TE OGH 2023/1/25 8ObA91/22y

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Veröffentlicht am 25.01.2023
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Thunhart und die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. M*, vertreten durch Mag. Doris Braun, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, Bildungsdirektion für Steiermark, 8011 Graz, Körblergasse 23, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17–19, wegen Feststellung und 166.820,82 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Oktober 2022, GZ 7 Ra 29/22x-25, mit welchem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. November 2021, GZ 43 Cga 128/20b-21, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.174,10 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]            Der Kläger ist seit dem Jahr 2005 Vertragslehrer mit einer vollen Lehrverpflichtung an der HTBLVA G* und wurde im Jahr 2016 zum Vorstand der Abteilung „Kunst und Design“ bestellt. In dieser Funktion gehört es zu seinen Aufgaben Sitzungen und Konferenzen vorzubereiten, an der Lehrfächerverteilung und der Erstellung des Stundenplans mitzuwirken, das Budget zu erstellen, künstlerische Eignungsprüfungen vorzubereiten und zu bewerten sowie eine Sprechstunde abzuhalten. Er ist für etwa 800 Schüler zuständig und muss auch einschreiten, wenn unerwartete Probleme mit Schülern oder Lehrern auftreten.

[2]                     Nachdem sich im Jahr 2017 Schüler, Eltern und Lehrer mehrfach über die mangelnde Präsenz des Klägers in der Schule beschwerten, erteilte der Landesschulrat für Steiermark im Jahr 2017 die Weisung, dass alle Abteilungsvorstände und auch der Kläger zusätzlich zu 3,13 Unterrichtsstunden 28 Administrationsstunden à 60 Minuten wöchentlich zu erbringen haben und sich an fünf Tagen der Woche zur pädagogischen Kernzeit von 8:00 bis 13:00 Uhr in der Schule aufhalten müssen.

[3]       Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er als Abteilungsvorstand zur Befolgung dieser Weisung nicht verpflichtet sei sowie 166.820,82 EUR sA für die aufgrund der Befolgung der rechtswidrigen Weisung geleistete Mehrarbeit. Eine Unterrichtstunde des von ihm unterrichteten Gegenstands „Entwurf und Medientechnik“ entspreche nach § 2 Abs 1 Z 1 BLVG einer Werteinheit von 1,167, sodass er seine volle Lehrverpflichtung mit 17,13 Wochenstunden erfülle. Nach § 3 Abs 5 BLVG vermindere sich das Ausmaß seiner Lehrverpflichtung als Abteilungsvorstand um 14 Wochenstunden, sodass er derzeit nur 3,13 Wochenstunden unterrichten müsse. Die „Dienstzeit“ des Klägers für Administrationstätigkeiten beschränke sich deshalb auf 14 Stunden. Aus § 3 Abs 5 BLVG folge zudem, dass Administrationsstunden den Unterrichtsstunden gleichgestellt seien und dementsprechend nur 50 Minuten dauern würden.

[4]       Die Beklagte wendet ein, dass der Kläger als Vertragsbediensteter nach § 20 Abs 1 VBG iVm § 48 Abs 2 BDG zu einer Wochendienstzeit von 40 Stunden verpflichtet sei. Nach § 2 Abs 1 BLVG betrage das Ausmaß der vollen Lehrverpflichtung nur 20 Wochenstunden, weil der Gesetzgeber für jede Unterrichtsstunde eine weitere Arbeitsstunde für die Vor- und Nachbereitung vorsehe. Dies gelte jedoch nicht für Administrationstätigkeiten. Durch seine Bestellung zum Abteilungsvorstand habe sich die Lehrverpflichtung des Klägers nach § 3 Abs 5 BLVG von 20 auf 6 Wochenstunden reduziert, was unter Berücksichtigung der Vor- und Nachbereitungszeit einer Arbeitszeit von 12 Wochenstunden entspreche, sodass er die verbleibende Dienstzeit von 28 Stunden für Administrationstätigkeiten aufwenden müsse. Auch die in § 4 Abs 1 Schulzeitgesetz mit 50 Minuten festgelegte Dauer einer Unterrichtsstunde sei auf Administrationstätigkeiten nicht anwendbar, weil damit die Anwesenheit des Lehrers in den Pausen berücksichtigt werde. Da der geordnete Schul- und Dienstbetrieb es erfordere, dass Abteilungsvorstände erreichbar sind und rasch handeln können, bestehe ein legitimes dienstliches Interesse daran, dass der Kläger während seiner Administrationstätigkeit in der Schule anwesend ist.

[5]            Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Ausmaß der Lehrverpflichtung eines Bundeslehrers nach § 2 Abs 1 BLVG berücksichtige den mit der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts verbundenen Zeitaufwand, sodass diese Vorschrift nur für den Unterricht anwendbar sei, während für Administrationstätigkeit die allgemeinen Vorschriften für Vertragsbedienstete heranzuziehen seien. Nach § 20 Abs 1 VBG iVm § 48 Abs 2 BDG betrage die regelmäßige Wochendienstzeit 40 Stunden. Aufgrund seiner Tätigkeit als Abteilungsvorstand habe sich die Lehrverpflichtung des Klägers nach § 3 Abs 5 BLVG um 14 Unterrichtsstunden vermindert, was bei einer regelmäßigen Wochendienstzeit von 40 Stunden einer Entlastung von 28 Stunden (x 1,167) entspreche. § 4 Abs 1 Schulzeitgesetz, wonach Unterrichtsstunden lediglich 50 Minuten dauern würden, sei auf Administrationstätigkeiten nicht anzuwenden. Die dem Kläger erteilte Weisung, zusätzlich zu seiner eingeschränkten Lehrverpflichtung wöchentlich 28 Administrationsstunden à 60 Minuten zu erbringen, sei daher vom Gesetz gedeckt. Angesichts der Leitungsfunktion von Abteilungsvorständen sei die Beklagte auch berechtigt gewesen, den Kläger zur Anwesenheit in der Schule zu verpflichten.

[6]            Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil der Frage, inwieweit Vertragslehrer bei der örtlichen und zeitlichen Ausgestaltung ihrer Administrationstätigkeit als Abteilungsvorstand Weisungen des Dienstgebers unterliegen, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

[7]            Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidung dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[8]            Die Beklagte beantragt die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9]            Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[10]           1. Vertragsbedienstete sind nach § 20 Abs 1 VBG iVm § 48 Abs 2 BDG zu einer regelmäßigen Wochendienstzeit von 40 Stunden verpflichtet. Demgegenüber gilt ein Vertragslehrer nach § 90b Abs 1 VBG als vollbeschäftigt, wenn seine Wochenstundenanzahl das Ausmaß der Lehrverpflichtung erreicht. Nach § 2 Abs 1 BLVG beträgt die Lehrverpflichtung 20 Wochenstunden, wobei eine Unterrichtsstunde in dem vom Kläger unterrichteten Gegenstand der Lehrverpflichtungsgruppe I mit der Werteinheit von 1,167 anzurechnen ist. Diese Regelung berücksichtigt, dass Lehrer – je nach Arbeitsintensität des von ihnen unterrichteten Gegenstands – auch für die Vor- und Nachbereitung, insbesondere für die Korrektur schriftlicher Arbeiten Zeit aufwenden müssen (ErläutRV 1 BlgNR 25. GP 6 f; 10 ObS 172/00t; Auer-Mayer in Reissner/Neumayr, ZellKomm17 [2022] §§ 211–215 BDG Rz 8). Schon deshalb sind die Vorschriften über die Lehrverpflichtung in § 2 Abs 1 BLVG nicht auf Administrationstätigkeiten anwendbar, wie sie vom Kläger als Abteilungsvorstand zu erbringen sind.

[11]           2. Schon um eine Regelungslücke zu vermeiden, kann auch § 212 Abs 3 BDG, wonach die Vorschriften über die Dienstzeit nicht auf Lehrer anzuwenden sind, nur für Lehrer gelten, bei denen sich die Dienstzeit aus der jeweiligen Lehrverpflichtung ergibt (siehe ErläutRV 631 BlgNR 20. GP 93). Demgegenüber unterliegen Vertragslehrer, die von ihrer Lehrverpflichtung befreit sind, wie dies etwa auf Schulleiter nach § 44a Abs 3 VBG zutrifft, den allgemeinen Vorschriften über die Dienstzeit, was nach § 20 Abs 1 VBG iVm § 48 Abs 2 BDG eine regelmäßige Wochendienstzeit von 40 Stunden bedeutet.

[12]           3. Den Vorinstanzen ist deshalb dahin zuzustimmen, dass die Dienstzeit von Vertragslehrern, die nur teilweise von ihrer Unterrichtsverpflichtung befreit sind, verhältnismäßig zu bestimmen ist. Nach § 3 Abs 5 BLVG hat sich das Ausmaß der Lehrverpflichtung des Klägers durch seine Bestellung zum Abteilungsvorstand um 14 Wochenstunden der Lehrverpflichtungsgruppe I vermindert, was bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden einer Entlastung von 28 Stunden (x 1,167) entspricht, die der Administrationstätigkeit vorbehalten bleibt.

[13]           4. Der Kläger kann sich nicht auf § 4 Abs 1 Schulzeitgesetz berufen, wonach eine Unterrichtsstunde 50 Minuten dauert, weil auch diese Regelung nur für den Unterricht, nicht aber für administrative Tätigkeiten gilt. Die dem Kläger erteilte Weisung 28 Stunden à 60 Minuten an Administrationstätigkeiten zu erbringen, ist damit vom Gesetz gedeckt.

[14]           5. Die Weisungen des Dienstgebers nach § 5a Abs 1 VBG können sich sowohl auf die Arbeitszeit als auch auf den Arbeitsort beziehen (Eder, Dienstrechtliche Vorgaben für das Weisungsrecht gegenüber Beamten und Vertragsbediensteten, JAS 2022, 1 [6]). Während § 44a Abs 2 VBG vorsieht, dass Lehrpersonen in der Funktion der Schulleitung in der Regel während der Unterrichtszeit in der Schule anwesend sein müssen, existiert für Abteilungsvorstände keine entsprechende Regelung. Wohl aber müssen Abteilungsvorstände nach § 45a Abs 1 VBG Leitungs- und Koordinationsaufgaben im jeweiligen Team wahrnehmen, wobei sie als Vorgesetzte der Lehrkräfte des jeweiligen Teams agieren, aber der Schulleitung untergeordnet sind, was – zumindest während ihrer Administrationstätigkeit – in gleicher Weise eine Anwesenheit in der Schule erfordert. Die dem Kläger erteilte Weisung entspricht damit den sich schon aus dem Gesetz ergebenden Dienstpflichten des Klägers.

[15]           6. Soweit sich der Kläger darüber beschwert, dass er durch die Dienstzeit und die Anwesenheitspflicht in der Schule gegenüber anderen Vertragslehrern benachteiligt sei, ist er auf die mit der Funktion eines Abteilungsvorstands verbundene Dienstzulage nach § 46c VBG zu verweisen.

[16]           Im Ergebnis ist die dem Kläger erteilte Weisung vom Gesetz gedeckt, sodass durch die Befolgung dieser Weisung keine Mehrleistungen erbracht wurden, die gesondert zu vergüten wären.

[17]           7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E137347

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2023:008OBA00091.22Y.0125.000

Im RIS seit

21.02.2023

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2023
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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