TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/23 95/18/1264

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Veröffentlicht am 23.11.1995
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §20 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in Wien, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. November1994, Zl. SD 915/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. November 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen polnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 2 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer, der sich seit 1988 im Bundesgebiet aufhalte, sei am 17. November 1993 und am 3. Mai 1994 jeweils wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden, wobei Geldstrafen von

S 60.000,-- bzw. S 25.000,-- verhängt worden seien. In der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde wird dazu ausgeführt, daß der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Gesellschafter einer Ges.m.b.H., an der er zu 50 % beteiligt sei, jeweils wegen illegaler Beschäftigung von Ausländern bestraft worden sei. Im angefochtenen Bescheid kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß aufgrund dieser Bestrafungen der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt sei. Überdies sei der Beschwerdeführer am 27. Oktober 1994 wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu einer dreimonatigen bedingten Freiheitsstrafe rechtskräftig gerichtlich verurteilt worden. Aufgrund des Gesamtverhaltens sei die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt. Da sich die gesamte Familie des Beschwerdeführers in dessen Heimat aufhalte, könne sich dieser auf keine familiären Bindungen in Österreich berufen. Aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes im Inland sei das Aufenthaltsverbot jedoch mit einem relevanten Eingriff in sein Privatleben verbunden. Aufgrund der Verstöße gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz und des Umstandes, daß sich der Beschwerdeführer auch durch die erstmalige Bestrafung nicht von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abhalten habe lassen, sei jedoch das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes - dringend geboten und daher (im Grunde des § 19 FrG) zulässig. Bei der nach § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, daß der Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Im Hinblick auf die sich aus dem Fehlverhalten des Beschwerdeführers ergebende "ungünstige Zukunftsprognose" seien die maßgeblichen öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes weitaus schwerer zu gewichten als die negativen Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Die Befristung des Aufenthaltsverbotes für eine Dauer von zehn Jahren sei erforderlich, um den Berufungswerber dahin zu bringen, die österreichischen Rechtsvorschriften zu beachten.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 13. Juni 1995, B 128/95-6).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer erkennbar Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde läßt die maßgebliche Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei zweimal wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden und wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden, unbestritten. Im Ergänzungsschriftsatz wird zwar ausgeführt, daß unter anderem auch § 18 FrG "nicht im gesetzlich gebotenen Rahmen" angewendet worden sei, dazu jedoch kein konkretes Vorbringen erstattet. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes trifft die Beurteilung der belangten Behörde zu, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht und wegen des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

1.2. Auch zur Frage des Dringend-geboten-seins des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG enthält die Beschwerde keine konkreten Ausführungen. Von den den Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen der Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zugrundeliegenden Straftaten geht eine erhebliche Beeinträchtigung der Ordnung auf dem Gebiet der Arbeitsmarktverwaltung aus. Unter Berücksichtigung des weiteren Umstandes, daß sich der Beschwerdeführer auch der Staatsgewalt widersetzt hat, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier: zur Verteidigung der Ordnung auf dem Gebiet der Arbeitsmarktverwaltung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen) dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, keinen Bedenken.

1.3. Der Beschwerdeführer meint, daß die belangte Behörde bei der nach § 20 Abs. 1 FrG gebotenen Interessenabwägung seinen Aufenthalt im Bundesgebiet seit 1988 und seine "geregelte Tätigkeit" während dieser Zeit nicht ausreichend berücksichtigt habe. Er habe in dieser Zeit eine Ges.m.b.H. gegründet und zu einem "florierenden Unternehmen" ausgebaut, welches nicht nur seinen Unterhalt, sondern auch den Unterhalt vieler "Angestellter und Mitarbeiter" sichere. Das Aufenthaltsverbot hätte den "Zerfall dieses Unternehmens" zur Folge und bedeutete daher auch einen Eingriff in die Interessen seiner Mitarbeiter. All dies hätte die belangte Behörde - ebenso wie die Umstände, weshalb es zu den Verwaltungsübertretungen gekommen sei - festzustellen und den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegenüberzustellen gehabt.

Die belangte Behörde hat den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland seit 1988 ohnehin zu dessen Gunsten berücksichtigt. Der von der vom Beschwerdeführer behaupteten "geregelten Tätigkeit" bewirkten Integration kommt kein entscheidendes Gewicht zu, weil er gerade seine "Tätigkeit" als Geschäftsführer einer Ges.m.b.H. dazu benutzte, gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz zu verstoßen (vgl. dazu aus der ständigen hg. Judikatur, wonach der Berufstätigkeit des Fremden bei der Abwägung nach § 20 Abs. 1 FrG nur ein geringes Gewicht zukommt, wenn die für eine daraus abzuleitende Integration wesentliche soziale Komponente durch die begangenen Straftaten erheblich beeinträchtigt wird, etwa das Erkenntnis vom 9. März 1995, Zl. 95/18/0286). Der Gesichtspunkt des beruflichen Fortkommens des Fremden hat bei der Abwägung nach § 20 Abs. 1 FrG außer Betracht zu bleiben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0338). Auch der mit dem Aufenthaltsverbot angeblich bewirkte "Zerfall des Unternehmens" und der damit verbundene Verlust von Arbeitsplätzen kann nicht mit Erfolg für den Beschwerdeführer geltend gemacht werden, da im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG als für ein Verbleiben des Fremden im Bundesgebiet sprechende Umstände ausschließlich solche in Betracht kommen, die dem privaten und familiären Interessenbereich zuzuordnen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0332). Inwiefern die nicht näher dargelegten "Umstände, weshalb es zu den Verwaltungsübertretungen gekommen ist", bei der Interessenabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen seien, tut die Beschwerde nicht dar.

Die belangte Behörde hat daher bei der nach § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und ist dabei im Hinblick auf die große Beeinträchtigung öffentlicher Interessen durch das festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers auch zu einem richtigen Ergebnis gelangt.

1.4. Anders als die Beschwerde zum Ausdruck bringt, ist auch die Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes nicht als rechtswidrig zu erkennen. Der belangten Behörde kann insbesondere im Hinblick auf den raschen Rückfall des Beschwerdeführers nach der ersten Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie im Ergebnis die Ansicht vertrat, daß ein Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände (§ 21 Abs. 2 FrG), d. h. der durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers herbeigeführten Gefährdung der öffentlichen Interessen, vorhersehbarerweise nicht vor Ablauf von zehn Jahren angenommen werden könne.

2. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995181264.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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