Index
L85008 Straßen Vorarlberg;Norm
LStG Vlbg 1969 §36 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der F Gesellschaft m.b.H. in K, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 26. Juli 1995, Zl. II-2207/95, betreffend ein Verfahren nach dem Straßengesetz (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde R, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 11. Juni 1991 hat die Beschwerdeführerin um die nachträgliche Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Gartencenters sowie die Aufstellung von Hochregallagern beim bestehenden Baufachmarkt auf den Grundstücken Nr. 5992/2, 6001 bis 6005 sowie 6020/2, alle KG R, angesucht. Mit Eingabe vom 7. April 1992 wurde um "die Erteilung der Genehmigung" für das Gartencenter angesucht. Dieses Ansuchen sollte aufgrund des bei der Bauverhandlung gemachten Hinweises der Baubehörde, daß der Bauabstand von 4 m lt. § 36 des Straßengesetzes nicht eingehalten worden sei, als Antrag um Ausnahmegenehmigung nach dieser Bestimmung anzusehen sein, da als Begründung lediglich festgehalten wurde, daß der Abstand zur Grundgrenze zu gering sei (zwischen 0,20 m bis 1,40 m).
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 4. Juni 1992 wurde der Beschwerdeführerin die beantragte Baubewilligung gemäß § 31 Abs. 5 des Baugesetzes versagt. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß der Bürgermeister als zuständige Behörde einem geringeren Abstand als laut § 36 des Straßengesetzes vorgesehen, nicht zustimme. Der dagegen eingebrachten Berufung der Beschwerdeführerin hat die Berufungskommission mit Bescheid vom 21. August 1992 nicht stattgegeben. Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 31. März 1993 den Bescheid der Berufungskommission aufgehoben. Die Aufhebung wurde damit begründet, daß über den Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 36 des Straßengesetzes als Vorfrage nicht abgesprochen und daher die Baubewilligung zu Unrecht gemäß § 31 Abs. 5 des Baugesetzes abgewiesen worden sei. Vor Abspruch über das Bauansuchen habe die dafür zuständige Behörde ihre Entscheidung gemäß § 36 des Straßengesetzes zu fällen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
In weiterer Folge wurde ein verkehrstechnisches Gutachten eingeholt, die beantragte Abstandsnachsicht wurde aus verkehrstechnischen Gründen abschlägig beurteilt. Nachdem dieses Gutachten der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht wurde, die die dort gemachten Aussagen bestritt, erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde einen Bescheid vom 7. Dezember 1994, mit dem das Ersuchen um Ausnahmegenehmigung gemäß § 36 des Straßengesetzes abgewiesen wurde. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung hat die Berufungskommission mit Bescheid vom 10. Februar 1995 abgewiesen. Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. Juni 1995 keine Folge gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das gegenständliche Gartencenter soll nach dem Einreichplan eine Länge von ca. 40 m aufweisen, im nördlichen Teil aus Plexiglas und Holz errichtet und von zehn mal 10 cm breiten Holzsäulen, die in einem Abstand von 3,44 m errichtet werden, gestützt werden. Die Giebelhöhe der überdachten Holzkonstruktion betrage 3,80 m, die Breite ca. 3,20 m. Südlich dieser Konstruktion sollen 2 einander gegenüberliegende Hochregallager in Wellblechausführung mit den Grundmaßen von je 9,10 m Länge und 1,2 m Breite bei einer Höhe von 4,4 m errichtet werden. Diese Hochregallager sind auf 3 Seiten geschlossen ausgeführt sowie überdacht. Im Gartencenter sollen außerdem verschiedene Einrichtungsgegenstände aufgestellt werden.
Gemäß § 36 des (Vorarlberger) Straßengesetzes, LGBl. Nr. 8/1969, dürfen an Landesstraßen innerhalb einer Entfernung von 6 m und an den übrigen öffentlichen Straßen innerhalb einer Entfernung von 4 m keine Bauwerke oder sonstigen Anlagen errichtet werden. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat die Behörde bei Errichtung von Bauwerken oder sonstigen Anlagen, die zu Zwecken dienen, die mit einem regelmäßigen Parken oder sonst häufigen Anhalten von Fahrzeugen verbunden sind, abweichend vom Abs. 1 größere Abstände vorzuschreiben, wenn sonst für die Straßenbenützer ungünstige Rückwirkungen zu erwarten sind. Kleinere Abstände kann die Behörde ausnahmsweise zulassen, wenn sich dadurch keine ungünstigen Rückwirkungen für die Straßenbenützer ergeben.
Der verkehrstechnische Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 7. Juni 1993 nach Beschreibung der örtlichen Gegebenheiten ausgeführt, das gegenständliche Gartencenter und dessen Einfriedung bilde ein ständiges Sichthindernis für ausfahrende Fahrzeuglenker aus dem Parkplatz des Baumarktes auf den sich von rechts annähernden Gemeindestraßenverkehr bzw. verdeckten auch die Sicht für Fahrzeuglenker auf der Gemeindestraße auf ausfahrende Fahrzeuge und erzwinge die Einfriedung entlang des Fahrbahnrandes der Gemeindestraße die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes durch den Gemeindestraßenverkehr, wodurch ein Teil der Gemeindestraßenfahrbahn nicht mehr benützbar sei. Diese Nachteile - beeinträchtigte Sichtverhältnisse und Nichtbenützbarkeit eines Teiles der Straßenfahrbahn - müßten als ungünstige Rückwirkungen für die Straßenbenützer bezeichnet werden. Diesem Gutachten hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren entgegnet, daß die Sicht für die angrenzende Gemeindestraße auf alle Fälle gegeben sei, da kein massives Bauwerk, sondern ein Maschendrahtzaun und niedrige Pflanzen den Kreuzungsbereich "verdeckten". Die Gemeindestraße befinde sich im Ortsgebiet, welches eine Geschwindigkeit von höchstens 40 km/h zulasse, da unmittelbar bei der Ausfahrt die Kreuzung der Bundesstraße sei, welche eine erhöhte Vorsicht und Temporeduktion jedenfalls erfordere. Weiters werde darauf hingewiesen, falls die Behörde davon ausgehe, daß hier eine Sichtbehinderung gegeben sei, die Behebung dieses Mangels durch kostengünstigere Maßnahmen wie die Bepflanzung des Beetes mit niedrigen Pflanzen möglich sei.
Die Gemeindebehörden haben die Abweisung des Ansuchens um Abstandsnachsicht gemäß § 36 Abs. 2 letzter Satz des Straßengesetzes auf das negative Gutachten des Verkehrssachverständigen gestützt.
In ihrer Vorstellung brachte die Beschwerdeführerin vor, § 36 des Straßengesetzes dürfte nicht dahingehend interpretiert werden, daß eine Ausnahmebewilligung schon dann versagt werden könne, falls nur eine verschwindend geringe Beeinträchtigung der Benützung der Straße gegeben sei. Vielmehr seien die zu erwartenden positiven Auswirkungen durch die eventuelle Einrichtung zu prüfen, weil eindeutig durch die Erzwingung einer erhöhten Aufmerksamkeit im Straßenverkehr positive Rückwirkungen erwartet werden könnten. Die Ansicht der Berufungskommission, die Frage der Sicherheit sei nicht zu prüfen, sei ebenso unzutreffend, wie die Annahme der Behörde, daß ein von der Beschwerdeführerin vorgeschlagener "Verkehrsspiegel" nicht zielführend sei. Da die Berufungskommission selbst von "ungünstigen Rückwirkungen" für die Staßenbenützer ausgehe, müßte sie doch vielmehr daran interessiert sein, die behaupteten negativen Rückwirkungen zu mindern.
Auch in der Beschwerde wird gerügt, daß sich die Behörde mit der von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Lösung der Anbringung eines zusätzlichen Spiegels nicht auseinandergesetzt habe. Es wäre auch Aufgabe der Behörde gewesen, festzustellen, daß aufgrund der örtlichen Höchstgeschwindigkeit der Bremsweg ohnedies nicht ausreiche, um die Gefahrensituation jedenfalls zu entschärfen.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hat der verkehrstechnische Sachverständige eine Beeinträchtigung der Sichtverhältnisse nicht nur durch den Maschendrahtzaun, sondern auch durch das Gartencenter selbst als gegeben erachtet. Er hat ausgeführt, daß dann, wenn die Durchsicht durch das Gartencenter gänzlich verstellt ist, die Anfahrtssicht aus der Parkplatzauffahrt auf ca. 25 m reduziert wird und sich die Ausfahrt in einer leichten Innenkurve der Gemeindestraße befinde. Die Schlußfolgerung des Sachverständigen, wonach das gegenständliche Gartencenter (und die Einfriedung) eine beständige Sichtbehinderung bildet, ist anhand der eingereichten Pläne nachvollziehbar und wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Sie ist diesen Ausführungen nur mit dem Hinweis entgegengetreten, daß die örtliche Situation ohnedies langsames Fahren bedinge und allenfalls durch einen Verkehrsspiegel entschärft werden könnte.
Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerdeführerin die Rechtsnatur des § 36 Abs. 2 letzter Satz des Vorarlberger Straßengesetzes. Diese Bestimmung stellt eine Ausnahmebestimmung dar, wonach dann, wenn sich durch die Verringerung der Abstände (hier von 4 m) keine ungünstigeren Rückwirkungen für die Straßenbenützer ergeben, kleinere Abstände festgesetzt werden könnten. Eine ungünstige Rückwirkung für die Straßenbenützer ist aber schon dann gegeben, wenn die Sicht in einer Innenkurve verringert wird. Da § 36 Abs. 2 letzter Satz leg. cit. weder die Vorschreibung von Auflagen noch eine Interessensabwägung vorsieht, waren weder die Gemeindebehörden noch die Aufsichtsbehörde gehalten, sich mit dem Vorbringen in bezug auf die Anbringung eines Verkehrsspiegels auseinanderzusetzen. Die Ansicht der Beschwerdeführerin, daß die durch die Verschlechterung der Sichtverhältnisse gebotene langsamere Fahrweise der Straßenbenützer eher positiv zu beurteilen sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen. Eine ungünstige Rückwirkung im Sinne des § 36 Abs. 2 letzter Satz des Straßengesetzes liegt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch dann vor, wenn die Beeinträchtigung der Sichtverhältnisse ein langsameres Fahren erfordert.
Da im Ergebnis die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in keinen Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des Kostenbegehrens der belangten Behörde auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Gemeinde war abzuweisen, da die Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechtes im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises gemäß § 2 Z. 2 des Gebührengesetzes 1957 von der Entrichtung der Stempelgebühren befreit ist; diese Befreiung erstreckt sich auch auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. das Erkenntnis vom 28. April 1969, Slg. Nr. 7554/A u.v.a).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995060168.X00Im RIS seit
28.11.2001