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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Mai 1995, Zl. SD 331/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 4. Mai 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer, der seit dem Jahre 1991 in Österreich lebe, sei erstmals im Jahre 1992 wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne gültige Lenkerberechtigung (§ 64 Abs. 1 KFG) bestraft worden. Es sei damals auch ein Feststellungsbescheid ergangen, daß der Beschwerdeführer aufgrund seines jugoslawischen Führerscheines nicht berechtigt sei, ein Kraftfahrzeug zu lenken. Der Beschwerdeführer habe jedoch weiterhin Kraftfahrzeuge gelenkt und sei im Februar 1994, im Mai 1994, im Juni 1994, im September 1994 und zuletzt im Dezember 1994, insgesamt somit sechs Mal wegen der Übertretung nach § 64 Abs. 1 KFG bestraft worden.
Bei dieser Sachlage vermöge die belangte Behörde den Beteuerungen des Beschwerdeführers, er werde sein Auto verkaufen und kein Kraftfahrzeug mehr lenken, keinen Glauben zu schenken. Vielmehr bestehe angesichts dieser schwerwiegenden und beharrlich wiederholten Übertretungen gegen kraftfahrrechtliche Vorschriften kein Zweifel, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers aufgrund der im § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG genannten bestimmten Tatsachen die öffentliche Ordnung im Straßenverkehr im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. eminent gefährde.
Gehe man im Hinblick auf den vierjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet von einem Eingriff in dessen Privatleben aus, so sei der Eingriff jedenfalls zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zur Verteidigung der Ordnung, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten (und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig). Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers seien keineswegs so bedeutend wie die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von seiner Erlassung.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt der als maßgeblich festgestellte Sachverhalt, insbesondere die Tatsache, daß der Beschwerdeführer insgesamt sechs Mal wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne gültige Lenkerberechtigung bestraft worden ist, unbestritten.
2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, anfangs mit seinem jugoslawischen Führerschein länger als erlaubt gefahren zu sein, da er nicht gewußt habe, daß er diesen auf eine österreichische Lenkerberechtigung "umschreiben" hätte lassen müssen. Da er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, habe er längere Zeit benötigt, um sich über die österreichischen Vorschriften in Kenntnis zu setzen. Nach Erlangung dieser Kenntnis habe er keine Möglichkeit mehr gefunden, diesen Vorschriften nachzukommen. Er habe mit aller Kraft versucht, seinen Eltern sowie seinem Bruder und dessen Familie, welche aufgrund der Kriegswirren in Bosnien "vor dem Nichts ... standen", zu helfen und sei daher nicht mehr dazu gekommen, sich um den Austausch des Führerscheins zu kümmern. Der mehrmalige Verstoß gegen kraftfahrrechtliche Vorschriften sei ihm nicht vorwerfbar. Da der Beschwerdeführer über einen jugoslawischen Führerschein verfüge und mit den Regeln des Straßenverkehrs vertraut sei, liege keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung vor. Er habe bei den Verstößen gegen § 64 Abs. 1 KFG auch keine anderen Personen beeinträchtigt oder gefährdet. Sein Verhalten reiche daher nicht für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 Abs. 1 FrG in Verbindung mit § 18 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. aus.
2.2. Der Beschwerdeführer war aufgrund seines jugoslawischen Führerscheines gemäß § 64 Abs. 5 KFG berechtigt, in Österreich ein Kraftfahrzeug bis längstens ein Jahr nach Begründung seines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet zu lenken. Selbst wenn man dem Beschwerdeführer in bezug auf das erstmalige Lenken eines Kraftfahrzeuges in Österreich nach Ablauf dieser Frist ein Versehen konzedierte und diesen ersten Verstoß nicht als gravierend betrachtete, so mußte ihm jedenfalls aufgrund der erstmaligen Bestrafung wegen Übertretung nach § 64 Abs. 1 KFG und des ergangenen Feststellungsbescheides, wonach ihn der jugoslawische Führerschein nicht zum Lenken eines Kraftfahrzeuges in Österreich berechtige, die Rechtswidrigkeit jedes künftigen Lenkens seines Kraftfahrzeuges ohne österreichische Lenkerberechtigung bewußt gewesen sein. Es liegt ihm daher hinsichtlich der weiteren fünf Verstöße gegen § 64 Abs. 1 KFG Vorsatz zur Last. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß er wegen der Hilfeleistung für seine in Bosnien lebende Familie "unter großem Druck stand". Die vorsätzliche Mißachtung einer zentralen kraftfahrrechtlichen Norm, wie der des § 64 Abs. 1 KFG, wonach das Lenken eines Kraftfahrzeuges auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur aufgrund einer von der (zuständigen österreichischen) Behörde erteilten Lenkerberechtigung zulässig ist, stellt aber eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG dar, weshalb die belangte Behörde zu Recht zur Auffassung gelangte, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht worden sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1994, Zl. 94/18/0093).
Wenn die belangte Behörde auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt gehalten hat, so stößt auch diese Beurteilung auf keine Bedenken, handelt es sich doch bei den in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers im Hinblick auf den Umstand, daß das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung zu den gröbsten Verstößen gegen das KFG zählt, um Gefährdungen öffentlicher Interessen (der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) von großem Gewicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0427).
2.3. Zur Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG vermeint der Beschwerdeführer, daß diese Maßnahme aufgrund seines vierjährigen Aufenthaltes im Inland einen "tiefgreifenden Eingriff" in sein Privatleben darstelle. Da er bereit sei, sein Kraftfahrzeug zu verkaufen und kein Kraftfahrzeug mehr zu lenken, bzw. sich eine österreichische Lenkerberechtigung "zuzulegen" (es sei nicht einzusehen, warum die belangte Behörde den diesbezüglichen glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers keinen Glauben geschenkt habe), sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele erforderlich.
Die belangte Behörde vertrat im Hinblick auf den vierjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ohnehin - zutreffend - die Ansicht, daß das Aufenthaltsverbot in dessen Privatleben eingreife.
Im Hinblick auf die sich in der Vielzahl der vom Beschwerdeführer begangenen - wie dargetan - schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen manifestierende Neigung, sich über die österreichische Rechtsordnung hinwegzusetzen, ist das Aufenthaltsverbot jedoch zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen dringend geboten. Die Auffassung der belangten Behörde, daß das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, ist daher zutreffend (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 93/18/0427).
Aufgrund der Tatsache, daß der Beschwerdeführer trotz mehrmaliger Bestrafung immer wieder sein Kraftfahrzeug ohne gültige Berechtigung gelenkt hat, ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde sein Auto verkaufen und kein Kraftfahrzeug mehr lenken, unglaubwürdig sei, nicht unschlüssig und begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden Überprüfungsbefugnis der Beweiswürdigung keinen Bedenken. Im übrigen böte auch der Verkauf des Kraftfahrzeuges keine Gewähr für das Unterbleiben weiterer einschlägiger Übertretungen (vgl. auch dazu das bereits mehrfach zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 93/18/0427).
2.4. Soweit der Beschwerdeführer offensichtlich unter dem Gesichtspunkt der Bekämpfung des Ergebnisses der gemäß § 20 Abs. 1 FrG durchzuführenden Interessenabwägung ausführt, er benötige (das Entgelt für) seine Arbeit in Österreich, um seinen Eltern und seinem Bruder samt dessen Familien "beim Kampf um das Überleben zu helfen", ist ihm entgegenzuhalten, daß diese Personen nach dem Beschwerdevorbringen nicht in Österreich leben, bei der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG aber nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur auf das im Inland bestehende Familienleben Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/18/0614).
Zum Vorbringen, der Beschwerdeführer habe aufgrund der Kriegsereignisse keine Möglichkeit, in seine Heimat zurückzukehren und könne auch nicht in ein anderes Land reisen, ist auszuführen, daß über die Frage, wohin der Fremde ausreisen oder allenfalls abgeschoben werden wird, im Aufenthaltsverbotbescheid nicht abzusprechen ist. Dieser Aspekt ist daher auch nicht in die Interessenabwägung einzubeziehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 93/18/0260).
Bei der Interessenabwägung ist daher neben dem Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland seit 1991 zu dessen Gunsten lediglich auf die - nach dem Beschwerdevorbringen bestehende - Beschäftigung Bedacht zu nehmen. Im Hinblick auf die geradezu beharrliche Begehung schwerwiegender Gesetzesverstöße und die daraus resultierende Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist die belangte Behörde zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.
3.1. Der Beschwerdeführer vermeint, daß die Dauer des ausgesprochenen Aufenthaltsverbotes unangemessen sei, weil er ohnehin bereits eingesehen habe, daß er in Österreich nicht mit einem jugoslawischen Führerschein fahren dürfe und der Behörde auch schon mitgeteilt habe, sein Kraftfahrzeug verkaufen zu wollen und kein Auto mehr zu lenken, bis er eine österreichische Lenkerberechtigung habe.
3.2. Dem ist zu erwidern, daß ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen ist, wenn ein Wegfall des Grundes nicht vorhergesehen werden kann (siehe das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0349, m.w.N.). Im angefochtenen Bescheid wurde die - in der Beschwerde wiedergegebene - Ansicht der Erstbehörde übernommen, daß die fünfjährige Dauer des Aufenthaltsverbotes jenem Zeitraum entspreche, innerhalb dessen ein positiver Gesinnungswandel erwartet werden könne. Dies kann im Hinblick auf die Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Verwaltungsübertretungen und die - wie dargetan - unbedenkliche Beweiswürdigung, daß das Vorbringen, der Beschwerdeführer werde sein Auto verkaufen und kein Kraftfahrzeug mehr lenken, nicht glaubwürdig sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
4. Da somit bereits der Inhalt erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995181173.X00Im RIS seit
19.03.2001