer Straße durch die Festlegungen des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes bestimmt ist, ist die Behörde bei der Erteilung der Straßenbaubewilligung daran gebunden."
Nach § 68 Abs. 3 leg. cit. hat der Enteigner "die von der Enteignung betroffenen Grundflächen spätestens am dritten Tag vor der mündlichen Verhandlung in der Natur in geeigneter Weise zu kennzeichnen."
2. Die Beschwerdeführerin verweist zunächst auf § 68 Abs. 3 Tiroler Straßengesetz und bringt vor, daß eine derartige Aussteckung im gesamten Enteignungsverfahren überhaupt nie vorgenommen worden sei, sodaß deshalb eine gravierende Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliege.
Mit diesem Beschwerdevorbringen - bei dem es sich überdies um eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung handelt, hat es die Beschwerdeführerin doch unterlassen, darauf bereits im Verwaltungsverfahren hinzuweisen, obwohl sie dazu Gelegenheit hatte - gelingt es der Beschwerdeführerin nicht, die Relevanz dieses allfälligen Verfahrensverstoßes darzutun. Die Beschwerdeführerin unterläßt es nämlich zu begründen, warum die belangte Behörde im Falle einer nach § 68 Abs. 3 leg. cit. gebotenen Kennzeichnung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Nur dann nämlich könnte ein Verfahrensmangel dieser Art zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen (vgl. dazu Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 591 und die dort dargestellte hg. Judikatur).
3. Die Beschwerdeführerin verweist darauf, daß sich auf der enteigneten Grundfläche eine ca. 1,5 bis 2 m hohe Hecke befinde, und zwar entlang der Grundgrenze zwischen den Grundparzellen 369/1 und 369/3. Diese Hecke werde weder im Bescheid über die Enteignung der Grundfläche noch in der Entscheidung über die zu leistende Entschädigung angeführt; es mangle dem angefochtenen Bescheid daher an der vom Gesetz geforderten Bestimmtheit im Sinne der §§ 56 ff AVG. Dadurch sei der Sachverhalt von der belangten Behörde in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen worden, weshalb eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliege.
Zu Recht weist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift demgegenüber darauf hin, daß "der Gegenstand der Enteignung durch Bezugnahme auf den (verbücherungsfähigen) Teilungsplan ausreichend bestimmt (ist)." Der allenfalls darauf befindliche Pflanzenbewuchs teile das rechtliche Schicksal des Grundstückes. Allenfalls wäre für eine Entfernung der Hecke eine gesonderte Entschädigung zuzuerkennen gewesen. Gegen diese Beurteilung der belangten Behörde bestehen keine rechtlichen Bedenken. Zu Recht vertritt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auch die Auffassung, daß die Entscheidung über die Entschädigung nicht vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechtes, sondern gemäß § 74 leg. cit. vor dem örtlich zuständigen Bezirksgericht anfechtbar ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. September 1995, Zl. 93/06/0203).
Auch aus dieser Sicht kann daher dem angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit nicht angelastet werden.
4. Die Beschwerdeführerin vertritt ferner die Auffassung, daß der angefochtene Bescheid unter einem ganz eklatanten Begründungsmangel im Sinne des § 58 Abs. 2 AVG leide. Die Enteignung werde praktisch ausschließlich damit begründet, daß eine rechtskräftige Straßenbaubewilligung vorliege, weshalb gemäß § 62 Abs. 2 Tiroler Straßengesetz der Bedarf als nachgewiesen gelte. Die weiteren, vom Gesetz normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Enteignung, nämlich jene gemäß § 62 Abs. 1 lit. b, lit. c und lit. d leg. cit., seien von der belangten Behörde überhaupt nicht geprüft worden.
Auch damit ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht. Ihr Beschwerdevorbringen erschöpft sich nämlich in allgemeinen unsubstantiierten Behauptungen, aus denen sich nicht ergibt, daß die belangte Behörde - lägen diese allenfalls bestehenden Begründungsmängel nicht vor - zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. dazu Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 600 und die dort dargestellte hg. Judikatur). Es ist nämlich darauf hinzuweisen, daß die der Enteignung zugrundeliegende rechtskräftige straßenbaurechtliche Bewilligung gemäß § 44 Abs. 4 leg. cit. in Bindung an den gültigen Bebauungsplan ergangen ist. Von der Beschwerdeführerin wurde diese straßenbaurechtliche Bewilligung vom 15. Mai 1986 beim Verwaltungsgerichtshof - erfolglos - bekämpft. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 17. Mai 1990, Zl. 88/06/0039, mit dem die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die straßenbaurechtliche Bewilligung als unbegründet abgewiesen worden ist, u.a. zum Ausdruck gebracht, daß "die Behörde lediglich die Übereinstimmung des Straßenprojektes mit dem rechtswirksamen Bebauungsplan zu prüfen hatte." Daß diese Übereinstimmung gegeben sei, werde auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Vergleicht man nun den in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten befindlichen Bebauungsplan mit dem Enteignungsplan, der dem angefochtenen Bescheid zugrunde lag, so läßt sich nicht erkennen, in welchem Bereich allenfalls der Gegenstand der Enteignung im Sinne des § 62 Abs. 1 lit. b leg. cit. als zur "zweckmäßigen und wirtschaftlichen Verwirklichung des Vorhabens" nicht geeignet erscheint. Es erscheint auch offensichtlich, daß durch die Enteignung im Sinne des § 62 Abs. 1 lit. d leg. cit. ihr Zweck unmittelbar verwirklicht werden kann. Das - wie erwähnt diesbezüglich allgemein und unbestimmt gehaltene - Beschwerdevorbringen ist daher unbegründet. Nicht nachvollziebar ist aber auch der behauptete Verstoß gegen § 62 Abs. 1 lit. c leg. cit., wonach eine Enteignung nur zulässig ist, wenn der Gegenstand der Enteignung nicht anders als durch Enteignung beschafft werden kann. Dies deshalb, weil die Beschwerdeführerin in ihren mit Schreiben vom 16. April 1991 vorgebrachten Einwendungen u.a. folgendes zum Ausdruck gebracht hat: "Gegen die Enteignung meines wertvollen Kulturgrundes wehre ich mich auf das Äußerste." Wenn die belangte Behörde wegen dieser Erklärung das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 62 Abs. 1 lit. c leg. cit. bejaht hat, kann dem nicht entgegengetreten werden, ist doch daraus und aus der gesamten Argumentation der Beschwerdeführerin eindeutig ableitbar, daß sie ihr Eigentum auch keinesfalls auf privatrechtlicher Basis zur Verfügung stellen würde.
5. Schließlich bringt die Beschwerdeführerin vor, daß die enteignete Teilfläche des Grundstückes Nr. 369/1 in EZ 498 der KG J im angefochtenen Bescheid nicht hinlänglich konkretisiert sei. Es genüge nämlich einerseits nicht, nur auf den Einlöseplan zu verweisen, andererseits fehle eine Beschreibung hinsichtlich der Kulturgattung ebenso, wie die entlang der Grundgrenze in einer Höhe von ca. 1,5 bis 2 m verlaufende Hecke nicht erwähnt worden sei.
Dieses Beschwerdevorbringen ist schlechthin nicht nachvollziehbar. Wie schon erwähnt, ergibt sich der Umfang der Enteignung aus dem Enteignungsplan, der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt worden ist. Was die Hecke anlangt, ist auf die obigen Ausführungen unter 3. zu verweisen.
6. Aus den unter 2. bis 5. angeführten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Inhalt des Spruches Diverses Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Gerichtliche oder schiedsgerichtliche EntscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992060074.X00Im RIS seit
11.07.2001