TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/23 95/18/1270

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Veröffentlicht am 23.11.1995
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):95/18/1271

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde 1. des SH und 2. der MH, beide vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien, vom 26. April 1995, Zl. SD 54/95, 53/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (belangte Behörde) vom 26. April 1995, mit welchem gegen die Beschwerdeführer, Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes (FrG) die Ausweisung verfügt worden ist. Begründet wurde der angefochtene Bescheid im wesentlichen damit, daß sich die Beschwerdeführer im Jahre 1992 einige Monate im Bundesgebiet aufgehalten hätten; ihnen sei bis Februar 1993 der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet worden. Noch im Jahre 1992 hätten sie sich nach Kroatien begeben und dort etwa für ein Jahr gelebt. Gegen Ende des Jahres 1993 sei die Zweitbeschwerdeführerin und im Jahr 1994 der Erstbeschwerdeführer ohne Sichtvermerk nach Österreich eingereist. Bei ihrer Einreise hätten sie sich von Grenzkontrollorganen "durchwinken" lassen und sich "daher nicht der Grenzkontrolle gestellt, sodaß ihnen auch nicht die Einreise entsprechend internationaler Gepflogenheiten gestattet worden ist". Die Bestimmungen der Verordnung über das vorübergehende Aufenthaltsrecht bosnischer Kriegsflüchtlinge kämen ihnen daher nicht zugute, zumal sie auch in Kroatien Schutz vor Verfolgung gefunden hätten. Die Beschwerdeführer seien daher nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Die verfügte Ausweisung bewirke zwar angesichts des Aufenthaltes des Vaters des Erstbeschwerdeführers sowie Ehegatten der Zweitbeschwerdeführerin einen Eingriff in deren Privat- und Familienleben. Die Erlassung der Ausweisung sei jedoch "zur Erreichung eines geordneten Fremdenwesens, und damit der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten", weil der seit über einem Jahr unrechtmäßige Aufenthalt und vor allem das weitere Verbleiben der Beschwerdeführer im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung in hohem Maße gefährde. Eine Abstandnahme von der Erlassung der Ausweisung würde den Beschwerdeführern entgegen der Regelung des § 6 Abs. 2 erster Satz des Aufenthaltsgesetzes (AufG), wonach ein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG vom Ausland aus zu stellen ist, den tatsächlichen, jedoch nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens zuwiderlaufen würde. Daher sei die Verfügung der Ausweisung auch im Hinblick auf § 19 FrG gerechtfertigt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt wird.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, daß sie als Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina im Jahre 1992 aufgrund einer gemäß § 12 des Aufenthaltsgesetzes erlassenen Verordnung ein vorläufiges Aufenthaltsrecht erworben hätten. Dieses Aufenthaltsrecht sei durch ihren vorübergehenden Aufenthalt im Ausland nicht erloschen. Eine solche Rechtsfolge sei weder der genannten Verordnung noch der zugrundeliegenden Bestimmung des § 12 AufG zu entnehmen.

Mit dieser Auffassung sind die Beschwerdeführer nicht im Recht. Gemäß § 12 Abs. 1 AufG kann die Bundesregierung mit Verordnung für Zeiten erhöhter internationaler Spannungen, eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände "davon unmittelbar betroffenen Gruppen von Fremden, die anderweitig keinen Schutz finden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren". Für den vorliegenden Fall ist die Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 1038/1994, maßgeblich. Gemäß § 1 Abs. 1 der genannten Verordnung haben "Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993

eingereist sind, ... ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im

Bundesgebiet". Gemäß § 1 Abs. 2 der genannten Verordnung besteht dieses Aufenthaltsrecht "für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde".

Nach der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde haben sich die Beschwerdeführer im Jahre 1992 im Bundesgebiet aufgehalten, sind jedoch noch im Jahre 1992 ausgereist und haben bis zu ihrer neuerlichen Einreise nach Österreich bis gegen Ende des Jahres 1993 in Kroatien gelebt. Die belangte Behörde konnte daher zu Recht davon ausgehen, daß die Beschwerdeführer jedenfalls für diesen Zeitraum anderweitig Schutz gefunden haben. Auf ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG könnten sich die Beschwerdeführer gemäß § 1 Abs. 2 der genannten Verordnung überdies nur dann berufen, wenn sie sich bei ihrer Einreise der Grenzkontrolle gestellt hätten und ihnen entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet worden wäre. Dies ist jedoch nach der - auch von der Beschwerde unbestrittenen - Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde nicht der Fall. Die Beschwerde hat nicht aufgezeigt, daß die Beschwerdeführer aus anderen Gründen zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt seien; es kann der belangten Behörde daher kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie zu dem Ergebnis gelangte, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet rechtswidrig war und gemäß § 17 Abs. 1 FrG gegen sie die Ausweisung verfügt hat.

4. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid auch deswegen für rechtswidrig, weil die Ausweisung der Beschwerdeführer gemäß § 19 FrG nicht zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei. Nach Ansicht der Beschwerdeführer sei nicht erkennbar, woraus sich ergebe, außer daß sich die Beschwerdeführer nach Ansicht der belangten Behörde im Bundesgebiet rechtswidrig aufhielten, daß die Ausweisung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei. Die Rechtswidrigkeit des Aufenthaltes reiche für sich allein genommen nicht als Grund für das Vorliegen einer Eingriffsnotwendigkeit gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK. Über ihren rechtswidrigen Aufenthalt hinaus sei kein gegen die öffentliche Ordnung verstoßendes Verhalten der Beschwerdeführer festgestellt worden.

Dieser Beschwerdeeinwand ist im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der Einhaltung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0832), nicht berechtigt. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hielten sich die Beschwerdeführer bereits etwa 16 Monate unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Ein derartiger unrechtmäßiger Aufenthalt beeinträchtigt zweifellos die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften. Gegen das beträchtliche öffentliche Interesse an der Beendigung dieses Zustandes können im vorliegenden Fall auch die familiären Beziehungen der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nicht den Ausschlag geben, weshalb die gegen die Beschwerdeführer verfügte Ausweisung auch im Grunde des § 19 FrG nicht rechtswidrig erscheint.

5. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995181270.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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