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E000 EU- Recht allgemeinNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Binder, über die Revision des J-W K in G, vertreten durch die Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Opernring 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 27. April 2021, LVwG 49.35-2879/2020-10, betreffend Urlaubsersatzleistung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Stadt Graz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber steht seit 1. August 1980 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Graz. Mit 1. Februar 2009 wurde er in den dauernden Ruhestand versetzt.
2 Mit Bescheid vom 7. Mai 2020 wies der Stadtsenat der Stadt Graz den Antrag des Revisionswerbers auf Abgeltung von Urlaubsersatzleistungen für nicht verbrauchten Urlaub und von schichtdienstfreien Tage ab.
3 Mit Bescheid vom 15. Oktober 2020 wies der Gemeinderat der Stadt Graz die dagegen vom Revisionswerber erhobene Berufung ab.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Es ging - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren relevant - zusammengefasst davon aus, dass der Revisionswerber zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem aktiven Dienststand mit Ablauf des 31. Jänner 2009 über 27 krankheitsbedingt nicht konsumierte Urlaubstage und auf Grund seiner Dienstverrichtung im Rahmen des Wechseldienstes der Feuerwehr über ein Guthaben von 15 schichtdienstfreien Tagen und weiteren 17 Gutstunden verfügt habe. Erstmalig mit Schreiben vom 28. Februar 2020 habe der Revisionswerber gegenüber der Stadt Graz allfällige Ansprüche auf Urlaubsersatzleistung und betreffend schichtdienstfreie Tage geltend gemacht. Das Landesverwaltungsgericht begründete ausführlich unter Berufung auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH), dass dem Revisionswerber gemäß Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL) ein Anspruch auf Abgeltung des nicht konsumierten Gebührenurlaubs im Sinne des § 39 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz (DO) mit Ablauf des Endens seines Aktivdienstverhältnisses am 31. Jänner 2009 entstanden sei. Gemäß § 77b Abs. 1 DO verjähre der Anspruch auf Leistungen, wenn er nicht innerhalb von drei Jahren geltend gemacht werde, nachdem die anspruchsbegründenden Leistungen erbracht worden seien oder der anspruchsbegründende Aufwand entstanden sei. Auf Grund dieser Verjährungsbestimmung sei der Anspruch auf Abgeltung seiner Ansprüche jedoch jedenfalls mit Ablauf des 31. Jänner 2012 verjährt.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung zusammengefasst vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung des Gebührenurlaubs - trotz mangelnder, von der Rechtsprechung geforderter Mitteilung an den Arbeitnehmer - überhaupt gemäß § 77b Abs. 1 DO verjähren könne bzw. inwieweit Beginn und Ablauf der Verjährungsfrist durch eine fehlende Mitteilung auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beeinflusst würden. Gemäß der Rechtsprechung des EuGH (Hinweis auf die Rechtssachen C-619/16 und C-684/16) sei Voraussetzung für das Erlöschen des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub auch, dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit gehabt habe, den ihm verliehenen Anspruch wahrzunehmen, wobei den Arbeitgeber die Verpflichtung treffe, klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub, wenn er nicht konsumiert werde, am Ende des Bezugszeitraums verfallen werde. Ein von der Mitteilung des Arbeitgebers unabhängiger Fristenlauf würde dazu führen, dass ein Arbeitnehmer, der sich wie im vorliegenden Revisionsfall bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses im Krankenstand befunden habe - selbst im Falle schuldloser Unkenntnis einer drohenden Verjährung - seiner Urlaubsansprüche verlustig werde.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 12.8.2022, Ra 2022/12/0009,mwN).
11 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision werden zwei Rechtsfragen vermengt, nämlich einerseits die Frage des Verfalls des bezahlten Urlaubs und andererseits die Frage der Verjährung einer Urlaubsersatzleistung.
12 Im vorliegenden Revisionsfall hat das Landesverwaltungsgericht Steiermark seine Entscheidung allerdings nicht darauf gestützt, dass der bezahlte, krankheitsbedingt nicht konsumierte Urlaub des Revisionswerbers verfallen wäre (vgl. allerdings VwGH 11.10.2021, Ro 2020/12/0013, wonach der Verfall auch eintritt, wenn ein entsprechendes Hinwirken auf den Urlaubsverbrauch durch den Arbeitgeber unterblieb), sondern ist ausdrücklich davon ausgegangen, dass ein Anspruch des Revisionswerbers auf Urlaubsersatzleistung mit Enden seines Aktiv-Dienstverhältnisses unmittelbar aufgrund der RL entstanden sei. Gemäß der Begründung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark im angefochtenen Erkenntnis - wie bereits in den Bescheiden des Stadtsenates und des Gemeinderates der Stadt Graz - sei jedoch der Anspruch des Revisionswerbers auf Urlaubsersatzleistung gemäß § 77b Abs. 1 DO nach drei Jahren verjährt.
13 Was nun die Verjährung des Anspruchs auf Urlaubsersatzleistung betrifft, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass eine Regelung mit dem Unionsrecht vereinbar ist, nach der infolge unionsrechtswidriger innerstaatlicher Vorschriften vorenthaltene Bezugsbestandteile einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen (vgl. VwGH 6.10.2020, Ra 2020/12/0039). Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in dem genannten Erkenntnis u.a. auf das Urteil des EuGH vom 15. April 2010, C-542/08, Barth, gestützt, in dem der EuGH aussprach, dass das Unionsrecht es einem Mitgliedstaat nicht verbietet, einem Antrag auf Gewährung einer - unter Verletzung von Vorschriften des Unionsrechts nicht gewährten - besonderen Dienstalterszulage eine Verjährungsfrist entgegen zu halten, auch wenn dieser Mitgliedstaat die nationalen Bestimmungen nicht geändert hat, um sie mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen. Anders steht es nur, wenn das Verhalten der nationalen Behörden in Verbindung mit der Existenz einer Verjährungsfrist zur Folge hatte, dass einer Person jede Möglichkeit genommen wird, ihre Rechte vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (siehe Rn. 33). Dies ist hier nicht der Fall, weil der Revisionswerber die Möglichkeit gehabt hätte, einen Antrag auf Urlaubsersatzleistung gestützt auf die RL zu stellen und bei dessen Abweisung durch die Dienstbehörden den Verwaltungsgerichtshof anzurufen. Dem Erfordernis einer derartigen Antragstellung steht auch nicht entgegen, dass ein Urteil des EuGH zur Unionsrechtswidrigkeit von relevanten innerstaatlichen Rechtsvorschriften erst nach dem Zeitpunkt der zur Vermeidung der Verjährung erforderlichen Antragstellung ergangen ist (vgl. VwGH 30.6.2010, 2010/12/0082, sowie das bereits zitierte Urteil des EuGH, Barth, Rn. 41). Die zitierte Rechtsprechung gilt auch für den Anspruch auf Urlaubsersatzleistung.
14 In der Revision wurde somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 11. Jänner 2023
Gerichtsentscheidung
EuGH 62008CJ0542 Barth VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021120045.L00Im RIS seit
22.02.2023Zuletzt aktualisiert am
22.02.2023